Wissenschaftler ausgezeichnet: deutsch-tschechischer Verständigungspreis 2011
Der Kunstpreis zur deutsch-tschechischen Verständigung ist aus mehreren Gründen eine besondere Auszeichnung: Die Geehrten erhalten ein Kunstwerk anstelle von Geld, es gibt immer zugleich einen tschechischen und einen deutschen Preisträger, und der Ort der Verleihung wechselt zwischen Tschechien und Deutschland. Zudem vergeben den Preis seit ein paar Jahren insgesamt gleich sechs tschechische und deutsche Institutionen. Am Dienstag wurden nun die Auszeichnungen für 2011 im Museum der nordböhmischen Stadt Ústí nad Labem / Aussig überreicht.
„Seit langen Jahren schauen wir, dass beide Preisträger aus einem Bereich kommen, also zum Beispiel dem kirchlichen, der Wirtschaft, der Jugendarbeit oder der Politik. Im letzten Jahr waren es zwei Politiker. Und in diesem Jahr war uns klar, wir wollen einmal Personen auszeichnen, die mehr aus dem Bereich der Wissenschaft beziehungsweise des Übersetzens kommen.“
Marek Nekula ist Sprachwissenschaftler, übersetzt Autoren aus dem Deutschen wie zum Beispiel Thomas Bernhard und ist zudem selbst Schriftsteller. Nekula lebt in Bayern und leitet das Bohemicum, das seit 1997 den Studenten in Regensburg Verständnis von Tschechien vermittelt, und so also zur Verständigung beiträgt:„Diese Verständigung bedeutet vor allem, und das versuche ich auch immer meinen Studenten zu vermitteln, dass man sich zunächst einmal mit sich selbst darüber verständigt, wie man das Andere wahrnimmt, sieht und bereit ist es zu akzeptieren. Deswegen freut mich sehr, dass diese Verständigungsarbeit, die wir am Bohemicum leisten, wahrgenommen wird“, so Nekula.
Otfrid Pustejovsky ist Historiker, hat aber wissenschaftliche Forschung nicht hauptberuflich betrieben. Trotzdem veröffentlichte er Dutzende Bücher und Aufsätze, so zum christlichen Widerstand gegen Hitler oder dem so genannten Massaker von Aussig an Deutschen. Zudem machte er mit seinen Übersetzungen viele tschechische Primärquellen auch weiteren Wissenschaftlern in Deutschland zugänglich. Selbst hatte Pustejovsky als zwölfjähriger Junge die Vertreibung aus seiner Heimatstadt Mährisch Ostrau als traumatisches Erlebnis erfahren. Dennoch knüpfte er bereits in den 1950er Jahren wieder Kontakte in seine alte Heimat, vor allem zu Historikern, und baute diese nach der politischen Wende weiter aus:Neben Pustejovsky und Nekula wurden in Ústí aber auch zwei weitere Menschen geehrt, die sich in den tschechisch-deutschen Beziehungen engagieren: die Leiterin des Kultur- und Bildungszentrums im nordböhmischen Řehlovice, Lenka Holíková, und der sächsische SPD-Politiker Klaus Fiedler. Sie erhielten den neu geschaffenen Ehrenpreis. Peter Becher vom Stifter-Verein:
„Es gibt sehr viele Leute, die vielleicht kleinere Initiativen machen, die aber nicht weniger wichtig sind.“