300 Jahre Maria Theresia: Mühsamer Weg auf den Thron

Maria Theresia

Maria Theresia – die meisten Tschechen assoziieren mit ihr eine korpulente Kaiserin, die viele Kinder hatte und die Schulpflicht eingeführt hat. Doch welche Bedeutung kommt ihr zu für die Entwicklung in den böhmischen Ländern, die eines ihrer Herrschaftsgebiete waren? Und wie hat sich die Gesellschaft hierzulande unter ihrer Regierung verwandelt? Auf diese Fragen wollen wir in einer dreiteiligen Serie zum 300. Geburtstag Maria Theresias antworten. In der ersten Folge geht es aber um den mühsamen Weg der Königin auf den böhmischen Thron.

Maria Theresia
Die Habsburgerin Maria Theresia war 37 Jahre lang böhmische Königin. Ihre Thronbesteigung verlief aber nicht reibungslos. Sie musste sogar einen Krieg führen, um ihren Machtanspruch durchzusetzen. 1740 starb die Habsburger Dynastie in männlicher Linie aus. Die Lage sei damals sehr verworren gewesen, sagt der Historiker Eduard Maur. Das Problem war das Erbfolgerecht:

„Dieses Problem war zwar theoretisch beseitigt worden, nachdem der Vater von Maria Theresia am Anfang seiner Regierungszeit die sogenannte ‚Pragmatische Sanktion‘ erlassen hatte. Demzufolge sollten im Falle des Aussterbens des Hauses im Mannesstamm auch die Töchter thronberechtigt sein. Und einzelne europäische Staaten stimmten der Pragmatischen Sanktion auch nach und nach zu. Theoretisch sollte daher also Maria Theresia 1740 den Thron besteigen, aber die Entwicklung war anders: Einige Staaten versuchten die Lage auszunutzen und die Machtverhältnisse in Europa zu verändern.“

Vor allem war dies Frankreich. In Paris wünschte man sich, dass ein Verbündeter auf den Thron steigt im römisch-deutschen Reich. Diese Rolle sollte der bayerische Kurfürst Karl Albrecht übernehmen:

Kurfürst Karl Albrecht  | Foto: Georges Desmarées,  Wikimedia Commons,  CC0 1.0 DEED
„Frankreich bildete eine Koalition mit Bayern, Sachsen, Preußen und – für eine gewisse Zeit – auch mit Savoyen. Die Koalition setzte sich zum Ziel, Maria Theresia um die Regierung in einigen Teilen des Reichs zu bringen. Sie wollte die Stärke der Habsburger Monarchie untergraben und Karl Albrecht auf den Thron setzen.“

Prag zweimal belagert

1742 wurde der Bayer mit Hilfe von Frankreich zum deutschen Kaiser gewählt. In Europa tobte damals aber bereits ein Krieg: der sogenannte Krieg um das österreichische Erbfolgerecht, der von 1740 bis 1748 dauerte.

„Im Laufe des Kriegs kam es zu einem wichtigen Ereignis: Ende 1741 eroberten die französisch-bayerisch-sächsischen Truppen Prag. Karl Albrecht erklärte sich zum böhmischen König. Etwa die Hälfte des böhmischen Adels erkannte ihn als ihren Herrscher an. Er ernannte seine Regierung in Böhmen und zog dann zurück ins Reich.“

Schlacht bei Prag
1742 erzielten die Franzosen und Bayern jedoch keine großen Erfolge. Letztlich wurde die Koalition von der österreichischen Armee nach Prag abgedrängt und dort belagert. Kurz vor Weihnachten zog die französische Armee aus Prag ab und machte sich auf den Weg Richtung Cheb / Eger und Deutschland.

Die Kämpfe gingen weiter bis 1748. Der Koalition gelang es allerdings nicht, die Habsburger Monarchie zu zerschlagen. Das war ein großer Erfolg für Maria Theresia und ihre Regierung. Die Regentin musste dafür aber bezahlen: Sie gab Schlesien und einige Gebiete in Nord-Italien auf.

„Nach dem Tod Karls Albrechts von Bayern im Jahr 1745 wurde der Gatte Maria Theresias, Franz Stephan von Lotringen, zum römischen Kaiser gewählt. Damit hatte Maria Theresia auch ihr zweites Ziel erreicht. Sie wurde Kaiserin, allerdings nur als Gattin des Kaisers. In den Erbländern hingegen, also auch in den böhmischen Ländern, war sie selbst Herrscherin mit dem Titel der Königin. Sie war also Königin von Böhmen und Königin von Ungarn.“

Eduard Maur  (Foto: Archiv der tschechischen Akademie der Wissenschaften)
Böhmen war besonders betroffen von dem Krieg. Zu Kämpfen zwischen der französisch-bayerischen und der österreichischen Armee kam es vor allem im Jahr 1742. Welches waren die Folgen für die böhmischen Länder?

„In erster Linie haben die Länder große materielle Schäden erlitten. In Böhmen hatte es fast einhundert Jahre lang keinen Krieg mehr gegeben, seit dem Westfälischen Frieden von 1648. Daher war der Krieg für die Bevölkerung ein großer Schock.“

Der Waffengang hatte aber auch schwerwiegende politische Folgen, unterstreicht der Historiker:

Verkleinerung der böhmischen Länder, Anteil der Tschechen steigt

„Vor allem verkleinerte sich dadurch der alte böhmische Staat, der ein Teil der Monarchie war. Verloren gingen ganz Niederschlesien, ein Teil Oberschlesiens und Glatz. Dadurch sank die Bedeutung der böhmischen Länder innerhalb der Monarchie.“

Europa 1748  (Quelle: Memnon335bc,  CC BY 3.0)
Zweitens veränderte sich die Kräfteverteilung der einzelnen ethnischen Gruppen in den böhmischen Ländern.

„Der Anteil der deutschsprachigen Bevölkerung sank, während jener der Tschechen stieg. In Böhmen und in Mähren stellten die Tschechen dann die Mehrheit, in Schlesien überwog aber die deutsche beziehungsweise teilweise die polnische Bevölkerung. Das war für die künftige Entwicklung sehr bedeutend, für das staatsrechtliche Programm, das die tschechischen Politiker im 19. Jahrhundert durchgesetzt haben. Die Bedeutung der Tschechen nahm also unabsichtlich zu.“

Im Laufe des Kriegs veränderte sich auch die öffentliche Meinung in Böhmen. Karl Albrecht von Bayern war zunächst mit Hoffnung begrüßt worden:

„Als die französisch-bayerische Armee in Böhmen ankam, mit Karl Albrecht und den französischen Marschällen an der Spitze, wollte der Bayer die Bevölkerung auf seine Seite ziehen. Es ging vor allem um den böhmischen Adel, aber auch um die restlichen Einwohner. Die Soldaten verhielten sich sehr rücksichtsvoll, sie bezahlten für alle Vorräte, die sie von den Einwohnern nahmen. Aber später, als sie in Prag belagert wurden und unter einem Mangel an Lebensmitteln und an Pferdefutter litten, wurde nach sehr drastischen Maßnahmen gegriffen. Damit haben die Soldaten der Koalition die Bevölkerung gegen sich aufgebracht.“

Theater kriegender Potentaten
Der Adel zögerte. Diejenigen Adeligen, die ihre Besitzungen in den böhmischen Ländern hatten, erkannten schließlich den Bayer als ihren Herrscher an. Jene aber, die auch anderswo in der Monarchie Güter besaßen oder am Hofe oder bei der Armee dienten, blieben Maria Theresia treu. Dann forderte die französische Führung hohe Steuerabgaben, und die Stimmung schlug um.

„Die Franzosen verlangten sechs Millionen Gulden. So hohe Steuern waren bis dahin noch nie gefordert worden. Das war der erste Moment, in dem die böhmischen Stände begriffen, dass sie nichts umsonst erhalten würden. Und der zweite war, als sich zeigte, dass Maria Theresia die Chance auf einen Sieg hat. Zu Anfang hatte kaum jemand geglaubt, dass sie sich gegen die Koalition wird wehren können.“

Krönung zur böhmischen Königin
Um die Jahreswende 1742/43 besetzte Maria Theresia Prag. Nun stellte sich für sie die Frage, wie sie sich gegenüber den böhmischen Ständen verhalten sollte, die zuvor ihren Gegner, Karl Albrecht von Bayern, unterstützt hatten.

„Es wurde ein Gerichtsverfahren eingeleitet. Das Urteil fiel aber sehr mild aus. Niemand wurde hingerichtet – im Unterschied etwa zum Vorgehen nach der Schlacht am Weißen Berg im Jahr 1620.“

Krönung zur böhmischen Königin – Versöhnung und Spannungen

In dieser Situation ließ sich Maria Theresia auch zur böhmischen Königin krönen. Die Krönung fand anlässlich ihres Geburtstags am 12. Mai 1743 statt:

„Die Krönung war eine Geste der Versöhnung mit den böhmischen Ständen. Sie demonstrierte aber gleichzeitig Maria Theresias Misstrauen gegenüber ihnen: Die ungarischen Adeligen, die nach Prag gekommen waren, erfuhren Ehrerweisungen. Dagegen mussten einige der böhmischen Adeligen auf ihren Gütern in der Provinz auf Gerichtsverfahren warten, oder sie wurden in Haft genommen.“

Maria Theresia
Mit der Zeit beruhigte sich die allgemeine Lage. Doch gewisse Spannungen zwischen der Königin und den böhmischen Standen blieben weiter bestehen.

„Und insbesondere herrschte bei den böhmischen Ständen ein Schuldgefühl gegenüber der Königin. Daher leisteten sie keinen starken Widerstand gegen die Reformen, die nach dem Krieg folgten und häufig die Rechte des Adels einschränkten.“

Als Maria Theresia im Frühling 1743 gekrönt wurde, herrschte weiterhin der Ausnahmezustand, sagt Eduard Maur.

„Prag war erst dabei, sich vom Krieg zu erholen. Nach der Bombardierung durch die österreichische Armee und zuvor durch die Franzosen war die Stadt zerstört. In einigen behördlichen Anordnungen stand sogar, man solle die Leichen von den Straßen räumen.“

Die Krönung war trotzdem wohl ein Spektakel. Maria Theresia zog über die Neustadt nach Prag ein. Der Tross durchquerte die Altstadt hinüber zur Kleinseite und zog dann hinauf auf die Prager Burg. Dort wurde die Herrscherin gekrönt. Allerdings nicht vom Prager Erzbischof, wie es üblich war. Der Erzbischof saß nämlich wegen seiner engen Zusammenarbeit mit den Franzosen auf seinem Sitz in der Provinz im Hausarrest. Seine Rolle übernahm der Bischof von Olomouc / Olmütz.

„Die Zeremonie verlief auf gleiche Weise wie bei früheren Krönungen, natürlich mit gewissen Abweichungen, die sich daraus ergaben, dass es sich um eine Frau handelte. Es folgten Feierlichkeiten, ein großer Ball, Besuche bei Adeligen, eine Opernaufführung, ein Besuch im Klementinum sowie Fahrten in die Provinz. Für Prag war dies eine große Show.“

Schulreform
Maria Theresia war nun also böhmische Königin. Doch bedeutete dies, dass sie auch zu bestimmten Zeiten in Prag war und von dort aus regiert hat?

„Nein. Sie saß in Wien. Im Gegenteil: Unter der Regierung von Maria Theresia wurde der Wiener Zentralismus stark gefestigt. Darauf zielten auch manche ihrer Reformen, vor allem die Verwaltungsreformen.“

Die Reformen wurden gleich nach dem Krieg eingeleitet. Dieser hatte die Schwächen der Monarchie aufgezeigt – unter anderem aufgrund der dezentralen Staatsverwaltung.

Was Maria Theresia unternommen hat, um diese Schwächen zu beseitigen, das erfahren Sie in der nächsten Folge unserer Serie. Dann stehen nämlich ihre Reformen im Mittelpunkt unseres Geschichtskapitels.