Wie wird man Burgkastellan in Tschechien?
In den vergangenen vier Wochen haben wir sie wiederholt über ein Kulturfestival auf dem Laufenden gehalten, dass sich jeweils am Wochenende an einer Burg abspielte. Insgesamt waren es vier Burgen, die wir Ihnen vorgestellt haben: Tocnik, Kuneticka hora, Svihov und Bezdez. Jitka Mladkova unterhielt sich aus diesem Anlass mit den Kastellanen der drei erstgenannten Burgen. Dabei war nicht nur von der Geschichte dieser Objekte die Rede. Sie fragte die drei Herren auch nach ihrem Werdegang. Was sie dabei erfahren hat, erzählt sie Ihnen in der heutigen Ausgabe der Sendereihe PanoramaCZ.
Seit genau zehn Jahren siedelt Michal Sestak als Kastellan auf Tocnik, einer der ältesten mittelalterlichen Burgen Tschechiens. Gekommen ist er dorthin eher auf Umwegen:
"Das hat sich irgendwie so ergeben. Mein Leben, was die Berufe anbelangt, ist ein bisschen ungewöhnlich. Damals, als ich meinen Abschluss gemacht habe, konnte man mit dem Akademikertitel JUDr., also Doktor der Rechte, nicht viel anfangen. Eine Möglichkeit war, als Betriebsjurist zu arbeiten oder eine Rechtsanwaltkarriere zu versuchen. Das letztere aber war aber mit Hindernissen verbunden. Und dann vielleicht noch die Möglichkeit, Notar zu werden. Alles war allerdings mehr oder weniger an parteipolitische Vorbedingungen gebunden, und das war nicht gerade mein Gusto."
In das erlernte Metier zunächst zwar eingestiegen, hat sich Sestak bald aber wieder daraus zurückgezogen. Und wohin ging es dann bei ihm weiter?
"Zunächst nahm ich sozusagen ´Reißaus´ Richtung Archäologie. Dann habe ich es für kurze Zeit noch einmal als Jurist versucht, und zwar im Umweltbereich, und noch später landete ich als Lehrer an einer Berufsschule und anschließend an einem Gymnasium."
Die Fächer: Ökologie, Geschichte, Sport. Aber auch die Schule war nicht die letzte Station von Michal Sestak. Durch Zufall habe er erfahren, dass ein Kastellan auf der Burg Tocnik gebraucht wird und hat sich um den Posten beworben. Und es hat auch geklappt. Tocnik scheint der richtige Ort für Sestak zu sein - ein Ort, der ihn in seinen Bann gezogen hat. Seit zehn Jahre schon. Wieso?
"Eigentlich hat mich dort die Historie festgenagelt. Zunächst mal finde ich die Geschichte des Ortes höchst interessant. Das ist das Eine. Und das Andere ist, dass sich meine Frau ihren Traum, sich auf dem Lande um Tiere zu kümmern, erfüllen konnte. Der dritte wichtige Faktor ist der, dass man in so einem Beruf, auch wenn er keineswegs lukrativ ist, immerhin den Tagesablauf im Prinzip nach eigenem Wunsch gestalten kann. Dabei muss man ein breites Spektrum von Tätigkeiten beherrschen - von Ausmisten bei unseren Bären bis hin zu juristischen Angelegenheiten."
Weiter geht es jetzt auf die ostböhmische Burg Kuneticka hora, zu Milos Jirousek: Abschluss an der Fakultät für Bauwesen in Prag und später, schon als Kastellan, erweiterte er sein Wissen im Fach Denkmalpflege und machte auch den Abschluss im Fach Architekturgeschichte. Doch das war´s noch nicht. Ab dem neuem Semester startet er ein neues Fernstudium im Fach Kunstgeschichte an der Masaryk-Universität in Brno. Damit wird Jirousek sicherlich zu den kompetentesten Kastellanen Tschechiens gehören. Auf der Kuneticka hora ist er seit 1993, als die Burg nach sehr langer Zeit wieder ihre Tore geöffnet hat. Auf die Frage nach seiner Beziehung zu der alten Burgfestung sagt er:"Jetzt hege ich schon eine sehr enge innige persönliche Beziehung zu dieser Burg. Nach den 14 Jahren ist Kuneticka hora, wenn ich es so sagen darf, ein Teil von meinem Leben geworden. Ich wage es sogar zu sagen, dass mein Verhältnis zu der Burg anders ist als das anderer Kastellane zu den von ihnen verwalteten Objekten. Als ich auf Kuneticka hora kam, war das eine verwahrloste, verfallene und menschenleere Burg. Mit meinen Mitarbeitern und weiteren Helfern haben wir sie langsam wieder zum Leben erweckt. Und dies unter den Bedingungen, die hierzulande für die Kulturdenkmäler nicht gerade attraktiv sind. Ich bin sehr froh, dass ich bei der Wiederbelebung der Burg sein konnte, da mein Job höchst interessant, wenn auch zeitaufwendig ist."
Kurzum, eine perfekte Arbeit, bei der man in verschiedenen Bereichen tätig ist, konstatiert mit einem Schuss Leidenschaft Milos Jirousek. Welche Besucher sieht er besonders gerne auf der Burg?
"Natürlich sind vor allem immer die Touristen willkommener, die an der Sache interessiert sind, als diejenigen, die eine Burg oder ein Schloss nur deshalb besichtigen, weil man es einfach macht. Die eigentliche kommentierte Führung interessiert sie dann nicht besonders."Hat er nicht manchmal Lust, nach so viel Jahren und so viel Mühe alles hinzuwerfen? Absolut nicht, sagt Jirousek, .fügt aber gleich hinzu:
"Am schwersten fiel mir die Entscheidung am Anfang, als ich eine Position verlassen habe, die im Vergleich mit der heutigen finanziell gesehen wesentlich interessanter war. Dabei ist der Job des Kastellans gar nicht leicht. Vom Frühling bis zum Herbst bringt er tagein tagaus, faktisch von früh bis abends, sieben Tage in der Woche, vor allem viel Arbeit. Damit musste sich schließlich auch meine Familie abfinden. Trotzdem freut mich diese Arbeit sehr und ich bereue gar nichts."
Auf einen Sprung kommen wir auch auf die Wasserburg Svihov in Westböhmen, wo wiederum Lukas Bojcuk zu Hause ist. Sein Weg in den Posten des Kastellans war im Vergleich zu seinen Berufskollegen auf Tocnik und Kutna hora absolut geradlinig:
"Also bei mir kann man beinahe sagen, dass ich seit eh und je Kastellan bin. Kurze Zeit nach dem Abschluss kam ich nach Svihov. Ich habe an der Technischen Hochschule studiert, die Fächer Mathematik, Mechanik und Physik. Einige Leute denken schon, dass mein Fachstudium und der Job des Kastellans eine seltsame Kombination ist."
Trotz der genannten Fächer der exakten Wissenschaft war sich Bojcuk immer darüber im Klaren, was er machen will:
"Schon als Student habe ich in den Ferien Führungen auf einer Burg gemacht und im Laufe der acht Jahre hat sich das in mir einfach so herauskristallisiert, was ich später machen werde."Was ihm jedoch an diesem Job eigentlich so sehr Spaß macht, war nicht leicht zu erfahren:
"Sie stellen mir eine Frage, als könnte man auf sie eine eindeutige Antwort geben."
Eindeutig hin, eindeutig her, ich gebe nicht auf und wiederhole meine Frage. Und die Antwort?
"Ich kann nicht sagen, dass ich etwas ausgesprochen nicht machen wollte. Ich wusste immer, was ich machen will. Meine Vorstellung war seit meiner Studienzeit ganz konkret und es ist mir auch gelungen, sie umzusetzen."
Krumm oder geradlinig kann also der Weg sein, der den einen oder den anderen in den Posten des Burgkastellans führt. Doch ob so oder so, um Kastellan zu sein, da muss man schon viel Liebe zu dem Beruf mitbringen, aber auch manches in Kauf nehmen.