Zwischen Gazakrieg und Hockklo - zwei Wochen tschechischer EU-Ratsvorsitz

Wie eine Rakete hat Tschechien in die EU-Ratspräsidentschaft starten müssen. Gazakrieg und Gaskrise auf der einen Seite, der Streit um den Lissabon-Vertrag und um die EU-Skulptur von Skandalkünstler David Černý hielten das Team um Ministerpräsident Mirek Topolánek bisher vollends auf Trab. Zeit für eine kleine Zusammenfassung und eine erste Beurteilung.

Martin Říman,  rechts  (Foto: ČTK)
Zum 1. Januar hat Tschechien offiziell den Vorsitz im Rat der Europäischen Union übernommen. Noch bevor die tschechische Regierung ihre Prioritäten für den Vorsitz öffentlich gemacht hatte, musste sie weltpolitisch heikle diplomatische Missionen übernehmen: im Gaza-Konflikt und im Gasstreit. Seit dem Wochenende gibt es in Nahost eine Waffenpause, die aber die Europäische Union als äußerst brüchig einschätzt. Wie weit dies bereits ein Erfolg ist, lässt sich also noch nicht sagen. Im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine gab es ebenso am Wochenende ein Einlenken. Doch erst wenn der Westen tatsächlich wieder russisches Erdgas durch die Leitungen der Ukraine erhält, sieht der tschechische Handelsminister und EU-Ratspräsident für Energie, Martin Říman, die Sache für erfolgreich beendet.

Foto: ČTK
„Ich bin hierbei leicht optimistisch“, sagte Riman am Sonntag.

Der tschechische Ratsvorsitz wurde in der vergangenen Woche aber auch zweimal auf andere Weise auf die Probe gestellt: beim Antrittsbesuch von EU-Ratspräsident Topolánek im Europaparlament und wegen der EU-Plastik von Skandalkünstler David Cerny. Die Europaparlamentarier hielten Topolánek erneut vor, immer noch keine Lösung für die Ratifizierung des EU-Reformvertrags von Lissabon gefunden zu haben. Und zum EU-Hauptkunstwerk war herausgekommen, dass Bildhauer Černý die Plastik entgegen den Vereinbarungen nicht zusammen mit Künstlern aus den 26 anderen EU-Ländern geschaffen hat. Die Zusammenarbeit hatte er nur vorgetäuscht. Zudem verulkt er einzelne Länder der EU in einer Weise, dass Bulgarien und die Slowakei offiziell protestiert haben. Die Entrüstung in Europa über Hockklos, Hakenkreuze und Salami-Würste ließ Vizepremier Alexandr Vondra bei der offiziellen Präsentation des Kunstwerks einen großen Rückzieher machen:

„Das Werk stellt nicht den Blick der Tschechischen Republik, der tschechischen Regierung oder des tschechischen EU-Ratsvorsitzes auf einzelne europäische Staaten oder die Europäische Union da. Wir wollten unter keinen Umständen jemanden verletzen.“

Es ist also bereits viel geschehen in den ersten zwei Wochen der Ratspräsidentschaft. Wie sieht dies ein Fachmann? Dazu Petr Drulák, Leiter des Instituts für Auslandsbeziehungen in Prag befragt. Das Gespräch wurde am Freitag vergangener Woche geführt und konnte daher die allerneueste Entwicklung nicht berücksichtigen, doch die Aussagen sind weiterhin aktuell:

EU-Plastik von David Černý  (Foto: ČTK)
Herr Drulák, vor der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft wurden starke Zweifel geäußert an der Fähigkeit des Landes, die Europäische Union zu führen. Es hieß, das Land sei klein und habe wenig Erfahrung und ein Teil der Regierungspolitiker ist EU-kritisch eingestellt. Dann ist Tschechien Hals über Kopf in die Ratspräsidentschaft gestürzt, weil es vom ersten Tag an gleich im Gazakonflikt und im Gasstreit vermitteln musste. Wenn wir den Gasstreit einmal betrachten. Dort wurde bereits vor einer Woche mit tschechischer Mithilfe ein neuer Vertrag aufgesetzt. Das Gas fließt aber bisher noch nicht. Könnten Sie dennoch bereits ein Urteil über die Bemühungen Tschechiens versuchen?

„Man muss sicher noch einige Tage warten, bis Sicherheit herrscht, ob das Gas fließt. Ich hoffe, dass es sich auch wirklich nur um Tage und nicht etwa um Wochen handelt. Aber schon lässt sich sagen, dass der Anfang bei der Vermittlung im Gasstreit recht gut war. Die tschechischen Regierungsmitglieder haben sich aktiv in den Streit zwischen Russland und der Ukraine eingemischt und waren in der Lage zu vermitteln. In diesem Zusammenhang ist die tschechische Leistung lobenswert.“

Für die Missionen im Gazakrieg trifft dies aber wohl nicht in selber Weise zu. Dort scheint es vielmehr, als ob Tschechien den Politikern aus anderen Staaten – wie Präsident Sarkozy aus Frankreich oder Bundeskanzlerin Merkel aus Deutschland – das Feld überlassen hat…

„Ich weiß nicht so recht, ob man das so sagen sollte. Denn allgemein ist bekannt, dass man den Konflikt im Gazastreifen nicht in einigen Wochen oder Monaten lösen kann. Dort ist die Lage ganz anders als im Gasstreit. Ich glaube, weitere Hoffnungen ruhen auf der neuen amerikanischen Regierung von Barack Obama. Die USA könnten den entscheidenden Unterschied ausmachen. Natürlich sollten auch die Europäer mit im Boot sein. Sarkozy hat das bereits probiert, war aber nicht wirklich erfolgreicher als die Mission des EU-Ratsvorsitzes. Ich halte es nicht wirklich für eine Konkurrenz, dass die Franzosen oder die Deutschen auch zu vermitteln versuchen. Der Gazakrieg ist ein solch komplizierter Konflikt, dass die Teilnahme aller relevanten Kräfte notwendig ist.“

Auf der einen Seite gibt es also die diplomatischen Missionen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft, auf der anderen Seite weitere Aspekte. So trat Ratspräsident Mirek Topolánek am Donnerstag vergangener Woche im Europaparlament auf und wurde erneut für die Nichtratifizierung des Lissabon-Vertrags angegriffen. Dazu kommen die Probleme mit der Skulptur von David Černý in Brüssel. Es scheint, dass die Ratspräsidentschaft – in dem Fall der Vizepremier für Europafragen, Alexandr Vondra – nicht richtig informiert gewesen war über das Vorhaben von Černý. Wenn man dies zusammen betrachtet, wie würden Sie da die ersten zwei Wochen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft bewerten?

„Für mich ergibt sich da noch kein vollständiges Bild. Die Sache mit der Skulptur war eigentlich eine Panne und man wird sehen, wie sich die anderen EU-Mitglieder dazu stellen. Wir wissen nur, dass Bulgarien und die Slowakei protestiert haben. Vizepremier Vondra hat sich danach um Schadensbegrenzung bemüht und das ist recht gut gelaufen. Vondra hat sich bei den Betroffenen entschuldigt. In diesem Sinn ist es kein großer Unfall. Dass der Lissabon-Vertrag noch nicht ratifiziert wurde, ist hingegen eine ernstere Angelegenheit. Seit Monaten ist das Problem der tschechischen Politik, dass die Regierung keine klare Mehrheit im Parlament hat, schwach ist und nicht in der Lage ist, den Vertrag, den sie unterzeichnet hat, auch durchzusetzen. Das wirft einen Schatten auf den EU-Vorsitz.“

Wie macht sich Ihrer Meinung nach der tschechische Regierungschef Mirek Topolánek als EU-Ratspräsident? In Tschechien hat er ja keine sonderlich gute Presse, nachdem er sich im Parlament mit einer obszönen Geste in Szene gesetzt hatte und im Herbst einem Fotoreporter einen Faustschlag ins Gesicht verpasst hat…

„Als EU-Ratspräsident gab es noch keine solchen Vorfälle mit Topolánek, wie Sie von Ihnen erwähnt wurden. Mirek Topolánek zeichnet hingegen etwas aus, was ihm als Ratspräsident einen Vorteil bietet. Er hat Erfahrung als Krisenmanager, denn seine Regierung ist von Anfang an ein einziger Krisenfall. Diese Erfahrung kann Topolánek auch auf europäischer Ebene einsetzen.“