Weihnachtsbäume, Berge und ein Übersetzerwettbewerb: tschechischer Jahresbeginn in Berlin
Ein Wald aus alten Tannenbäumen, eine Foto-Ausstellung, Diskussionsrunden sowie Literatur und Film: Das Programm des Tschechischen Zentrums in Berlin ist zu Jahresbeginn reich gefüllt. Einzelheiten dazu erfahren Sie im Interview mit Programmdirektorin Christina Frankenberg.
„Genau, heute Abend ist das junge Bennewitz Quartett aus Prag in Berlin zu hören. Es tritt unterstützt vom Tschechischen Zentrum im Berliner Konzerthaus auf und spielt ein sehr interessantes Programm mit Komponisten aus verschiedenen Generationen und auch aus ganz unterschiedlichen musikalischen Richtungen. Zuerst wird ein Werk von Antonín Dvořák zu hören sein, dann steht Erwin Schulhoff, der eher vom Jazz beeinflusst wurde, auf dem Programm. Wir erwarten auch eine deutsche Uraufführung des jungen tschechischen Komponisten, Slavomír Hořínka, der heute Abend in Berlin ‚Songs of Immigrants’ vorstellt.“
Und wo wird das Ganze stattfinden?„Das Konzert findet heute Abend um 20 Uhr im Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt.“
Ich habe gesehen, dass bei Ihnen im tschechischen Zentrum Weihnachten noch gar nicht richtig vorbei ist. Sie haben eine große Sammlung an Weihnachtsbäumen aufgestellt.
„Ja, in der letzten Woche haben wir einigen Berliner Weihnachtsbäumen eine zweite Chance gegeben - sozusagen nach dem Fest. Normalerweise landen sie am Straßenrand und werden danach von der Berliner Stadtreinigung entsorgt. Wir haben sie allerdings noch einmal ungeschmückt aufgebaut. Vor dem Eingang des Tschechischen Zentrums bilden sie nun einen Wald aus Weihnachtsbäumen und werden dort noch bis Ende Januar stehen bleiben. Wir haben uns also jetzt, wo unser Garten im Winter wieder brach liegt, ein neues Stück Natur mitten ins Berliner Stadtzentrum geholt.“
Bleiben wir bei Ausstellungen: Am 23. Januar werden die Werke von Fotografen bei Ihnen im Zentrum zu sehen sein. Die Ausstellung ist aber eine Fortsetzung eines bestehenden Projekts?„Das ist die Ausstellung ‚Hast du von Bergen geträumt?’. In diesem Projekt geht es aber nicht um die Stadt Bergen, sondern einfach um die Berge. In Berlin haben wir fast keine, nur immer die Sehnsucht nach Bergen. Das einzige was es in Berlin gibt sind die Trümmerberge, die nach dem Krieg errichtet worden sind. Im Tschechischen Zentrum ist eine Fortsetzung jener Ausstellung zu sehen, die es im letzten Herbst schon einmal in Dresden gab. In der Dresdener Ausstellung waren nur Fotografien ausgestellt, bei uns werden noch Objekte, Installationen und Videos dazu kommen. All diese jungen Künstler aus Tschechien und Deutschland beschäftigen sich mit dem Thema Berge und eben der Sehnsucht der Menschen nach den Bergen. Zur Eröffnung am 23. wird es auch eine Performance geben: Eine Berg-Zeremonie mit ‚Alpine Desire’. Diese jungen Künstler werden einigen unserer Besucher Berge schenken, allerdings nicht die Alpen sondern kleine Berge, die aus Porzellan hergestellt wurden.“
Dann sind Sie Mitveranstalter einer Diskussionsrunde, es geht um Homosexualität. Vielleicht könnten Sie dazu ein paar Worte sagen?„Diese Veranstaltung findet am Dienstag dem 28. Januar bei uns im Zentrum statt und trägt den Titel ‚Homosexualität und ihre Feinde’. Die Diskussionsrunde veranstalten wir gemeinsam mit der deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO). Die DGO ist Herausgeber der Zeitschrift ‚Osteuropa’, deren aktueller Band sich mit dem Thema Homosexualität, gerade in Ost- und Mitteleuropa, beschäftigt. Wir werden den Chefredakteur der Zeitschrift, Manfred Sapper, zu Gast haben, sowie den Bohemisten Franz Schindler von der Universität Gießen. Er hat in der Zeitschrift einen Beitrag über den Umgang mit Homosexualität in der Tschechischen Republik geschrieben. Thema des Abends wird die Situation in Russland sein, über die Herr Sapper sprechen wird, und die weitaus erfreulichere Situation in der Tschechischen Republik, über die Herr Schindler berichtet. In seiner Studie hat er herausgearbeitet, dass die Tschechen im Vergleich zu Polen oder Russland sehr viel liberaler sind - und das nicht nur in der Gesetzgebung, sondern auch im alltäglichen Umgang mit Gleichgeschlechtlichkeit.“
Aber auch in der Literatur tut sich 2014 bei Ihnen wieder Einiges, ich habe gesehen, dass sich die Lesegruppe wieder trifft. Wer oder was wird denn gelesen?„Am 21. Januar und am 18. Februar haben wir zwei verschiedene Autorinnen aus verschiedenen Zeiten zu Gast, die beide recht unterschiedliche oder recht gegensätzliche Bücher geschrieben haben. Am 21.Januar steht die ‚Dreizimmerwohnung aus Plastik’ von Petra Hůlová auf dem Programm. Sie schreibt in einer sehr direkten, innovativen Sprache über die Lebensbekenntnisse einer Prostituierten und ich freue mich schon sehr darauf, das tschechische Original mit der deutschen Übersetzung von Doris Kouba zu vergleichen. Ich glaube, dass es wahnsinnig schwierig ist für all diese neuen Wörter oder Neologismen, die Petra Hůlová verwendet, überhaupt deutsche Worte zu finden. Am 18.Februar werden wir dann über Karel Čapeks Klassiker ‚Der Krieg mit den Molchen’ sprechen.“
Zur Literatur gehört ja auch immer die Übersetzung – und da haben die Tschechischen Zentren nun in diesem Jahr einen Wettbewerb ausgeschrieben. Anlass ist der 100. Geburtstag des tschechischen Autors Bohumil Hrabal.„Der Wettbewerb wurde in vielen verschiedenen Ländern ausgeschrieben und richtet sich an Übersetzer, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen und noch nicht älter sind als 35 Jahre. Bohemisten und Bohemistinnen aus den verschiedenen Ländern haben jeweils eine Erzählung, ein Prosastück oder einen Auszug aus einem Roman von Bohumil Hrabal herausgesucht, die bisher noch nicht in die entsprechende Sprache übersetzt wurden. Diese Texte, die in der Regel zehn Normseiten lang sind, sollen dann von den beginnenden Übersetzern in die jeweiligen Sprachen übertragen werden. Für Deutschland und für Österreich gibt es zwei verschiedene Texte. Diejenigen, die sich an dem deutschen Wettbewerb beteiligen wollen, sollten die Erzählung ‚Perlička na dně’ übersetzen. Den Text findet man auf unserer Homepage, für weitere Informationen stehe auch ich gerne zur Verfügung. Die Übersetzungen müssen bis Ende Februar fertig gestellt sein. Im März trifft sich dann eine dreiköpfige Jury aus bekannten Übersetzern, die unter den eingesandten Beiträgen den besten Text auswählt. Als Preis winkt eine Reise nach Tschechien zur Prager Buchmesse und zur Nacht der Literatur, die von den tschechischen Zentren während der Buchmesse gestaltet wird. Außerdem werden die Sieger die Möglichkeit haben, an Veranstaltungen anlässlich des 100. Geburtstages von Bohumil Hrabal teilzunehmen und Hrabal-Experten und Freunde von Hrabal treffen können.“
Und natürlich gibt’s auch wieder um Filme, denn auch der Doku-Montag bei Ihnen in Berlin startet ins neue Jahr. Was können Film-Verrückte bei Ihnen entdecken?„Wir werden im Februar wieder zwei Dokumentarfilme zeigen, und am 3. Februar mit ‚Little Hanoi’, oder ‚Malá Hanoj’, von Martina Saková beginnen. In der deutsch-tschechisch-slowakischen Co-Produktion geht es um das Leben junger Vietnamesinnen in der Tschechischen Republik. Am 17.Februar präsentiert das ‚Dokumentarfilmfestival Jihlava‘ dann den Gewinner der Sektion ‚Česká radost’ aus dem letzten Jahr, den Film ‚Velká noc’ von Petr Hátle. In diesem Film folgt der Regisseur den verschiedensten Protagonisten der Nacht, also Menschen die dann arbeiten wenn alle anderen schlafen: zum Beispiel Prostituierte, Lagerarbeiter oder Verkäuferinnen, die in großen Supermärkten arbeiten.“