Ziemlich beste Nachbarn: Bayerns Repräsentanz in Prag und die Beziehungen zu Tschechien

Festakt anlässlich 10 Jahre Bayerische Repräsentanz in Prag

Kurz vor Weihnachten 2014 wurde in der Prager Altstadt die Bayerische Repräsentanz eröffnet. Das ist am vergangenen Wochenende vor Ort gefeiert worden. Dabei zogen hochstehende Politiker aus dem Freistaat und Gäste aus Tschechien auch eine Zwischenbilanz der gemeinsamen Beziehungen beider Regionen.

Umrahmt von festlicher Musik wurde in der Bayerischen Repräsentanz in Prag das zehnjährige Bestehen begangen. Der Leiter des Hauses, Martin Kastler, leitete zweisprachig in die Feier ein. Er und weitere Redner erinnerten daran, dass die Repräsentanz in der Vorweihnachtszeit des Jahres 2014 vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) und dem tschechischen Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) eingeweiht wurde.

Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

In den Ansprachen wurde auch die Bedeutung der tschechisch-bayerischen Beziehungen betont. Neben zahlreichen Vertretern aus dem kulturellen, wirtschaftlichen oder zivilgesellschaftlichen Bereich waren ebenso hochstehende Politiker gekommen. Allen voran der bayerische Staatsminister für Europaangelegenheiten und Internationales, Eric Beißwenger (CSU). Im Interview für Radio Prag International sagte er:

„Die Beziehungen zwischen Bayern und Tschechien sind seit Menschengedenken sehr intensiv, aber sie waren nicht immer von der allergrößten Freundschaft geprägt. Deshalb ist es uns sehr wichtig, dass wir zu dieser sehr intensiven Freundschaft gelangen. Und da spielt die bayerische Vertretung eine wichtige Rolle. Denn ich glaube, man kann deutlich sagen: In den letzten zehn Jahren hat das Miteinander noch einmal einen kräftigen Schub bekommen. Die Repräsentanz ist sozusagen unser Brückenkopf in Tschechien, für Freundschaft, Partnerschaft und kulturellen, aber auch wirtschaftlichen Austausch. Und wie ich immer sage: Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, Freunde aber sehr wohl. Deshalb ist es ein wichtiger Punkt, auch die Freundschaft weiterzuführen.“

Ressortübergreifende Repräsentanzen wie in Prag unterhält die bayerische Landesregierung im Übrigen weltweit nur fünf – keine allerdings in einem weiteren Nachbarland. Dieser privilegierten Stellung entspricht auch der Zustand der grenzüberschreitenden Beziehungen, wie aus den Worten des Ministers hervorgeht…

Eric Beißwenger | Foto: Bayerische Repräsentanz in Tschechien

„Die Beziehungen sind auf höchstem Niveau, anders kann ich das überhaupt nicht ausdrücken. Tschechien ist einer unserer wichtigsten Außenhandelspartner innerhalb der EU, mit einem sehr hohen Außenhandelsvolumen – das heißt wirtschaftlich ganz stark. Der Austausch in der Arbeitnehmerschaft ist auch sehr stark. Das grenzüberschreitende Arbeiten und Leben, etwa in Bezug auf Krankenversorgung und Weiteres, ist ausgezeichnet. Kulturell trifft das ebenfalls zu. So haben wir dieses Jahr die Ausstellung ‚Barock! Bayern und Böhmen‘ eröffnet, und umgekehrt war der tschechische Ministerpräsident schon bei der Eröffnung bei uns dabei. Die Beziehungen sind also sehr intensiv“, so Beißwenger.

Zugleich sieht der Staatsminister für Europaangelegenheiten und Internationales aber auch Nachholbedarf – und zwar besonders in einem Bereich:

„Wir brauchen mehr sprachlichen Austausch untereinander. Früher, zu Zeiten des Warschauer Paktes und kurz danach, haben sehr viele Menschen in der Tschechoslowakei Deutsch gelernt. Tschechisch zu lernen war auf bayerischer Seite noch nie sehr populär. Da müssen wir drangehen, denn Sprache verbindet eben auch.“

Sprache als Voraussetzung, Ausbau der Bahn als Aufgabe

Neben Staatsminister Beißwenger kam auch Martin Schöffel, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, zur Feier nach Prag. Der CSU-Politiker leitet den Beirat der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Tschechien. Mit ihm entspann sich folgendes Interview:

Martin Schöffel | Foto: Bayerische Repräsentanz in Tschechien

Herr Schöffel, beim ersten Grenzlandkongress dieses Jahr in Cham haben der tschechische Premier Petr Fiala und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder unter anderem auch über die Zugverbindungen geredet, die nicht sonderlich erbaulich sind. Man fährt ja weiterhin fast sechs Stunden zwischen Prag und München. Wo liegen die Versäumnisse? Warum dauert eine Fahrt auch 35 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs immer noch so lange?

„Die Bundesrepublik Deutschland hat eindeutig zu wenig investiert in die Bahninfrastruktur. Und man misst auch diesen Verbindungen, die grenzüberschreitend sind – zwischen Deutschland respektive Bayern und Tschechien –, zu wenig Bedeutung bei. Ein Kosten-Nutzen-Faktor ist da völlig absurd, vielmehr geht es darum, dass zwei Staaten zusammenwachsen können. Deswegen müssen diese Verbindungen, die zum Teil auch zum Transeuropäischen Netz gehören und denen bilaterale Staatsverträge zugrunde liegen, in der Zukunft einen höheren Stellenwert erhalten. Tschechien tut hier sehr viel, und Deutschland muss nachziehen.“

Es ist bisher nicht so richtig vorangegangen, doch von 2009 bis 2021 hat die CSU jeweils den Verkehrsminister in Deutschland gestellt. Wie können Sie das erklären?

Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

„Insgesamt ist dies eine Haushaltsfrage – wie viel Geld also für die Bahn zur Verfügung gestellt wird. Die CSU hat ja in Berlin nicht alleine regiert, sondern musste sich immer mit anderen Koalitionspartnern verständigen. Dennoch müssen diese Grundlagen verändert werden, sodass auch diese Verbindungen ausgebaut werden. Und ich darf darauf hinweisen: Unter CSU-Ministern wurden Projekte wie die Franken-Sachsen-Magistrale intensiv geplant. Eine Neueinschätzung des Kosten-Nutzen-Faktors, nämlich unter dem Faktor eins, und damit einen Stopp der Planung hat erst die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP herbeigeführt. Und das ist scharf zu kritisieren.“

Staatsminister Beißwenger hat schon über den Spracherwerb des Tschechischen in Bayern gesprochen. Jetzt kommen sechs neue bilinguale Schulen im Grenzgebiet hinzu. Trotzdem: Auf welchem Niveau sind wir beim Spracherwerb, und wo müsste es hingehen?

„Das ist natürlich sehr abhängig von den einzelnen Schulen. Wenn ich auf die Realschule Wunsiedel blicke, in deren unmittelbarer Nachbarschaft ich wohne: Dort wird seit vielen Jahren schon Tschechisch als Wahlpflichtfach angeboten. Und in jedem Jahr finden sich viele Schüler, die dieses Angebot auch wahrnehmen und dadurch bilingual aufwachsen, Tschechisch also gut sprechen. Es gibt aber auch weitere Schulen in Bayern, im Grenzraum, die sich um das Thema Tschechisch bemühen. Mit der neuen Initiative von Ministerpräsident Markus Söder werden diese Bemühungen noch einmal verstärkt, denn Sprache ist die allerwichtigste Voraussetzung, um Freundschaft leben zu können.“

Was sind die Ziele der bayerischen Landesregierung für die Beziehungen zu Tschechien in der aktuellen Legislaturperiode?

„Auf der Ebene der Ministerpräsidenten haben wir Vereinbarungen unterzeichnet zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der tschechischen Regierung. Da geht es um noch stärkere Zusammenarbeit in der Wirtschaft, vor allem auch im Bereich Tourismus. Wenn wir die böhmischen und die bayerischen Bäder zusammennehmen sowie vielleicht noch die sächsischen, dann haben wir die größte Heilwasser- und Heilmittelvielfalt ganz Europas. Und das müssen wir stärker nutzen. Wir stellen da als Finanzministerium auch Gelder zur Verfügung, um dieses Thema weiter voranzubringen. Wir wollen noch stärker zusammenarbeiten bei großen Hilfeleistungsprojekten, bei Großschadensereignissen im Katastrophenfall, mit einer gemeinsamen Einsatzleitung. Wir wollen zudem die angesprochenen Fragen der Verkehrsinfrastruktur gemeinsam in Prag und Berlin voranbringen. Und ein großes Ziel ist auch die Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheit. Arzt- und Krankenhausbesuche müssen grenzüberschreitend jederzeit möglich sein. Das wäre ein großes Ziel für die gute Entwicklung der Grenzregionen.“

Diese Arztbesuche auf beiden Seiten der Grenze: Woran hängt es, dass dies noch nicht möglich ist?

„Im Notfall ist dies geregelt. Und da werden dann auch die Kosten für Rettung und Behandlung bezahlt. Es hängt am Ende daran, ob die Krankenkassen auch die Behandlungskosten im jeweiligen Nachbarland übernehmen. Die tschechische Seite hat bereits Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht und die Krankenkassen in die Lage versetzt, mit deutschen Leistungserbringern zu verhandeln. In Deutschland müssen diese Dinge jetzt ebenfalls auf den Weg gebracht werden.“