Zurück nach Europa! - Der politische Höhepunkt des Jahres 2004
"Zurück nach Europa!" Das war bereits eine der Losungen der so genannten Samtenen Revolution, die 1989 das kommunistische Regime in der damaligen Tschechoslowakei beseitigte. Am 1. Mai 2004 wurde dieser Schritt formal besiegelt: Tschechien trat mit neun anderen Staaten der EU bei. Das abgelaufene Jahr hat aber gerade in dieser Hinsicht so manche merkwürdige Entwicklung im Land gebracht, wie Gerald Schubert berichtet:
77 Prozent Zustimmung. So lautete im Juni 2003 das Ergebnis der Volksabstimmung über den Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union. Für Viele kam das überraschend, galten doch die Tschechen im Hinblick auf die EU als "Weltmeister in der Skepsis", wie es der frühere Erweiterungskommissar Günter Verheugen einmal formulierte. Ganz anders der damalige sozialdemokratische Premierminister und heutige EU-Kommissar Vladimír Spidla. Der Historiker trat stets als Befürworter der europäischen Integration auf und sprach gerne von ihrem langfristigen und wichtigsten Nutzen: Der Friedenssicherung in Europa. Kurz nach dem EU-Beitritt seines Landes im Mai 2004 sagte er gegenüber Radio Prag:
"Das war eine geschichtliche Wende für die Tschechische Republik und auch für Europa selbst. Europa war früher ein Kontinent voll von Kriegen, Liquidierungen von Minderheiten und verschiedensten Kämpfen - mehr als tausend Jahre lang. Daher ist das nun etwas wirklich Geschichtliches."Wirklich geschichtlich dürfte der Beitritt zur EU aber für viele Tschechinnen und Tschechen dann doch nicht gewesen sein. Jedenfalls könnte man das aus den Wahlergebnissen des abgelaufenen Jahres schließen. Bei Europa-, Regional- und Senatswahlen schnitten die oppositionellen, betont europakritischen Parteien am besten ab: Nämlich die konservativen Bürgerdemokraten und die Kommunisten. Ob die Mehrheiten gegen das momentane Regierungslager trotz oder wegen der EU-Skepsis der Opposition zustande kommen, das ist derzeit die große Unbekannte in der Tschechischen Politik.
Eine Antwort dürfte nicht zuletzt die Parteistrategen interessieren. Voraussichtlich 2006 gibt es nämlich hierzulande Parlamentswahlen. Und ein Wahlkampfthema scheint schon jetzt gewiss: Die Ratifizierung der Europäischen Verfassung.