Welt-Aids-Tag: Prävention wegen Lockdowns und Corona in Tschechien gesunken

In Tschechien leben über 4000 Menschen, die HIV-positiv sind. Weitere knapp 1000 Infizierte wüssten nichts von ihrer Ansteckung, heißt es in Schätzungen. Dabei ist hierzulande aber das Interesse daran gestiegen, sich testen oder gegen Aids behandeln zu lassen.

Welt-Aids-Tag | Foto: Gerd Altmann,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Die Tschechische Aidshilfe (AIDS Pomoc) gewährt in den Großstädten des Landes anonyme und kostenlose HIV-Tests. Dieses Angebot wird immer häufiger genutzt.

„Ich bin gekommen, weil ich eine neue Beziehung mit einer Partnerin eingehe und sicher sein will, dass ich safe bin“, sagt ein junger Tscheche.

„Ich hatte eine Risikobeziehung und wollte sicher sein, dass ich nichts auf Andere übertragen kann“, nennt eine junge Tschechin den Grund, weshalb sie sich testen ließ.

Foto: Martin Balucha,  Tschechischer Rundfunk

Doch diese beiden sind keine Einzelfälle, schildert Testberater Jiří:

„Früher kamen mehr Männer, jetzt ist es ein Mix. In letzter Zeit, und das gefällt mir sehr, kommen vor allem Paare, die eine Beziehung beginnen. Sie wollen nämlich wissen, ob sie diese guten Gewissens auch sexuell eingehen können.“

Als Berater erläutert Jiří den Probanden die möglichen Risiken und empfiehlt ihnen den geeigneten Test. Zuvor haben die Testpersonen – meist online – einen entsprechenden Fragebogen ausgefüllt. Die Tests würden an drei Wochentagen durchgeführt, und dies mit unterschiedlicher Resonanz, sagt die Krankenschwester der Aidshilfe-Praxis im Prager Haus Světlá, Andrea Bartošíková:

„Am Montag und am Donnerstag testen wir um die 50 bis 80 Personen, am Mittwoch ist die Nachfrage schwächer. Da kommen rund 20 Leute.“

Andrea Bartošíková | Foto: Martin Balucha,  Tschechischer Rundfunk

Im vergangenen, dem ersten Corona-Jahr hätte die Zahl der positiven HIV-Fälle durchaus geringer sein können, da während der Lockdowns teils scharfe Kontaktbeschränkungen galten. In Wirklichkeit hat sich aber kaum etwas geändert. Andrea Bartošíková sieht es so:

„Meiner Meinung nach sind die Leute zu heimlichen Partys gegangen. Denn wegen der Lockdowns wurde es vielen daheim zu langweilig. Es gibt Online-Dating-Möglichkeiten, und das erkennen wir im Anstieg unterschiedlicher Geschlechtskrankheiten.“

Den Angaben der Tschechischen Aidshilfe zufolge liegen die Infektionszahlen in diesem Jahr jedoch etwas niedriger als im Vorjahr. Der Verein rechnet mit 220 bis 240 HIV-Infektionen insgesamt im Land.

Robert Hejzák | Foto:  ČT24

Die Statistiken von 2020 und 2021 sind jedoch in hohem Maße durch die wegen der Pandemie verhängten Lockdowns und Notstände beeinflusst. Unter diesen Bedingungen wurden weniger HIV-Tests durchgeführt. Allgemein sei die vergleichsweise geringe Zahl an Tests ein Grund dafür, weshalb in Tschechien die Zahl der neuen HIV-Fälle anders als in Westeuropa in den vergangenen Jahren kaum gesunken ist, erläutert Aidshilfe-Chef Robert Hejzák:

„In einer ganzen Reihe von Ländern gab es einen deutlichen Rückgang an neuen HIV-Ansteckungen. Dies liegt unter anderem daran, dass dort mehr getestet und folglich die Behandlung früher aufgenommen wird. Die Medikamente sind heute derart wirksam, dass eine Person seinen Partner oder seine Partnerin nicht mehr infizieren kann. In den Ländern Westeuropas ist das sogenannte PrEP-Präparat (Prä-Expositions-Prophylaxe, Anm. d. Red.) jedoch leichter zu bekommen als in Tschechien. Dieses Medikament verhindert eine Infektion mit dem HI-Virus auch dann, wenn man mit einer HIV-positiven Person in Kontakt kommt, sich aber nicht behandeln lässt, weil man von der Ansteckung nichts merkt.“

PrEP-Präparat | Illustrationsfoto:  NIAID,  Flickr,  CC BY 2.0

Dieses Medikament koste in etwa 100 Euro, sagt Hejzák und verweist ebenso auf die Post-Expositions-Prophylaxe. Letztere sei vergleichbar mit der Antibabypille nach dem Sex, kostet aber umgerechnet 400 bis 600 Euro. Dennoch sei dies kein Vergleich mit den Kosten für die Behandlung einer Aids-Erkrankung, so der Fachmann. Für sie kommt in Tschechien die Krankenkasse auf, und zwar mit Jahreskosten von umgerechnet 10.000 bis 12.000 Euro. Dank der neuartigen Medikamente aber könne ein frühzeitig diagnostizierter HIV-Patient heutzutage geschätzt 50 Jahre ohne Symptome weiterleben. Ein Patient von etwa 30 Jahren könne also durchaus 80 Jahre alt werden, versichert Hejzák. Und dies sei sicher auch ein guter Grund, weshalb sich mittlerweile mehr junge Menschen auf das Virus testen ließen.

Autoren: Lothar Martin , Martin Balucha
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