Modernes Gewand: Umbau der Prager Burg unter Maria Theresia

Palais Goltz-Kinski (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)

Es ist wohl die am häufigste fotografierte Sehenswürdigkeit in Prag: der Hradschin mit seinen hellen Fassaden, hinter denen die Türme des Veitsdoms emporragen. Noch Mitte des 18. Jahrhunderts sah die Prager Burg jedoch anders aus. Ihr heutiges Erscheinungsbild geht auf die Entwürfe des Wiener Hofarchitekten Nicolo Pacassi zurück. Kaiserin Maria Theresia beauftragte ihn mit einer gründlichen Umgestaltung der Residenz.

Vít Vlnas  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Unter der Regierung von Kaiserin Maria Theresia kam es zu mehreren Kriegen. Dies hatte auch Folgen für die Prager Burg, erzählt der Historiker Vít Vlnas.

„Während der Kriege wurde die Burg beschädigt. Bei der Belagerung Prags durch die preußische Armee beschoss die Artillerie von Břevnov aus das Areal. Bis heute gibt es in diesem Stadtteil die Straße Na bateriích, deren Name auf die Batterien der preußischen Artillerie zurückgeht. Durch den Beschuss wurden damals der Veitsdom und einige weitere Gebäude stark beschädigt. In die Instandsetzung musste deswegen beim Umbau der Burg viel investiert werden.“

Kaiserin Maria Theresia entschied sich Mitte der 1750er Jahre, das Burgareal umzubauen. Professor Vlnas:

Nicolo Pacassi  (Foto: Wolfgang Sauber,  CC BY-SA 3.0)
„Dies hing auch damit zusammen, dass zu der Zeit auf der Burg das sogenannte Theresianische Stift für adelige Damen eingerichtet wurde. Das Stift wurde in den Umbau des Burgareals miteinbezogen. Der Umbau dauerte fast 20 Jahre lang und wurde nach Entwürfen des damals beliebten Wiener Hofarchitekten Nicolo Pacassi durchgeführt. Die baulichen Änderungen waren umfangreich. Manche Kritiker haben Pacassi vorgeworfen, das Areal stilistisch zu sehr vereinheitlicht zu haben.“

Ehrenhof und Thronsaal

Die Kritiker sprachen Vlnas zufolge von einer „Kasernenarchitektur“. Dies könne man jedoch nicht so einfach behaupten, sagt der Historiker.

Matthias-Tor  (Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Pacassi war ein sehr raffinierter Architekt. Er hat die verschiedenen Baustile reflektiert, die es auf der Burg gab. So hat er beispielsweise das Matthias-Tor mit viel Rücksicht in den neuen Ehrenhof eingegliedert. Oft bildet Pacassis Umgestaltung nur eine Art äußerer Schale, unter der die Baustile aus den vergangenen Epochen weiterbestehen.“

Während des Umbaus wurde der heutige erste Burghof – der sogenannte „Ehrenhof“ – angelegt. Der Hradschin hatte bis dahin eher den Charakter einer Festung. Drumherum gab es etwa auch einen Wassergraben. Mit dem heutigen ersten Burghof erhielt die Residenz einen repräsentativen Charakter.

„Die damalige Gestalt vieler Räumlichkeiten ist im Grunde genommen bis heute erhalten. Nur an einigen Stellen wurden beim Umbau im 20. Jahrhundert Änderungen durchgeführt. Aber beispielsweise der Habsburger Saal oder der Thronsaal sehen heute so aus wie zu den Zeiten Maria Theresias.“

Diese Säle sind jedoch nur zu besonderen Gelegenheiten für die Öffentlichkeit zugänglich.

„Die Öffentlichkeit kennt die Repräsentationssäle aus den Fernsehnachrichten, wenn der Staatspräsident dort beispielsweise den Ministerpräsidenten tadelt, wie es vor kurzem der Fall war. Diese Szene hat sich gerade im Thronsaal abgespielt. Im Rahmen der Tage der offenen Tür oder bei anderen Gelegenheiten ist es aber auch möglich, sich diese Säle anzuschauen.“

Ein Damenstift mit Tradition

Das Theresianische Adlige Damenstift  (Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Das Theresianische Adlige Damenstift wurde im Renaissance-Palais Rosenberg untergebracht. Eröffnet wurde es 1755. Das Stift hatte eine soziale Funktion, sagt Vít Vlnas.

„Es sollte nicht verheirateten Damen, die aus bedeutenden Adelsfamilien stammten und ohne eigenes Verschulden in eine finanzielle Notlage geraten waren, ein würdiges Leben ermöglichen. Derartige Institutionen gab es auch in weiteren Ländern Europas. Die Frauen führten dort ein eher weltliches Leben. Sie durften zum Beispiel auch Bedienstete haben. Um in das Damenstift aufgenommen zu werden, mussten sie eine bestimmte Zahl an adeligen Vorfahren mütterlicherseits und väterlicherseits vorweisen können.“

Die Kaiserin knüpfte mit der Gründung dieser Institution an das Damenstift im St.-Georg-Kloster auf der Prager Burg an. Die Äbtissinnen des neuen Stifts waren immer Erzherzoginnen aus der Familie Habsburg. Sie hatten das Recht, die böhmischen Königinnen zu krönen. Zuvor hatte dieses Privileg eben bei den Äbtissinnen des St.-Georg-Klosters gelegen. Doch verbrachten die Frauen ihr ganzes Leben im Adligen Damenstift? Dazu Vít Vlnas:

„Die Frauen mussten nicht im Adligen Damenstift bleiben. Viele von ihnen verließen später das Stift, heirateten und gründeten Familien.“

Hat die Kaiserin selbst gestickt?

Silbergrabmal von Johannes Nepomuk im Veitsdom  (Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Noch ein weiterer Ort auf der Burg ist mit Maria Theresia eng verbunden: das Silbergrabmal von Johannes Nepomuk, das sich im Veitsdom befindet. Johannes Nepomuk wurde 1729 heiliggesprochen. Maria Theresias Vater, Kaiser Karl VI., beschloss, ein Reliquienaltar im Veitsdom aufstellen zu lassen. Der Wiener Hofarchitekt Joseph Emanuel Fischer von Erlach zeichnete den Entwurf. Das prächtige Grabmal selbst schuf der Wiener Goldschmied Johann Joseph Würth in den 1730er Jahren. Später wurden vier Silberfiguren daraufgesetzt, sie stellen Verschwiegenheit, Weisheit, Kraft und Gerechtigkeit dar. Und Maria Theresia stiftete 1771 einen roten Baldachin aus Damast für das Grabmal. Angeblich soll sie sogar selbst den Baldachin gestickt haben. Der Historiker:

„Dies stimmt nicht. Und mittlerweile ist der Baldachin auch einige Mal erneuert worden. Der heutige stammt von Anfang des 19. Jahrhunderts. Es ist ein Geschenk von Erzbischof Příchovský. Aber sonst hat Maria Theresia wie andere Damen aus der Familie Habsburg-Lothringen durchaus Stickereien angefertigt. Es wird erzählt, dass sie die Standarte für das Dragoner-Regiment de Ligne gestickt haben soll. Aber auch das ist nur eine Legende. Das Regiment der ,Bartlosen‘, wie es genannt wurde, soll angeblich den Österreichern in der Schlacht bei Kolín 1757 den Sieg gebracht haben. Eine dritte Legende spannt sich um das Gewand des Prager Jesuleins im Karmeliterkloster auf der Kleinseite, das Maria Theresia geschenkt haben soll. Demnach hat die Kaiserin das Gewand selbst gestickt. Eine weitere Legende erzählt, das Gewand sei aus Maria Theresias Brautkleid genäht worden. Ob das stimmt, wissen wir nicht.“

Palais Goltz-Kinski  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Maria Theresia hat also den großen Umbau der Prager Burg initiiert, der sein Erscheinungsbild bis heute prägt. Wo kann man in Prag aber noch Spuren aus Theresianischer Zeit finden? Professor Vlnas:

„Die meisten Spuren sind wirklich auf der Prager Burg. Sie war die offizielle Residenz der Kaiserin während ihrer Prag-Aufenthalte. Der Umbau der Burg hat die Herrscherin auch sehr interessiert. Dennoch bestehen in der Stadt weitere Bauten aus Theresianischer Zeit, sie gehen aber nicht direkt auf die Kaiserin zurück. Zu diesen Gebäuden gehören große Palais – wie das Palais Goltz-Kinski auf dem Altstädter Ring oder das Palais Silva-Tarrouca in der Straße Na příkopech. Schließlich gehört dazu ein ganzer Komplex von Palais in der Straße Hybernská. Dieser ist eine Art Epilog für die Palastbauten des Prager Barock.“