300 Jahre Maria Theresia: Reformen auf dem Lande
Der Name Maria Theresia steht für Reformen in der damaligen Habsburger Monarchie. Ein wichtiger Teil der Veränderungen betraf das Leben auf dem Land. So wurde der Boden in einem speziellen Kataster für Felder, dem Urbar verzeichnet. Neue Feldfrüchte wurden eingeführt. Und auch die Stellung der Untertanen änderte sich. Allerdings musste sich die Herrscherin auch mit einem Bauernaufstand in Böhmen auseinandersetzen.
Bevölkerungszuwachs und Verarmung
„Die böhmischen Länder erlebten seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges einen ständigen Bevölkerungszuwachs. Dieser wurde nur durch kleinere Krisen kurzfristig unterbrochen, wie zum Beispiel zwei Pest-Epidemien. In Folge der steigenden Einwohnerzahlen mangelte es aber spürbar an Lebensmitteln.“
Insbesondere im Jahr 1771/72 kam es in Böhmen zu einer großen Missernte und nachfolgend zu einer Hungersnot. Etwa 250.000 Menschen starben damals an Unterernährung. Das war etwa ein Zehntel der Bevölkerung.
„Mit dem Bevölkerungszuwachs stieg auch die Zahl der armen Menschen. Vor allem in den Bergen und den Vorgebirgen sank der Lebensstandard. Bis zu drei Viertel der Bevölkerung in einigen Regionen hatten keinen Boden oder nur ein kleines Grundstück. Das verschlimmerte die Lage noch zusätzlich.“
Tatsächlich stieß die gesamte Agrarverfassung an ihre Grenzen. Zwischen 1450 und 1650 hatte sich im östlichen Mitteleuropa und Osteuropa die sogenannte „Zweite Leibeigenschaft“ herausgebildet. Die Landbevölkerung musste Frondienste auf adligen Gütern leisten. Und sie war fast sklavenartig abhängig von der Obrigkeit. Dadurch fehlte eine treibende Kraft für die Modernisierung. Diese kam nun von der politischen Machtzentrale:Förderung der Landwirtschaft
„Der Staat bemühte sich auf zwei Ebenen, die landwirtschaftliche Produktion zu fördern. Erstens wurden neue Feldfrüchte eingeführt, vor allem Kartoffeln und Klee. Und zweitens wurden Maßnahmen ergriffen, um den Fortschritt im Agrarsektor zu fördern.“
Dazu war aber auch ein anderer Bauer als zuvor erforderlich, sagt Eduard Maur:
„Das heißt ein gebildeter Bauer, der zumindest eine elementare Ausbildung bekommen hat. Und zudem ein Bauer, der von der persönlichen Abhängigkeit befreit und an den Erträgen seiner Arbeit interessiert war. Aus diesen Bedürfnissen gingen also Reformen hervor, die die Stellung der Untertanen verändert und verbessert haben. Es gab eine ganze Reihe solcher Neuerungen.“Die erste war die Katasterreform, die eine genauere Vermessung des Bodens brachte. Zudem wurde der Grundbesitz der Gutsherren versteuert. Für die Untertanen blieben aber letztlich die Reformen auf halber Strecke stehen. Denn zu den Frondiensten kamen noch die hohen Steueransprüche des Staates.
„In den Memoiren einiger Bauern aus jener Zeit liest man zum Beispiel Beschwerden: Den Untertanen sei es unter Maria Theresia sehr schlecht gegangen, weil sowohl der Staat als auch die Obrigkeit von ihnen viel Geld gefordert hätten.“Frondienst und Bauernunruhen
Sehr unzufrieden waren die Untertanen mit den Frondiensten. Dies führte zunehmend zu Unruhen. Maria Theresia hatte mit ihren Reformen die Hoffnungen der Bauern geweckt, doch sie wurden enttäuscht. Denn die Kaiserin wollte nicht das Fronsystem an sich abschaffen, sondern nur die schlimmsten Ausschweifungen verhindern. Immerhin gab es Bemühungen, den Untertanen mehr Rechte am Boden zu gewähren.
„Dabei hat die Bauernbewegung in der Region von Teschen im Jahr 1767 eine wichtige Rolle gespielt. Im Laufe der Ermittlungen kam der Landrat von Troppau, Franz Anton Blanck, mit einem Vorschlag, der die spätere Entwicklung, vor allem in der Zeit Josephs II., vorzeichnete.“
Blanck schlug vor, das bisherige Fronsystem abzuschaffen, auch weil auf jedem Herrschaftsgebiet andere Regeln und Gepflogenheiten bestanden.„Stattdessen sollte ein neues System eingeführt werden. Dieses sollte auf den eigenen Erträgen der Bauern basieren. Der Frondienst wurde als wenig produktiv einer Kritik unterzogen, vor allem im Zusammenhang mit der Hungersnot der Jahre 1771/72. Die Hungersnot rief auch manche Revolten gegen die Frondienste hervor.“
Aus diesem Grund bemühte sich Maria Theresia in den 1770er Jahren, die Obrigkeiten dazu zu bewegen, neue Urbare nach einem einheitlichen Muster ausarbeiten zu lassen. Dies passierte aber nur schleppend, weil sich die Gutsherren dagegen wehrten. Sie behaupteten, der Staat habe kein Recht, in ihre privaten Beziehungen zu den Untertanen einzugreifen.
„Unter den Bauern verbreiteten sich Gerüchte darüber. Das führte 1775 zu einem großen Bauernaufstand. Böhmen hatte nie zuvor einen solchen Aufstand erlebt. Die rebellierenden Bauern zogen aus Ostböhmen bis nach Prag, wo sie aber gestoppt wurden. Während ihres Zugs plünderten sie die obrigkeitlichen Kanzleien und ließen Urkunden ausstellen, die bestätigten sollten, dass die Obrigkeit den Frondienst, die sogenannte Robot abschaffe.“
Der Aufstand wurde durch den Eingriff des Heeres unterdrückt. Er brach im Sommer aber erneut aus.„Die Form war nun viel wirkungsvoller. Die Untertanen verweigerten während der Erntezeit den Frondienst. Dadurch wurde der Widerstand des Adels gebrochen.“
Im August beziehungsweise im September 1775 erließ Maria Theresia das „Robot-Patent für Böhmen und Mähren“.
„Das Patent enttäuschte die Untertanen aber gewissermaßen. Es brachte zwar Erleichterungen, aber nur partielle. Die Untertanen wurden ihrem Besitz nach in elf Klassen gegliedert und ihre Frondienstleistungen dementsprechend festgelegt. Am meisten profitierten davon mittellose sowie reiche Bauern. Die mittlere Schicht errang hingegen kaum etwas. Dennoch war dieses Patent ein wichtiger Schritt hin zur Abschaffung der Leibeigenschaft, die dann Josef II. durchsetzte.“
Eine der bedeutendsten Herrscherinnen und Herrscher über die böhmischen Länder
Obwohl Maria Theresia mit ihren Reformen die Agrarverfassung noch nicht gekippt hat, hält Eduard Maur sie für eine der bedeutendsten Herrscherinnen und Herrscher über die böhmischen Länder.„Sie hat durch ihre Reformen die Entwicklung hierzulande stark vorangetrieben. Wichtig war, dass die Reformen wirklich alle Bevölkerungsschichten betroffen haben. Manchmal gingen die Umbildungen langsam voran und waren zu vorsichtig, aber sie bedeuteten einen Fortschritt in allen Bereichen des Lebens. Sie schufen die Voraussetzungen für die weitere Entwicklung.“
Gleichzeitig habe sich Maria Theresia nicht auf einen Machtkampf mit den böhmischen Ständen eingelassen, hebt Eduard Maur hervor.
„Sie wählte eine Taktik, die den offenen Konflikt vermieden hat. Dadurch hat sie die Nachhaltigkeit für ihre Reformen gesichert. Joseph II. setzte zwar tiefergreifende Neuerungen durch, diese führten aber zu großen Spannungen. Die Stände in den Ländern der Monarchie leisteten am Ende seiner Regierung offenen Widerstand gegen ihn. Er und sein Nachfolger, Leopold II., waren daher gezwungen, viele der Reformen wieder zurückzunehmen.“Hinsichtlich der böhmischen Länder gibt es noch ein Spezifikum in der Bewertung von Maria Theresia:
„Die tschechischen Historiker haben seit dem 19. Jahrhundert kritisch angemerkt, dass Maria Theresia die letzten Reste der staatlichen Eigenständigkeit Böhmens beseitigt hat. Sie schuf die Grundlage für eine Entwicklung, die zum Dualismus, zum österreichisch-ungarischen Ausgleich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte.“
Das heißt die führte zur österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, die letztlich auch an ihren ungelösten Nationalitätenproblemen scheiterte.