20 Jahre Deutsch -Tschechische und -Slowakische Gesellschaft (DTSG)

Willy Brandt und "Ostpolitik" - eine Wortkombination, die mittlerweile zum Begriff geworden ist. Im Jahre 1973 haben die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechoslowakei einen bedeutenden Vertrag abgeschlossen, in dem Nachkriegsdeutschland u.a. eine auch für den Vertragspartner akzeptable Position zum Münchner Abkommen von 1938 festschrieb. Damit war das politische Eis zwar bei weitem noch nicht gebrochen, doch auf der Basis dieser Vereinbarung gab es vonseiten der Bundesrepublik unterschiedlichste Versuche zum Dialog mit der damaligen CSSR. Eines der Resultate dieser Initiativen war im Jahre 1983 die Gründung der Deutsch-Tschechoslowakischen Gesellschaft für die Bundesrepublik Deutschland (DTSG) mit Sitz in Köln. Mehr erfahren Sie in der nun folgenden Sendereihe Begegnungen. Jitka Mladkova spricht mit dem DTSG-Geschäftsführer Peter Scheiple:

Tschechien und Deutschland
Blicken wir zunächst in die Geschichte der DTSG zurück. Ihre Gründung haben Sie, Herr Scheiple, zwar nicht miterlebt, doch Sie wissen einiges darüber, warum diese Gesellschaft damals, in einer Zeit, als das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei noch an der Macht war, gegründet wurde und mit welchen Zielen.

"Wir konnten vor einigen Wochen unser zwanzigjähriges Jubiläum im Düsseldorfer Landtag feiern und das gab uns auch einmal die Gelegenheit in die Zeit der Gründung zurückzuschauen. Zu diesem Anlass wurde auch eine Chronik herausgegeben, die man sich komplett auch im Internet auf www.dtsg.de anschauen kann. Und zur Gründung: Im Jahre 1983, im Dezember, kamen in Düsseldorf Persönlichkeiten aus den bereichen Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur zusammen, um diese Gesellschaft zu gründen. Im Zuge des Kalten Krieges, als keine oder kaum Gespräche auf der höchsten politischen Ebene stattfanden und ein eisiges Schweigen herrschte, versuchte man dies auf der zwischenmenschlichen Ebene ein bisschen zu durchbrechen. Der Gründungsvorsitzende war damals John van Nes Ziegler, ehemaliger Bürgermeister in Köln und zum damaligen Zeitpunkt 1983 Landtagspräsident in Düsseldorf. Eine solche Persönlichkeit konnte natürlich Gespräche nicht nur mit dem Botschafter, sondern auch mit tschechoslowakischen Regierungsvertretern führen, ohne gleichzeitig in den Verdacht zu geraten, mit den Kommunisten gemeinsame Sache zu machen, oder gar mit dem Geheimdienst. Es gab vorher schon einmal Sachen, dass quasi von der tschechoslowakischen Regierung in Deutschland ein Verein gegründet wurde, der aber mehr oder weniger dazu diente die Tätigkeit tschechischer Dissidenten in Deutschland ins Visier nehmen. Ich kann ein paar Namen nennen, die damals mit dabei waren. Also zunächst, wie bereits gesagt, der Gründungspräsident war John van Nes Ziegler, dann mit Bodo Champion ein weiterer NRW-Landtagsabgeordneter, dann der inzwischen verstorbene Professor Kazak, Direktor des Slawischen Institutes hier in Köln, Borek Severa, damals Vorsitzender der Jungliberalen in Hessen, jetzt leitet er die Friedrich-Naumann-Stiftung in Prag."

Durch wen war die Tschechoslowakei vertreten außer durch den Botschafter?

"Also das war eben der Botschafter Dr. Dusan Spacil, und damit, glaube ich, blieb es bei der Gründung im Wesentlichen, aber relativ bald sind weitere hinzugekommen. Z.B. Milan Horacek, der die Grünen mitgegründet hat, inzwischen leitet er die Heinrich-Böll-Stiftung in Prag, oder Peter Spielmann, ein Dissident, der früher beim Nationalmuseum in Prag gearbeitet hatte, und lange Jahre das Museum in Bochum leitete und sich sehr für den Kunstaustausch zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei bzw. Tschechien verdient gemacht hat. Aber die waren nicht bei der Gründung. Als letzten würde ich gerne Hans Andreas Ziegler erwähnen, der das einzige Vorstandsmitglied ist, das seit der Gründung bis heute Mitglied des Vorstandes ist".

Die Situation war am Anfang, wie ich verstanden habe, wahrscheinlich die, dass die Initiative auf der deutschen Seite lag und die Tschechoslowakei damals, im Jahre 1983, sechs Jahre vor der Wende, einfach nicht mehr nein sagen konnte. Große Begeisterung war da jedoch kaum vorhanden. Was passierte im Rahmen der DTSG in den ersten sechs Jahren bis zur Wende?

"Es war zu dieser Zeit für deutsche Unternehmen sehr schwierig bis unmöglich, Kontakte mit staatlichen Unternehmen in der Tschechoslowakei aufzunehmen und dort Handels- oder Vertriebspartner zu finden. Über diese Gesellschaft gelang das. Dort konnten Kontakte aufgebaut werden. Das gleiche galt für die Wissenschaft, also vor allem für die Slawisten und Historiker, aber auch andere Wissenschaftler, die keinen Austausch hatten. Über die Kontakte zum Botschafter bis ins Parlament hinein konnten dort einfach Lösungen gefunden werden, und dies auch für ganz normale menschliche Probleme, die ja manchmal auftauchen, wenn es z.B. um Staatsangehörigkeit geht, oder um eine Ehe, oder darum, dass jemand verfolgt wird oder nicht ausreisen kann, weil irgendetwas passiert ist. Dort konnten einfach auf dem kleinen Dienstweg Lösungen gefunden werden. Soviel ich weiß, gab es z.B. eine Delegation, die unter John van Nes Ziegler nach Prag reiste. Er hat im Abgeordnetenhaus gesprochen und dort auch offiziell gesagt: 'Wir arbeiten mit jedem zusammen, der mit uns zusammenarbeiten möchte, aber wir haben unsere demokratischen Grundsätze.' Der Verein hatte auch damals in der Präambel den Verweis auf den deutsch-tschechoslowakischen Vertrag von 1973. Das ist eigentlich eine Sache, auf die unsere Gesellschaft großen Wert legt."

Nach der Wende von 1989 hat sich vieles von Grund auf verändert. Das Betätigungsfeld für den gegenseitigen Austausch hat sich in vielen Bereichen wesentlich erweitert. Was ging in der DTSG in den zurückliegenden 15 Jahren vor?

"Nach der Wende waren viele Aspekte der Arbeit obsolet. Also jeder Unternehmer beispielsweise, der eben in die Tschechoslowakei wollte, konnte das tun. Die DTSG hatte auch vorher Städtepartnerschaft gefördert und unterstützt, und auch das war nach ´89 plötzlich im Interesse des Staates und wurde auch von den Botschaften stark unterstützt. Deswegen hat sich nach dem Jahr 1989 tatsächlich die Tätigkeit sehr stark verändert. In den ersten Jahren gab es z.B. ein Projekt, das vor allem pensionierte Lehrer aus Deutschland in die Tschechoslowakei und dann später in die Tschechische Republik vermittelt hat, die dort ein, zwei und teilweise bis zu fünf Jahren Deutsch unterrichtet haben. Dafür bekamen Sie einen Zuschuss, ein Überbrückungsgeld aus Deutschland, wenn sie wieder zurückkamen. Eigentlich immer wichtig war für die DTSG die Vermittlung von Wissen über die Tschechoslowakei bzw. über die Tschechische und die Slowakische Republik hier in Deutschland und speziell auch im Köln-Bonner Raum. Wir sind hier relativ weit weg von der tschechischen Grenze, von der Slowakei noch ein gutes Stück weiter. Da kann man sich die Frage stellen, warum die DTSG in Köln ist und nicht irgendwo an der deutsch-tschechischen Grenze, oder in Bayern oder in Sachsen. Aber dort gibt es viele Initiativen, auch Euregio-Projekte. Dort hat man natürlich auch ganz andere Probleme. In Bezug auf die EU-Erweiterung gesehen sind dort an beiden Seiten der Grenze die Ängste am größten. Hier aber gibt es wiederum ein großes Unwissen, weil eben Tschechien und die Slowakei sehr weit weg sind. Deshalb versuchen wir über die Kultur, über wirtschaftliche Veranstaltungen, viel auch über politische und gesellschaftspolitische Themen die Leute zu erreichen."