28. September: Tag des Hl. Wenzels

Hl. Wenzels

Schon seit Jahrzehnten versammeln sich Leute um die Statue am Wenzelsplatz, wenn es ihnen gerade nicht gut geht. Aber auch in den Stunden der Freude ist der Fürst auf dem Pferd von einem bunten Getümmel umringt. Es scheint logisch, dass der Landesschutzpatron auch im Verzeichnis der Staatsfeiertage einen eigenen Gedenktag verdient. Dabei könnte alles anders sein. Auf dem Wenzelsplatz, im Herzen von Prag, könnte ohne weiteres jemand anderer stehen. Wenn es nicht vor mehr als tausend Jahren zu einem Brudermord in der Nähe von Prag gekommen wäre, gäbe es heute keinen heiligen Wenzel und man hätte auch keinen Feiertag. Hören Sie dazu den folgenden Beitrag von Ladislav Kylar, mit dem Autor ist auch Olaf Barth am Mikrophon.

Nicht mehr als zwei Stunden Ritt mit dem Pferd von Prag entfernt liegt eine Ortschaft, die Stará Boleslav heißt. Damals, in den Zeiten der Premysliden, war es einer der Hauptstützpunkte des ganzen böhmischen Landes. Heute ein durchschnittliches verschlafenes Städtchen, das zu den Satellitenstädten Prags gehört. Trotzdem hat sich hier vor Jahrhunderten etwas ereignet, was die Geschichte des tschechischen Staates stark beeinflusste und das Bewusstsein der Nation geprägt hat. Tauchen wir jetzt aber in die Tiefe der Zeit, in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts. Dr. Ivan Krutina, Direktor des Bezirksmuseums Prag-Ost:

"In dieser Zeit - etwa im Jahre 900 wurde unter dem Fürsten Spytihnev die Burg Stará Boleslav gegründet. Und zwar war an der Stelle einer Elbefurt, da jenseits des Flusses, später wurde sie von beiden Seiten geschützt. Diese Burg wurde zum Sitz der Herrscher-Familie. Der Älteste saß immer auf der Prager Burg, die Jüngeren kamen hierher nach Stara Boleslav, mitunter auch Wenzels Bruder Boleslav. Dieser lud seinen Bruder zu einer Feier ein und ermordete ihn dabei, wie wir schon aus der Legende wissen."

In der Früh wurde zur Morgenmesse geläutet. Sobald Wenzel die Glocken hörte, stand er auf und ging. Gleich im Tor holte ihn sein Bruder Boleslav ein. Wenzel schaute ihn an und sagte: "Bruder, gestern hast du uns gut gedient." Aber zum Ohr Boleslavs beugte sich der Teufel und verdarb dessen Herz, also antwortete er: "Jetzt will ich dir aber noch besser dienen". Nach diesen Worten schlug er mit dem Schwerte nach dessen Kopf. Wenzel drehte sich um und fragte: "Was ist über dich gekommen, Bruder?" Nach diesen Worten ergriff ihn Wenzel und warf ihn zu Boden. Aber gleich eilte ein gewisser Tuza herbei und stach ihm in die Hand. Da eilte Wenzel verletzt zur Kirche und die zwei Teufel namens Tira und Cesta erschlugen ihn an der Pforte. Hnevsa sprang dann hinzu und durchbohrte Wenzels Leib mit dem Schwert. Da ließ Wenzel seine Seele fahren und sprach: "In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist."

Schwer zu sagen, wie der Fürst Wenzel wirklich war. Den Legenden nach handelte es sich um einen gütigen, ruhigen Herrscher, der sogar die Galgen abschaffte und Gefangene aus dem Kerker freiließ. Eher als zum Fürsten neigte er dazu Priester zu werden. Und noch etwas geht aus dem historischen Kontext hervor. Wenzel machte sich um die Christianisierung Böhmens verdient.

Doch gerade das wurde zum Verhängnis der gesamten Legende, das die Beziehung der Tschechen zu ihrem Landespatron stark beeinflusste. Die Christianisierung erfolgte vom heutigen Deutschland aus. Damit waren auch Tributzahlungen an den sächsischen König Heinrich 1. verbunden. Kein Wunder, dass die Legende später oft missbraucht wurde. Die Ironie der Geschichte geht jedoch noch weiter. Boleslav, gleichzeitig sein Bruder und Mörder, überführte später den Sarg Wenzels nach Prag. Dadurch wurde Wenzel heiliggesprochen und Boleslav nutzte diese Gelegenheit politisch aus. Und zu all diesen Dinge kommt noch das Paradox, dass der Legende nach der politisch schwache Fürst mit seinem Heer zu Hilfe kommt, wenn es den Tschechen am schlechtesten geht.

Doch von dem Brudermord, in Stará Boleslav, ist nur die Legende geblieben. Mehr können heute nur die Ausgrabungen am Tatort ans Licht bringen. Herr Doktor Krutina, Direktor des Bezirksmuseum Prag-Ost:

"Auf der rechten Seite ist die Heilige-Clemens-Kirche, eine romanische Kirche, in der schöne Fresken erhalten geblieben sind, die große Kirche hier ist dem heiligen Wenzel geweiht, sie steht an dem Ort der früheren Kosma und Damian Kirche, also an der Stelle, an der Fürst Wenzel ermordet wurde. Von der alten Kirche ist leider nichts übriggeblieben. Da, wo sie damals stand, befindet sich heute eine Kapelle in der Wenzelskirche und der eiserne Türklopfer, den Wenzel im Tode ergriffen hat, ist angeblich das Einzige, was erhalten blieb. Der ist jetzt in Prag in der Schatzkammer zu sehen. Ansonsten hat man hier archäologische Untersuchungen angestellt, aber man hat von der Kirche nichts gefunden. Zwar tauchten hier viele Belege aus jener Zeit auf, die vor allem aus der Burg stammten, aber von der Kirche leider nichts."

Geblieben ist also nur die Legende und das Bewusstsein, dass der Fürst Wenzel während der Jahrhunderte zu einem Symbol des Staates und der Nation wurde. Ein Symbol, das jeder versteht. Von seiner Statue in der Mitte des Wenzelsplatzes aus herrscht er über das Land und verwaltet vom Himmel aus in Ewigkeit sein Fürstentum Böhmen, in seinen Händen ruht der Landesfrieden. Er hilft seinen Getreuen, wenn sie in Not sind. Er ist immer da, in schlechten wie auch in guten Zeiten. Unsichtbar herrscht er durch seine Legende.

Autoren: Olaf Barth , Ladislav Kylar
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