„Wichtigen Impuls setzen“ – die Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen 2023

Freundschaftswochen

Nach fünfjähriger Vorbereitung ist es soweit: Die Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen 2023 beginnen am 19. Mai mit einem Festakt in Selb. Das nahezu dreimonatige Programm hebt hervor, was an grenzüberschreitenden Beziehungen im oberfränkisch-nordwestböhmischen Raum in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist und will nachhaltige Impulse setzen für eine Vertiefung der gutnachbarschaftlichen Zusammenarbeit. Dazu nun ein Gespräch mit Pablo Schindelmann, dem Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation Selb 2023 gGmbH. Sie richtet die Freundschaftswochen im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung und der Stadt Selb aus.

Pablo Schindelmann  (rechts) | Foto: SPD Selb

Herr Schindelmann, wann und wie werden die Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen 2023 offiziell eröffnet?

„Die offizielle Eröffnung erfolgt im Rahmen eines Festaktes der Bayerischen Staatsregierung, zu dem Ministerpräsident Markus Söder auch den tschechischen Staatspräsidenten Petr Pavel hier in Selb empfangen wird. Die Eröffnung findet am 19. Mai in der Zeit zwischen 13:30 und 16 Uhr statt.“

Foto: Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen Selb 2023

Wie lange dauern die Freundschaftswochen und was sind die Programmhöhepunkte?

„Die Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen dauern dann vom 20. Mai bis zum 6. August. Den Schlusspunkt bildet das Porzellinerfest, das die Stadt Selb traditionell feiert. Wir wollen Begegnungen und Informationsveranstaltungen für die Menschen anbieten und setzen dabei auch einige Highlights. Dazu gehört eine Illumination des Parks in Selb und am darauffolgenden Tag des Parks der Geschichte in Aš. Diese Illumination findet am Pfingstwochenende statt, am 26. und 27. Mai. Außerdem gibt es einen Freundschaftslauf, mit dem wir deutlich machen wollen, dass wir uns aufeinander zu bewegen. Dieser Freundschaftslauf führt am Freitag, dem 2. Juni, von Selb nach Aš. Und am darauffolgenden Samstag und Sonntag findet im Selber Rosenthal-Park ein Begegnungsparcours statt. Musikalische Höhepunkte der Freundschaftswochen sind die Europatage der Musik, die der Bayerische Musikrat diesmal in Selb ausrichtet. Wir haben dafür bewusst Veranstaltungsorte an der Grenze sowie jenseits der Grenze gewählt. Die Europatage der Musik finden vom 23. bis zum 25. Juni statt. Und Ende Juli – um einen weiteren musikalischen Höhepunkt zu nennen, gastieren die Bamberger Symphoniker in Selb, und zwar am Freitag, dem 21. Juli. Unmittelbar danach gibt es am Samstag ein Open-Air-Konzert mit zwei tschechischen und zwei bayerischen Formationen. Beide Seiten stellen mit Leonie und Lake Malawi sozusagen Musiker vor, die aus Casting-Shows momentan bekannt sind. Einen Schlusspunkt, den wir auch als einen echten Höhepunkt betrachten, bildet der Event mit Ondřej Kobza. Er hat die Freundschaftstafel auf der Prager Karlsbrücke gestaltet und wird in der Selber Innenstadt am 29. Juli ebenfalls eine Freundschaftstafel veranstalten.“

Egerer Stöckl  (Foto: Archiv des Touristischen Infozentrums der Stadt Cheb)

Mit welchen Partnerorganisationen arbeiten Sie auf der tschechischen Seite zusammen?

„Vorwiegend mit den tschechischen Kommunen in der näheren Umgebung Selbs. Das sind vor allem die Städte Aš, Plesná und Skalná, aber auch Eger, Franzensbad sowie die Kommission für grenzüberschreitende Zusammenarbeit des Bezirks Karlsbad. Ein wichtiger Ansprechpartner sind natürlich die Institutionen, die in der Euregio Egrensis zusammengefasst sind, also die einzelnen Arbeitsgemeinschaften, aber auch die Projektträger, wie zum Beispiel der Geopark Bayern-Böhmen.“

Wilhelm Müller Denkmal in Franzensbad | Foto: Maria Hammerich-Maier,  Radio Prague International

Neben dem eigentlichen Programm der Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen, aus dem Sie bereits einige Punkte genannt haben, listen Sie auf Ihrer Website auch zahlreiche Veranstaltungen anderer Akteure auf. Diese passen zu den Zielsetzungen der Freundschaftswochen, werden jedoch unabhängig von der gemeinnützigen Gesellschaft Selb 2023 angeboten, also in Eigenregie. Verstehen Sie Ihre Organisation als Plattform, die generell regionale Aktivitäten unterstützt, die zur deutsch-tschechischen Verständigung beitragen können?

„Auf jeden Fall. Wir wollten bei den Freundschaftswochen nicht nur eigene Veranstaltungen machen, sondern wirklich schauen, wo die Akteure in der Region sind. Wir sind natürlich auf Bayern fokussiert, doch wir gehen ganz bewusst so vor, dass unsere Aktivitäten darüber hinaus zur breiteren deutsch-tschechischen Verständigung beitragen. Und wir freuen uns über alle Partner, die sich einbringen und dieses Jahr zum Beispiel mit Sonderausstellungen zeigen, wie wertvoll die Kultur ist, die wir in unserer Region haben und die viele überhaupt nicht kennen und erst entdecken dürfen.“

Skulptur Handreichung von Wolfgang Stefan und Tomáš Dolejš auf der Staatsgrenze bei Aš | Foto: Maria Hammerich-Maier,  Radio Prague International

Wenn man sich das Programm der Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen ansieht, fällt auf, dass ein deutliches Ungleichgewicht bei den Akteuren herrscht. Es gibt viel mehr deutsche Veranstalter als tschechische, und die meisten Veranstaltungen der Freundschaftswochen finden auf oberfränkischem Gebiet statt. Wie erklären Sie sich das offensichtlich geringere Interesse auf tschechischer Seite?

„Das hängt ganz stark mit der Konstruktion der Freundschaftswochen zusammen. Sie gehen darauf zurück, dass ein bayerischer Ministerrat beschlossen hat: Wir wollen diese Freundschaftswochen in Selb machen. Und daher haben wir eine Gesellschaft, die vom Freistaat Bayern und der Stadt Selb getragen wird. Auf tschechischer Seite ist eine vergleichbare Partnerorganisation nicht entstanden. Daher sind dort auch die Mittel nicht in ähnlicher Form verfügbar. Wir sind sehr froh, dass mit den Partnern, die wir gefunden haben, dennoch Veranstaltungen diesseits und jenseits der Grenze möglich wurden. Denn ich sage immer: Man muss von der Begegnung zum Wiedersehen gelangen, und das Wiedersehen sollte auf jeden Fall in dem einen wie dem anderen Land stattfinden.“

Freundschaftswochen | Foto: Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen Selb 2023

Wann und von wem wurde die gemeinnützige Gesellschaft Selb 2023 gGmbH gegründet?

„Sie wurde vom Freistaat Bayern gegründet, der zu 90 Prozent Anteilseigner der Gesellschaft ist, und von der Stadt Selb, die mit 10 Prozent beteiligt ist. 2017 wurde sie mit der Maßgabe ins Leben gerufen, diese grenzüberschreitenden Freundschaftswochen vorzubereiten. Dann hat uns aber leider die Corona-Pandemie sehr stark ausgebremst, und auch der Ukraine-Krieg und die Energiekrise waren im letzten Jahr nicht sonderlich förderlich, wenn es darum ging zu entscheiden, wie viel Geld wir in gemeinsame Kulturveranstaltungen stecken wollen.“

Bleibt die gemeinnützige Gesellschaft Selb 2023 auch nach den Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen in irgendeiner Form weiterhin bestehen?

„Die Gesellschaft als solche wird nach der Durchführung des Projekts, mit dem sie beauftragt worden ist, aufgelöst. Doch das Know-how, das sich die Mitarbeiterinnen angeeignet haben, wird auf jeden Fall in der Grenzregion weiterhin Wirkung entfalten.“

Open-Air-Theaterstück Fingierte Grenzen 2022 zwischen Selb und Aš | Foto: Maria Hammerich-Maier,  Radio Prague International

Die Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen sollen laut Ihrer Organisations-Website Impulse für die nachhaltige Vertiefung der Kontakte zwischen beiden Ländern geben. Wie schätzen Sie den gegenwärtigen Zustand der tschechisch-deutschen beziehungsweise der oberfränkisch-nordwestböhmischen Beziehungen in der Region Selb-Aš ein?

„Wir wissen, dass es vielfach ein Informationsdefizit gibt. Man muss die Sprache können, um zu wissen, was im Nachbarland gerade ansteht oder warum manche Projekte wie Radwege, Bauten und Ähnliches stagnieren. Hier gibt es Wissenslücken. Wir hoffen, dass wir mit den Freundschaftswochen, bei denen wir sämtliche Veranstaltungen zweisprachig veröffentlichen und auch in Social Media posten, hier einen wichtigen Impuls setzen. Ein zweites Anliegen ist, dass wir die Akteure in Nordwestböhmen und Oberfranken stärker an die Veranstaltungs-Plattform bbkult.net des Centrums Bavaria-Bohemia anbinden wollen, weil dieses Zentrum d i e Plattform für den gesamten bayerisch-tschechischen Grenzraum ist. Gleichzeitig brauchen wir auch die Verbindung nach Sachsen. Denn wir haben gemerkt, dass wir einen toten Winkel darstellen hinsichtlich dessen, was einerseits zwischen dem Erzgebirge und Tschechien und anderseits im Gebiet des Böhmerwalds zwischen Tschechien und Bayern läuft.“

In welchen Bereichen ist Ihrer persönlichen Einschätzung nach eine Vertiefung der Beziehungen besonders wünschenswert?

„Nach meiner persönlichen Erfahrung ist es ganz wichtig, dass wir das touristische Potential beiderseits der Grenze nutzen und ausbauen. Ebenso ist es wichtig, dass wir offen mit historischen Ereignissen umgehen und uns gegenseitig nahebringen, dass es unterschiedliche Blickwinkel auf die eine oder andere historische Begebenheit geben kann. Der Freiheitszug von 1951 ist bekanntlich ein solches Ereignis, bei dem es eine westliche und mehrere verschiedene östliche Erzählungen gibt. Diese zusammenzuführen halte ich für eine ganz wichtige Aufgabe für die regionale Identität, also für das, was uns hier verbunden, aber auch getrennt hat, damit wir unsere Beziehungen neu aufstellen können.“

Freundschaftswochen | Foto: Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen Selb 2023

Ein ausführliches Programm der Bayerisch-Tschechischen Freundschaftswochen finden Sie unter www.selb23.de im Internet.

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