Weihnachten global lokal
Ganz globalisiert ist das Weihnachtsfest ja noch nicht. Die Wahrscheinlichkeit weltweit weißer Weihnachten etwa ist gleich null, in Australien tragen die Weihnachtsmänner ihre roten Mützen vermutlich nur zum Trotz gegen ihr meteorologisches Außenseiterdasein. Prag hingegen entspricht zurzeit voll und ganz den gängigen Vorstellungen von der Adventszeit.
Gleichzeitig hat wie jedes Jahr auch die Diskussion über die richtig tschechischen Weihnachten eingesetzt. Wobei Diskussion wahrscheinlich nicht ganz das richtige Wort ist, denn in den wesentlichen Fragen herrscht nahezu Einigkeit: Die Geschenke bringt das Jesuskind und nicht Santa Claus, öffentliche Karpfenhinrichtungen an jeder zweiten Straßenecke gehören zum vorweihnachtlichen Stadtbild, und die Böhmische Weihnachtsmesse von Jakub Jan Ryba aus dem Jahr 1796 gehört zum Schönsten, das die Geschichte der Weihnachtsmusik bisher hervorgebracht hat. Das mit den Karpfen ist vielleicht Geschmackssache, aber ansonsten kann man diesen Einschätzungen getrost zustimmen.
1796 war Englisch noch nicht die Sprache der globalen Kommunikation. Wenn es überhaupt eine Lingua franca der Gebildeten gab, dann Latein. Die Böhmische Hirtenmesse hat allerdings einen tschechischen Text. Und zwar weil Lateinische Psalme „weder einen religiösen Nutzen, noch Sänger, noch Zuhörer haben“, wie Ryba schrieb.
All diese Erwägungen klingen ziemlich unspektakulär, und sie sind es wohl auch. Manchmal ist es nämlich gar nicht nötig, scheinbare Gegensätze zu scheinbaren Konflikten aufzubauschen. Vielleicht besteht der moderne Zauber des Weihnachtsfestes auch darin, dass es mühelos lokal und global gleichzeitig sein kann. Und vielleicht könnte dies auch in vielen anderen Bereichen gelingen, in denen heute lieber hysterische Identitätsdebatten geführt werden.