25. Gründungsjahrestag der Dissidenteninitiative "Charta 77" wurde in Senat gefeiert

Charta 77 (Foto: CTK)

Anlässlich des 25. Gründungsjahrestages der Dissidenteninitiative "Charta 77" hatte Senatspräsident Petr Pithart - seinerzeit selbst in dieser Bewegung aktiv - am Dienstag mehrere hundert ehemalige Dissidenten und deren Sympathisanten zu einer Festveranstaltung in den Senat geladen. Silja Schultheis berichtet.

Charta 77  (Foto: CTK)
Nicht nur der Entstehung der "Charta 77" wurde am Dienstag im Senat gedacht. Noch ein weiteres Thema stand bei dem Treffen ehemaliger Dissidenten im Vordergrund: Die so genannte "Anticharta". Mit ihrer Unterschrift unter dieses Dokument hatten auf Druck des kommunistischen Regimes mehrere Tausend Bürger, unter ihnen auch viele namhafte Künstler, die Ideen der "Charta 77" verurteilt. In seiner Ansprach kritisierte Präsident Vaclav Havel, dass heute "Charta" und "Anticharta" vielfach pauschal wie "Gut" und "Böse" einander gegenübergestellt werden:

"Als Chartist stört mich die Boulevardisierung dieses Themas. Aus der Charta wird fast eine heilige Sache gemacht. Wohingegen diejenigen, die durch die harte moderne Geschichte dazu gezwungen wurden, ein Dokument gegen die Charta zu unterschreiben, sich heute nach 25 Jahren plötzlich auf der Anklagebank finden. Mir gefällt das ganz und gar nicht. Ich denke, dass sowohl die Charta als auch die Anticharta zu unserer jüngsten Geschichte gehören und man sich damit ruhig und sachlich beschäftigen muss. Das heißt, sie sollten keinen Anlass zu irgendeiner Trennung bieten, sondern eher einen Impuls zum gemeinsamen Studium."

Vaclav Havel und Petr Pithart  (Foto: CTK)
Gastgeber Petr Pithart reagierte in seiner Ansprache auf eine Umfrage, die die Agentur FNS Factum anlässlich des 25. Gründungsjubiläums der "Charta" durchgeführt hatte. Aus ihr geht hervor, dass ein Viertel der Tschechen im Alter bis zu 24 Jahren noch nie etwas von der "Charta 77" gehört hat. Bei Jugendlichen im Alter bis zu 19 Jahren beträgt dieser Anteil sogar fast 40%. Pithart zeigte sich hingegen zuversichtlich, dass die Zeit der Auseinandersetzung mit der "Charta" noch kommt:

"Diese Zeit reift in jedem Volk unterschiedlich heran. Es wird die Zeit der großen Befragung der Eltern durch ihre Kinder kommen, und die Charta wird Gegenstand eines großen Interesses sein. Diesen Prozess kann man nicht beschleunigen."