Zbyněk Sekal – Avantgardist zwischen Prag und Wien

Ausstellungsansicht „Zbyněk Sekal“ (Foto: Johannes Stoll / Belvedere, Wien © Bildrecht Wien 2020)

Das Schaffen von Zbyněk Sekal (Prag 1923 – Wien 1998) umfasst Malereien vom Beginn seiner Karriere, Materialbilder sowie Skulpturen aus Bronze, Stein, Gips und Holz. Rund 70 seiner Werke sind derzeit in der Galerie Belvedere 21 in Wien zu sehen. Radio Prag International hat mit dem Kurator der Ausstellung, Harald Krejci, gesprochen.

Harald Krejci  (Foto: YouTube Kanal des Belvedere Museums)

Herr Krejci, im Museum für zeitgenössische Kunst Belvedere 21 in Wien läuft aktuell eine Ausstellung zum Maler und Bildhauer Zbyněk Sekal. Vielleicht könnten Sie den Künstler etwas vorstellen. Dass seine Werke in Wien gezeigt werden, ist ja kein Zufall…

„Der Künstler Zbyněk Sekal ist insofern für uns interessant, da er als Maler beginnt und in den 1950er Jahren und Anfang der 1960er mit seinen Materialbildern den Status der Malerei mit dem Status des Objekts tauscht. Trotzdem sind seine Oberflächen malerisch konzipierte Flächen, bei denen die Materialien fein säuberlich und schön in ein Muster und ein Raster auf die Fläche montiert wurden. In den 1970er Jahren dann, nachdem sich Sekal in Wien niederlässt, führt er die Objekthaftigkeit seiner Bilder in den dreidimensionalen Raum weiter. Da entstanden seine sogenannten ‚schránky‘, die Schreine, wie er sie selber genannt hat, das heißt dreidimensionale Objekte, bei denen er vorgefundenes Material in ein Gerüst einbaute. Diese Spannung zwischen ‚Gefangensein im Gerüst‘ und gleichzeitig aber auch ‚Schutz innerhalb dieses Koordinatensystems‘ zeichnet Sekal aus. Die Poesie, die über die Materialität und über diese wiederverwerteten Materialien transportiert wird, kommt sehr gut zum Ausdruck.“

Zbyněk Sekal,  Ohne Titel,  undatiert,  Privatsammlung  (Foto: Johannes Stoll / Belvedere,  Wien © Bildrecht Wien,  2020)

Im Belvedere 21 werden rund 70 Objekte gezeigt. Sind es Skulpturen und Objekte aus allen Schaffensperioden des Künstlers? Ist die Ausstellung als Retrospektive zu verstehen auf das Leben und Werk von Zbyněk Sekal?

„Wir wollten in der Ausstellung auf jeden Fall einen Gesamtüberblick über sein Schaffen geben: Von den frühen Malereien, die früheste Arbeit ist ein Selbstporträt von 1950, bis zu den späten ‚Schreinen‘ aus den 1990er Jahren. Zu sehen sind Werke aus verschiedenen Werkperioden, wir haben sowohl Malerei als auch Objekt-Bilder und Skulpturen. Wir zeigen also einen breiten Überblick. Die Ausstellung umfasst insgesamt 73 Arbeiten.“

Ausstellungsansicht „Zbyněk Sekal“  (Foto: Johannes Stoll / Belvedere,  Wien © Bildrecht Wien 2020)

Wie war der Lebensweg von Zbyněk Sekal? Er stammte aus der Tschechoslowakei, lebte aber später in Wien im Exil…

Zbyněk Sekal  (Foto: Eva Choung-Fux,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)

„Zbyněk Sekal hat einen sehr lebendigen und sehr erfahrungsreichen Lebensweg hinter sich gebracht. Er war als Student in der linken Szene politisch aktiv und wurde in den 1930er Jahren bereits als Jugendlicher inhaftiert. Sekal war als politischer Gefangener in Mauthausen und Theresienstadt. Er überlebte, weil er von Mitinsassen beschützt wurde. Damals arbeitete er in einer Schreibstube, weil er eine schöne Schrift hatte, und so überlebte er den Nazi-Terror. In den 1940er Jahren kam er zurück nach Prag, dort gehörte er zu den Mitgründern der ersten Surrealisten-Gruppe in der Tschechoslowakei und war in die Avantgarde integriert. 1968 musste Sekal aus politischen Gründen Prag verlassen und kam dann über Berlin, wo er ein DAAD-Stipendium hatte, nach Wien. Dass er sich entschied, dort niederzulassen, lag auch daran, dass er bereits in den 1960er Jahren einige wichtige Kontakte geknüpft hatte. Das war unter anderem zum Bildhauer Karl Prantl, der das Bildhauersymposium in St. Margarethen gegründet hat. Sekal war also ein europäischer Avantgarde-Künstler, der den größten Teil seines Werks in Wien geschaffen hat. Seine Schreine sind ein genuin Wiener Projekt, das er hier gestartet und bis zu seinem Tod weitergeführt hat.“

Zbyněk Sekal,  Kopf,  1962,  Privatsammlung  (Foto: Johannes Stoll / Belvedere,  Wien © Bildrecht Wien,  2020)

In einem begleitenden Text zur Ausstellung steht, dass Zbyněk Sekals künstlerisches Schaffen die Biografie eines Flüchtenden und Suchenden widerspiegle. Was bedeutete die Emigration für ihn? War das Jahr 1969, in dem er ins Ausland gehen musste, für ihn ein Bruch?

„Es war kein Bruch in seinem Schaffen, denn er hat die Materialbilder stets auch weitergeführt. Aber die dreidimensionalen Objekte, die Schreine, die hat er erst in Wien entwickelt. Sekal selbst hat sich hier nie wirklich heimisch gefühlt, beziehungsweise er fühlte sich isoliert, denn er war von seiner Prager Künstlerkollegenwelt abgeschnitten und litt sehr daran. Seine Schreine sind inhaltlich auch lesbar als Existenzen, die eine gewisse Isolation, Verfremdung, Entfremdung und Distanz erleben. Man darf es nicht als Bruch im Sinne von einer Krise sehen, sondern er hat immer versucht, aus den biografischen Krisen produktiv herauszukommen.“

Zbyněk Sekal,  Stillstand,  1966,  Privatsammlung  (Foto: Johannes Stoll / Belvedere,  Wien,  © Bildrecht Wien,  2020)

Die Ausstellung zeigt das Werk Sekals aus vielen Perspektiven. Der Untertitel lautet: kritischer Denker, analytischer Beobachter und Poet des Materials. Wie würden Sie diesen komplizierten Titel erklären?

„Letztlich beziehen sich diese drei Begriffe ein bisschen auf seine drei Schaffensphasen. Der ‚kritische Denker‘, der frühe Sekal, analysiert und setzt sich mit der Frage auseinander, was Kunst ist, wie man nach dem Krieg überhaupt Kunst machen kann, inwiefern sich die Kunst auch politisch deklarieren muss, wie stark sie sozialkritisch argumentieren kann. Er setzte sich analytisch mit Philosophen analytisch aus, las Schopenhauer und Heidegger. Er hat aber auch Franz Kafka übersetzt, in einer Zeit, in der dies nicht so erwünscht war. Das zweite Statement bezieht sich auf die Zeit, in der er beginnt, konstruktiv an den Materialbildern zu arbeiten. Diese Materialbilder sind letztens Transformationen von dreidimensionalen Gegenständen ins Zweidimensionale. Es gibt da ein Lenken vom Abbild zum Gebilde. Und der ‚Materialpoet‘ steht für die Zeit, die 1970 mit den Schreinen beginnt, in der er sich sehr stark mit Materialitäten auseinandersetzt. Sekal nutzt vorgefundene Gegenstände, erlegt sich aber vor allem das Konzept auf, nur die Materialien zu verwenden, die bereits jemand in der Hand gehabt hat. Das ist also eine frühe Art von Recycling, wenn man so will – das Wiederverwenden, das Umformen, das Transformieren von Material in eine künstlerische Form. Man sieht bei ihm ganz konsequent die Arbeit von seinen frühen Leinwänden bis hin zu den Schreinen. In seinem Werk ist eine Stringenz, die mir sehr zugesagt hat. “

Die Ausstellung im Belvedere 21 in Wien (Arsenalstraße 1) läuft noch bis 6. Januar 2021. Sie ist Teil eines Forschungsprojekts des Belvedere zur Kulturlandschaft Mitteleuropas in den 1960er und 1970er Jahren.

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