Wut, Freude und Optimismus: Tschechien gewöhnt sich an das Rauchverbot
Lange wurde darüber diskutiert, am Mittwoch trat es schließlich Kraft: seit dem 31. Mai, also dem Weltnichtrauchertag darf sich in tschechischen Gaststätten niemand mehr eine Zigarette anstecken. Wie geht es aber den Gastwirten damit? Und was sagen die Gäste zur neuen frischen Luft in den Kneipen? Eine Tour durch Prager Restaurants und Gasstätten.
Wut, Freude und Optimismus: Tschechien gewöhnt sich an das Rauchverbot
Lange wurde darüber diskutiert, am Mittwoch trat es schließlich Kraft: seit dem 31. Mai, also dem Weltnichtrauchertag darf sich in tschechischen Gaststätten niemand mehr eine Zigarette anstecken. Wie geht es aber den Gastwirten damit? Und was sagen die Gäste zur neuen frischen Luft in den Kneipen? Eine Tour durch Prager Restaurants und Gasstätten.Das Prager Funkhaus liegt im recht bürgerlichen Prager Stadtteil Vinohrady. Das Straßenbild prägen viele Cafés, Restaurants und Kneipen – vom Edellokal bis hin zur klassischen tschechischen Hospoda, das also, was am ehesten noch an das Wiener Beisel hinkommt. Die erste Station beim Rundgang durch die nun rauchfreien Prager Gastbetriebe ist die Gaststätte U Holanů in der Londýnská-Straße mit ihren idyllischen Vorgärten und Gründerzeitfassaden.
Nichtsdestotrotz ist es im U Holanů bodenständig. Die Tische sind massiv, die Tischdecken tragen das Logo der Brauerei, und die Speisekarte ist deftig-böhmisch. Und auch Dušan Horák ist ein tschechischer Wirt wie aus dem Bilderbuch. Begeistert ist er zwar nicht unbedingt vom neuen Rauchverbot, doch er will auch keine voreiligen Schlüsse ziehen:„Wie es wird mit dem Rauchverbot, das wird sich zeigen. Jetzt ist es noch warm draußen, und die Leute können problemlos vor die Tür gehen. Vielleicht gewöhnen sich unsere Gäste bald an die neuen Regeln und brüllen nicht so sehr rum vor der Tür. Auf jeden Fall wird es im Winter schlimmer, oder wenn es jetzt im Sommer schüttet. Dann gibt es nicht so viele Möglichkeiten, wohin unsere Gäste zum Rauchen gehen könnten.“
Vor dem Lokal sitzt zum Beispiel der Mittfünfziger Jirka und genießt sein Feierabendbier. Er ist Stammgast im U Holanů, aus einem bestimmten Grund sieht er das Rauchverbot aber eher gelassen:
„Ich selbst bin Nichtraucher, gestört hat mich das Rauchen in den Kneipen aber nie. Eine Kneipe ist ja kein Fitnessstudio, da sollten einem der Alkohol und die Zigaretten kein Problem bereiten. Ich bin der Meinung, dass jeder Wirt das machen sollte, was er für richtig hält. Andererseits stört es mich als Nichtraucher auch überhaupt nicht, dass drinnen nun nicht mehr gequalmt werden darf.“Wirt Dušan Horak hat mit seinem Lokal Glück. Vor der Gaststätte ist genug Platz für einen Biergarten, im Sommer ist der Betrieb draußen also sowieso viel größer als drinnen. Schlechter geht es da Jiřina Zachárková. Sie betreibt die kleine Weinstube HP in der vielbefahrenen Rumunská-Straße, nur wenige Gehminuten vom U Holanů entfernt. Für einen Biergarten hat sie vor ihrem Lokal keinen Platz, und so gelassen wie ihr Kollege Dušan Horak nimmt sie das neue Nichtraucherschutzgesetz auch nicht:
„Angst habe ich nicht vor dem Rauchverbot. Ich bin aber wirklich stinksauer, weil man uns Wirte wieder irgendwie einschränken will. Von meinen Kunden sind, schätze ich mal, 70 Prozent Raucher. Einige davon sind Rentner, und die können auch nicht die ganze Zeit draußen stehen. Ich bin mir sicher, dass mir die Kunden wegbleiben werden, wobei ich das jetzt noch nicht einschätzen kann. Gerade gestern haben mir zwei Stammgäste, die hier jeden Tag mindestens einen Liter Wein trinken und dabei rauchen, gesagt, dass sie das letzte Mal hier waren wegen dem Rauchverbot.“2017: Ein schweres Jahr für die tschechische Gastronomie
Ans Zusperren hat Jiřina Zachárová aber noch nicht gedacht. Dabei war 2017 bisher ein hartes Jahr für die Gastwirte in Tschechien: Erst wurde die Registrierkassenpflicht eingeführt und dann kam schließlich das Rauchverbot.
„Wer weiß, was sich die Politiker als nächstes einfallen lassen. Jetzt sind ja bald Wahlen, da haben wir dann kurz Ruhe. Aber dann kommt bestimmt noch etwas.“Am Ausschank steht Tomáš Paleček mit einem Glas Weißwein der Wirtin Jiřina Zachárová gegenüber. Seit 1995 kommt er fast jeden Tag in die Weinstube. Nostalgisch erinnert er sich an alte Zeiten, nicht nur im HP:
„Lange Jahre lang war es so geregelt, dass zur Mittagszeit von 11 bis 14 Uhr nicht geraucht werden durfte in den Gasstätten. Danach konnte man sich dann überall zum Bier eine Zigarette gönnen. Später hat man dann die Restaurants auch aufgeteilt in Raucher- und Nichtraucherbereich. Ganz demokratisch hat das funktioniert. Was aber jetzt mit dem Rauchverbot gekommen ist, das ist ganz einfach Terror.“
Er werde aber auch weiterhin hierherkommen, meint Tomáš Paleček. Obwohl er sich sicher ist, dass es in Zukunft einsam wird um ihn herum:„Sicher wird es bergab gehen mit den ganzen Gastbetrieben. Außerdem, wie soll denn jemand ganz einfach seine Gewohnheiten ändern, nehmen wir mal an, nach 50 Jahren als Raucher. Wahrscheinlich muss ich zurück in den Kindergarten, um die jungen Leute zu verstehen.“
Im Stadtteil Vinohrady gibt es aber nicht nur urige und klassische Bierlokale und Weinstuben. Es ist auch ein sehr junges Viertel, mit vielen Bars und Szenekneipen. Eine davon ist die Hlučná samota, deutsch heißt das so viel wie die Lärmende Einsamkeit. Hier steht Ludvík Král hinter dem Tresen:
„Wir sind froh, dass jetzt nicht mehr geraucht werden darf. Ganz ehrlich, wir haben uns sehr auf das Gesetz gefreut. Die Luft wird besser bei uns, und vielleicht können wir zusätzlich neue Kundschaft gewinnen. Ganz bestimmt ist das Rauchverbot keine schlechte Idee.“
Der dynamische Mittzwanziger kann sich nicht vorstellen, dass er in Zukunft weniger Gäste bewirten wird. Vor allem seine bisherigen Erfahrungen geben ihm da Recht:„Ich glaube, dass jetzt mehr Leute gerade zum Essen zu uns kommen werden. Das sind dann diejenigen, die vorher wegen dem Rauchen eher daheim geblieben sind. Hier bei uns war es auch schon vorher so, dass wir einen getrennten Raucher- und Nichtraucherbereich gehabt haben. Und bisher war es schon so, dass wir gerade für den Nichtraucherbereich viel mehr Reservierungen hatten.“
Neustart, auch für erfahrene Wirte
Ganz auf Zigaretten verzichten mussten auch schon vorher die Besucher der Cocktailbar Roza K. Wieso, erklärt Věra Nestorová. Sie betreibt das Lokal, in dem eine Mischung aus Vorkriegsinterieur und Designmöbeln aus den 1950er für eine interessante Atmosphäre sorgen:„Zum Jahreswechsel haben wir hier umgebaut. Dann habe ich im Fernsehen verfolgt, wie das Parlament das Rauchverbot beschlossen hat. Ich dachte mir, dass ich nach einem halben Jahr nicht noch mal alles renovieren möchte, und habe gleich damals die letzten Zigaretten ausdrücken lassen.“
Ob weniger Gäste seitdem zu ihr kommen, könne sie nicht beurteilen. Leider hätte sie derzeit eine Baustelle direkt vor der Tür, und deshalb sei sowieso alles eher schwierig, sagt die elegante Pragerin und lacht dabei leicht verbittert. Ehrlich gesagt müsse man sich aber dennoch auf viel Neues einstellen, wenn man das Rauchen in seinem Betrieb von heute auf morgen verbietet:
„Natürlich mussten wir auf ein neues Publikum hinarbeiten. Alles in allem bin ich dennoch froh, dass ich mich zu dem Schritt entschlossen habe. Schon allein wegen meiner Einrichtung, die größtenteils aus Antiquitäten besteht. Der Rauch hing irgendwann hartnäckig in den Sesselpolstern und Vorhängen, wodurch viel kaputtgegangen ist. Eigentlich ist das ein kleiner Neuanfang, obwohl ich meine Bar schon seit sechs Jahren betreibe. Und ich bin optimistisch für die Zukunft. Das muss ich auch sein, denn sonst könnte ich hier gleich dichtmachen.“
Noch ist es zu früh zu beurteilen, wie sich die Tschechen mit dem Rauchverbot in Gaststätten abfinden werden. Aktuelle Umfragen zeigen eine breite Zustimmung zum Aus für den blauen Dunst. Immerhin kann man sein Bier draußen bei gutem Wetter genießen. Mit oder ohne Zigarette.