Wenzel von Böhmen: Österreichische Nationalbibliothek zeigt wertvolle Handschriften

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Er ist schon seit über 1000 Jahren tot. Schon bald nach seinem Ableben begannen sich allerlei Legenden um sein Leben und Wirken zu ranken. Die Rede ist von Wenzel von Böhmen. Zahlreiche Gemälde, Zeichnungen und Schriften befassen sich mit dem Mythos des Heiligen und Herrschers. Einige besonders wertvolle Handschriften zeigt zurzeit die Österreichische Nationalbibliothek in ihrem Prunksaal in der Wiener Hofburg. König Wenzel, der im Jahr 929 – andere Quellen sprechen von 935 – in Stará Boleslav / Altbunzlau in Mittelböhmen ermordet worden ist. Wenzel, der erste der vier Přemyslidenherrscher Böhmens, wurde bereits im zarten Alter von 12 oder 13 Jahren zum Fürsten der Region um Prag bestimmt.

„Wie schon der Untertitel zur Ausstellung andeutet, verkörpert der Heilige Wenzel idealtypisch die Figur des christlichen Herrschers. Also die Verbindung der Idee des religiösen Führers mit der des Nationalhelden und politischen Herrschers. Als Heiliger und christlicher Landespatron steht er für die Christianisierung Böhmens; er stirbt ja auch den Märtyrertod. Und als politischer Herrscher spielt Wenzel eine ganz wichtige, ja zentrale Rolle in der nationalen Identitätsfindung Böhmens“, so die Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger.

Über Jahrhunderte hinweg war Wenzel von Böhmen Objekt der Verehrung und zahlreicher Legenden. Unzählige Gemälde und Schriften zeugen davon. Einige der bedeutendsten Handschriften sind seit vergangener Woche in einer Ausstellung im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek zu sehen, erklärt Rachinger:

„Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt mit dem Bilderkodex vom Leben und Martyrium des Heiligen Wenzel ein herausragendes historisches Dokument zur Person Wenzels. Die Handschrift wurde 1585 vom Prager Künstler Matthias Hutský geschaffen und zwar für Ferdinand II. von Tirol: Sie war Teil der Schlossbibliothek von Ambras in Innsbruck und ist erst im Jahr 1936 an die Nationalbibliothek nach Wien gekommen.“

Der eigentliche Anlass für die Ausstellung sei aber die vor einigen Jahren von einer österreichischen Versicherung erworbene, um 1600 vermutlich im süddeutschen Raum entstandene Schwesterhandschrift zum Bilderkodex des Heiligen Wenzel, sagt Bibliotheksdirektorin Rachinger:

„Sie stammt aus ungefähr der gleichen Zeit und wird bei der Ausstellung zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Sie haben damit die einmalige Gelegenheit, die beiden prachtvollen Kodices nebeneinander zu betrachten und sie miteinander zu vergleichen. Das ist, so meine ich, ein seltener Glücksfall und eine Konstellation, die es so noch nicht gegeben hat und die sich meiner Meinung nach auch nicht so schnell wiederholen wird.“

Für den Kurator der Ausstellung und Leiter der Handschriften-Sammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Andreas Fingernagel, sind die Kodices ein Beweis für die herausragende Position des Heiligen Wenzel in der mitteleuropäischen Herrschaftsgeschichte:

„Die wichtigsten Aspekte der Vita und der Verehrung des Heiligen lassen sich anhand der gezeigten Objekte gut ablesen. Das gilt vor allem für die im Mittelpunkt der Ausstellung stehenden beiden Handschriften, die mehr als 500 Jahre nach dem gewaltsamen Tod des Heiligen Wenzel entstanden sind. Bildauswahl und Gestaltung orientieren sich an einem Freskenzyklus, der nach der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Wenzelskapelle des Prager Veitsdoms angebracht wurden. Mit den Miniaturen konnte der ‚genius loci’ dieser bedeutenden Pilgerstätte in das mobile Buchformat übertragen und damit immer und überall verfügbar gemacht werden.“

Die beiden Handschriften aus dem späten 16. Jahrhundert sind wahre Bilderbücher. Auf zahlreichen bunten, mit kräftigen Deckfarben gemalten Illustrationen werden die segensreichen Taten des Heiligen Wenzel von Böhmen detailgetreu wiedergegeben, wie Kurator Fingernagel erzählt:

„Wenzel setzt sich für die Verbreitung des Christentums ein, indem er bei der Heiligen Messe ministriert, Heiden bekehrt und tauft. Die Galgen, an denen die Christen zur Zeit ihrer Verfolgung gequält werden, fällt er mit eigener Hand. Er sorgt selbst für die Herstellung der Hostien, indem er das Getreide aussät, erntet, drischt und die Oblaten bäckt. Die Miniaturen stellen Wenzel aber auch bei der Ausübung der Werke der Barmherzigkeit dar. So speist er die Armen, heilt Kranke und besucht die Gefangenen. Ganz den Idealen eines Märtyrers verpflichtet, verbirgt er bescheiden seinen fürstlichen Rang und erduldet Demütigungen und Qualen. So etwa, wenn er für eine arme Witwe Holz sammelt und dafür von den Forstarbeitern des Diebstahls bezichtigt und geschlagen wird.“

Um dem Publikum die beiden Handschriften in ihrer gesamten Fülle zu präsentieren, wurden neben den unter schützendem Glas ausgestellten Originalen Schautafeln mit der Reproduktion nahezu aller Abbildungen platziert. 400 Jahre alte Bücher schätzen es schließlich nicht besonders, wenn Hunderte Besucher täglich in ihnen blättern. Neben den beiden Kodices aus den Jahren 1585 und 1600 präsentiert die Österreichische Nationalbibliothek in der Ausstellung „Wenzel von Böhmen“ noch weitere zum Thema passende Exemplare aus ihrem umfangreichen Bestand an alten Büchern. Kurator Andreas Fingernagel:

„Darunter ist der nach seinem Herkunftsort so bezeichnete ‚Krumauer Bilderkodex’ aus dem 14. Jahrhundert, der bereits einen umfangreichen Miniaturzyklus zur Vita des Heiligen Wenzel enthält.“

Statue des St. Wenzel auf dem Wenzelsplatz
Über die Jahrhunderte haben sich die verschiedensten Regimes der Figur des Heiligen Wenzel bedient, um ihre Ideologie zu begründen und zu festigen und auch im Selbstverständnis der katholischen Kirche spielt er nach wie vor eine wichtige Rolle. Bis heute begegnet einem in Tschechien und erst recht in Prag der Heilige Wenzel auf Schritt und Tritt. Ihm ist nicht nur die prachtvoll ausgestaltete Wenzelskapelle im Prager Veitsdom gewidmet. Mit dem Wenzelsplatz trägt auch einer der wichtigsten Plätze der tschechischen Hauptstadt seinen Namen, an dessen oberen Ende der böhmische Nationalheilige auf seinem großen bronzenen Pferd nahezu über die Dächer hinwegzuschweben scheint. Und am 28. September gedenken die Tschechen am Wenzels-Feiertag ihres Landespatrons. Völlig zu Recht, wie der tschechische Senator und ehemalige Außenminister Karel Schwarzenberg im Gespräch mit Radio Prag findet

„Es war zweifellos wesentlich für dieses Land, dass er den endgültigen Schwenk Richtung Christentum durchgesetzt hat. Dadurch hat er die Existenz seines Volkes gesichert. Obwohl wahrscheinlich für die Konstitution des tschechischen Staates sein Bruder Boleslav wesentlich war, knüpfte an ihm die Staatsidee an und das ist etwa ganz Wesentliches.“

Karel Schwarzenberg hielt anlässlich der Eröffnung der Ausstellung in der Österreichischen Nationalbibliothek die Festansprache. Die Schau, die noch bis Ende Januar in Wien zu sehen ist, wird anschließend in erweitertem Umfang im Prager Nationalmuseum auf dem Wenzelsplatz zu sehen sein. Damit trage der Heilige Wenzel auch über tausend Jahre nach seinem Tod noch zur Völkerverständigung bei, wie der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer betonte:

„Die Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum in Prag zeigt einmal mehr, dass unser europäisches kulturelles Erbe in vielerlei Hinsicht ein gemeinsames ist. Es legt Zeugnis ab von einer wechselvollen Geschichte, die natürlich dramatische, tragische und blutige Phasen kannte, die aber auch die Kraft hatte, enorme geistige Errungenschaften und unvergleichliche Kunstwerke hervor zu bringen.“

Die Ausstellung „König Wenzel von Böhmen. Heiliger und Herrscher.“ ist noch bis 31. Januar im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek in der Wiener Hofburg zu sehen. Alle Informationen dazu finden Sie auf den Internetseiten der Österreichischen Nationalbibliothek.

Fotos: Österreichische Nationalbibliothek