Zu Besuch bei den Slawen und Bajuwaren

Foto: Martina Schneibergová

Der Geschichtspark Bärnau – Tachov ist das größte Freilandmuseum in Deutschland. Er liegt im oberpfälzischen Bärnau – direkt an der Grenze zu Tschechien. In der Bayerischen Repräsentanz in Prag ist zurzeit eine Ausstellung über das Freilandmuseum zu sehen. Sie zeigt, wie sich der Geschichtspark allmählich in das ArchaeoCentrum Bayern-Böhmen verwandelt. Der Archäologe Stefan Wolters ist wissenschaftlicher Leiter des Geschichtsparks.

Stefan Wolters  (Foto: Martina Schneibergová)
Herr Wolters, wie ist der Weg vom Geschichtspark Bärnau-Tachov zum ArchaeoCentrum Bayern-Böhmen?

„Es ist schwer, das kurz zu fassen. Wir haben damit begonnen, ein archäologisches Freilandmuseum zu bauen und haben uns von Anfang an bemüht, wissenschaftlich so genau wie möglich zu arbeiten. Ich habe dazu einen wissenschaftlichen Beirat einberufen. Darin waren die Uni Bamberg, das Westböhmische Museum in Pilsen und das Landesamt für Denkmalpflege. Sie haben unsere Arbeit bewertet. Über die Uni Bamberg kam die Frage an mich, ob ich nicht die Bauwerke, die in Bärnau erbaut werden, an der Uni vorstellen möchte. Ich hatte einen Lehrauftrag an der Universität. Dann kam ein tschechischer Kollege, der mich angesprochen hat, den Vortrag auch in Tschechien zu halten. Später wollten wir Archäologen auch unsere Studenten zur Mitarbeit motivieren, um einen anderen Blick auf die Forschung zu bekommen. Dann haben wir im Geschichtspark auch ein Labor für Untersuchungen sowie ein Büro errichtet, wo man Ausstellungen veranstalten kann.“

Wie viele Gebäude gibt es derzeit im Geschichtspark?

Foto: Martina Schneibergová
„Wir haben im Geschichtspark mittlerweile 30 Gebäude stehen, davon sind 22 richtige Wohnhäuser. Was die archäologischen Rekonstruktionen angeht, sind wir damit das größte Freilandmuseum in Deutschland. Im Moment ist unsere größte Aufgabe der Sprung von den Holzhäusern zu Bauten aus Stein. Die errichten wir derzeit aus Granit. Das geht jedoch nicht mehr nur mit Ehrenamtlichen, wir haben Handwerksmeister angestellt, die uns bei der Bearbeitung helfen. Wir Archäologen müssen dann lernen, diese Spuren an den Materialien von der Bearbeitung her zu lesen.“

Leben in den Häusern im Freilandmuseum ab und zu auch Menschen?

„Ja, ab und zu schon – natürlich an den Wochenenden. Wir haben Patenschaften für die Häuser vergeben. Die Hauspaten dürfen die Häuser benutzen, sich dort in historischen Kostümen aufhalten, sie kochen dort, machen Handarbeiten, und die Besucher können das alles sehen. Sie sehen keine erklärenden Tafeln, sondern Menschen, die ihrer Arbeit nachgehen. Da wir es mit Ehrenamtlichen machen, können wir die Häuser nur bei Museumsveranstaltungen auf diese Weise vorstellen. Sonst bekommen die Besucher einen Audio-Guide, zudem laufen dort kleine Filme, in denen gezeigt wird, was alles in den Gebäuden gemacht wurde. Schöner ist es, wenn die Mittelalterdarsteller in den Häusern leben. Vom 9. bis 14. Jahrhundert sieht man im Geschichtspark die komplette Entwicklung der Bauweisen, der Kostüme und der Handwerkstechniken.“

Foto: Martina Schneibergová
Gab es Unterschiede zwischen der slawischen und der bairischen oder bajuwarischen Bevölkerung?

„Ja, das ist auch gerade das, was wir zeigen. Wir zeigen, wie slawische Stämme im Frühmittelalter, das heißt im 8. und 9. Jahrhundert, bei uns gesiedelt haben, ihre eigene Form von Häusern gebaut haben, ihre Wirtschaftsweisen und auch ihre Pflanzen. Wir haben Hausgärten, wo genau die Pflanzen wachsen, die damals wuchsen. Da sieht man schon den Unterschied zwischen den Slawen und den Bajuwaren oder Bayern. Man sieht aber auch, wie es in der Region vom 9. bis 12. Jahrhundert zusammenwächst, weil man halt Nachbar ist. Wir Archäologen können im 13. Jahrhundert nicht mehr unterscheiden, ob es ein slawisches oder ein deutsches Dorf ist. Da sind es Oberpfälzer Dörfer.“

Foto: Martina Schneibergová
Was war beispielsweise eine typisch slawische Nutzpflanze oder Gemüse?

„Die Gurke. Es gab keine Gurken, bevor die Slawen bei uns eingewandert sind. Als Archäologen können wir die Pflanzen bestimmen. In Brunnen, in Bachläufen oder in Schlamm finden wir Samen von diesen Pflanzen, daher wissen wir, was damals gewachsen ist. Pastinaken, Petersilie, Mangold und rote Beete sind Pflanzen, die in den slawischen Gärten sehr viel vorkamen.“

Kann man im Geschichtspark auch mittelalterliche Gerichte kosten?

„Natürlich. Wenn wir Veranstaltungen haben, dann kochen die Darsteller in den Häusern. Man kann hingehen, fragen und kosten. Wir dürfen die Sachen jedoch nicht verkaufen – aus hygienischen Gründen.“

Die zweisprachige Ausstellung trägt den Titel „Aus der Geschichte in die Zukunft – Vom Geschichtspark Bärnau-Tachov zum ArchaeoCentrum Bayern-Böhmen“. Sie ist in der Bayerischen Repräsentanz in Prag ab Montag, 10. September, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr sowie von 14 bis 16 Uhr, der Eintritt ist frei. Die Ausstellung läuft bis Anfang Oktober.

Passiert es heute noch, dass Sie bei den Ausgrabungen noch etwas Überraschendes finden?

„Ja. Ein Kollege hat beispielsweise letztes Jahr eine Pfanne mit einem Griff aus der Keramik gefunden. Sie stammte aus dem 8. Jahrhundert. Wir kennen derartige Pfannen aus dem 14. und 15. Jahrhundert, aber wir wussten nicht, dass es sie schon im 8. Jahrhundert gab. Seit vier Jahren wissen wir, dass es im Frühmittelalter Mohrrüben gab, weil wir zufällig Mohrrübensamen gefunden haben.“

Finden Sie auch Gegenstände, die importiert worden sind?

„Ja, sehr viel. Gerade bei uns mit der Goldenen Straße, die von Nürnberg nach Prag und weiter bis nach Budapest ging, haben wir viele Importstücke. Vieles musste importiert werden wie beispielsweise Salz. Wir haben Töpfe aus dem Rheinland. Diese wurden nicht als Gefäß verkauft, sondern als Behälter. Man hat den Wein aus dem Rheinland gekauft, und der war in diesen Behältern.“