Wenige Infektionen, wenig Aufklärung: Bilanz zum Welt-Aids-Tag
Der 1. Dezember ist der Welt-Aids-Tag. Auch in Tschechien Anlass, eine Bilanz des Kampfes gegen die Epidemie zu ziehen. Die fällt nur auf den ersten Blick positiv aus: Einer niedrigen Infektionsrate stehen in Tschechien nämlich fehlende Aufklärung und eine wachsende Sorglosigkeit gegenüber. Thomas Kirschner berichtet.
118 Aids-Tote verzeichnen die Behörden in Tschechien, insgesamt werden 807 HIV-Infektionen registriert. Die Tschechische Republik gehört damit zu den Staaten mit der niedrigsten Infektionsrate in Europa. Einen Grund zur Entwarnung gibt es aber nicht, betont Miroslav Hlavaty von der tschechischen Aids-Hilfe. Nicht zuletzt, weil die Grenzen auch für das HIV-Virus offen stehen. Allein im Nachbarland Deutschland sind 49.000 HIV-Positive registriert, im Osten ist die Situation noch wesentlich dramatischer:
"Nehmen Sie nur die Lage in der Ukraine und in Russland, wo die Infizierten in die Hunderttausenden gehen. Das ist ein Sandwich-Effekt, und wir sind die Frikadelle in der Mitte! Irgendwann kommt die Welle auch zu uns - und dass wir heute offiziell nur 807 Infizierte haben, hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass sich nur wenige Leute überhaupt freiwillig testen lassen!"
Zudem ist das Bewusstsein um die Gefährlichkeit des HIV-Virus weitgehend geschwunden. Ein neuer Leichtsinn macht sich breit - nur 20 Prozent der tschechischen Jugendlichen benutzen beim ersten Geschlechtsverkehr mit einem unbekannten Partner ein Kondom. Begünstigt wird die Sorglosigkeit durch fehlende Aufklärung, meint Hlavaty.
"Heute wird nur noch sehr wenig über Aids gesprochen - für große Aufklärungskampagnen fehlt das Geld. Die jungen Leute sehen Aids daher nicht mehr als Bedrohung, und das ist gefährlich, denn die Zahl der Neuansteckungen steigt, und das betrifft vor allem die ganz jungen Leute."
Die landesweite Spendensammlung, die im Zeichen der Roten Schleife am 1. Dezember von Schülern durchgeführt wird, dient daher nicht nur der finanziellen Unterstützung der Aids-Hilfe, sondern soll auch den öffentlichen Dialog über die Krankheit stärken. Zum einen, um eine bessere Prävention zu erreichen, zum anderen, weil aus dem Unwissen über die Krankheit die Ausgrenzung der Betroffenen folgt - und gerade in diesem Punkt kann Miroslav Hlavaty derzeit nur eine bittere Bilanz ziehen:
"Stellen Sie sich heute hier vor die Kamera, und sagen Sie, dass Sie schwul und HIV-positiv sind. Damit ist für Sie ihr Leben in der tschechischen Gesellschaft zu Ende, leider."