„Wenn es einstürzt, bleiben die Bilder“ – Fotografin dokumentiert verlassene Gebäude
Tschechien ist das Land der Schlösser und Burgen. Es ist fast Nationalsport, am Wochenende mit der Familie zu den Baudenkmälern vergangener Epochen zu pilgern. Abseits vom Touristenstrom und den Unesco-Listen gibt es aber unzählige Gebäude, die ebenfalls einen zweiten Blick verdient hätten. Und das obwohl oder gerade weil sie seit Jahren verfallen und verwildern. Auf die Spuren der verlassenen Orte begibt sich seit einigen Jahren die Fotografin Barbora Feiglová.
„Die meisten Menschen besuchen Denkmäler, die schon mit Infoblättern auf sich aufmerksam machen, dort wird ihnen die Geschichte fertig unterbreitet. Aber auch verfallene Schlösser sind historisch bedeutend, nur interessiert sich keiner für sie. Es ist ein Stück Geschichte, das verschwinden könnte. Darum habe ich mir gesagt: Ich will sie festhalten, wenigstens auf Fotografien. Wenn das Gebäude einstürzt, dann bleiben zumindest die historischen Bilder.“
Barbora Feiglová ist eine Urbex-Künstlerin. Die Bezeichnung setzt sich zusammen aus „Urban“ und „Exploration“, eine deutsche Bezeichnung lautet Stadterkundung. Während der Woche arbeitet Barbora Feiglová in ihrem Foto- und Grafikstudio. Am Wochenende zieht sie mit der Kamera los, Stadt und Land erkunden.„Es können Villen, Schlösser oder Kirchen sein – einfach alle Gebäude, die Menschen aus irgendeinem Grund für immer verlassen haben. Es handelt sich aber nicht um Gebäude, die mal eine Weile leer stehen, sondern wirklich um ausgesprochen verlassene Orte, die immer mehr verfallen, um die sich keiner kümmert. Sie stehen einfach nur da und der Zahn der Zeit nagt an ihnen.“
Dabei ist es nicht nur die verblichene Pracht von Schlössern oder Industriellenvillen, für die sich Barbora Feiglová interessiert. Auch unterirdische Fabriken hat sie schon abgelichtet.„Oft sind es historische Gebäude, aber es können auch Neubauten sein, die geschlossen wurden. Wie etwa Hotels, die keine Besucher hatten. Oder ein Krankenhaus ohne Patienten.“
Zum Beispiel das Masaryk-Krankenhaus in Ústí nad Labem / Aussig an der Elbe. Barbora Feiglovás Fotos zeigen verlassene Gänge, zerstörte Sanitäranlagen und Gemälde vom kleinen Maulwurf in der Kinderstation. Vor drei Jahren wurde das Gebäude abgerissen, Barbora Feiglová hat es zuvor auf ihrem Blog „Verlassene Orte“ (opuštěná místa) dokumentiert. Auf Facebook erreicht sie inzwischen über 46.000 Menschen. Doch mit der Aufmerksamkeit ist es so eine Sache.„Die Erfahrung ist die: Wenn ein Ort auf einmal sehr beliebt wird, dann kommen viele Besucher. Da es aber dort keine Verwaltung gibt und niemanden, der sie beaufsichtigt, kommt es in den meisten Fällen zu größeren Zerstörungen, als es der Lauf der Zeit zustande bringen kann.“In der Urbex-Szene gibt es darum so etwas wie einen unausgesprochenen Kodex: keine Ortsangaben. Nichtsdestotrotz kursieren unter den Entdeckern Hinweise. Die Orte bekommen Decknamen.
„Zum Beispiel meine Lieblingsvilla Cabrio. Sie hat kein Dach mehr, weil es abgebrannt ist. Wenn man sich das Interieur ansieht, stellt man fest, dass es sich eigentlich um einen Garten handelt. Dort wachsen Bäume zwischen den Wänden, es ist total beeindruckend.“In ganz Tschechien ist Barbora Feiglová unterwegs, oft reist sie auch nach Deutschland, Polen oder Belgien. Und manchmal gelingt es den Urbexern tatsächlich, den Zahn der Zeit aufzuhalten. Ein Beispiel ist die Kirche im westböhmischen Luková. Die Installation des Kunststudenten Jakub Hadrava geisterte in den vergangenen Jahren weltweit durch die Medien. Inzwischen sammelt dort ein Freiwilliger Spenden unter den Besuchern, der Erlös geht in die Restaurierung der Kirche.
Eine Ausstellung von Barbora Feiglová zeigt bis zum 25. Juni die Galerie SUPŠ in der kunstgewerblichen Hochschule im Prager Stadtteil Žižkov, Žižkovo náměstí 1. Geöffnet hat die Galerie täglich außer montags von 14 bis 19 Uhr, im Mai nur bis 16 Uhr, freitags bis 15:30. Mehr Informationen unter www.sups.cz/verejnost/galerie-sups. Der Blog findet sich hier: opustenamista.wordpress.com