50.000 Kronen zur Premiere – 100 Jahre Lotterie
Lotto gespielt wird in Mitteleuropa schon seit dem 15. Jahrhundert, und auch in den böhmischen Ländern wurden schon unter den Habsburgern Lose gezogen. Nach der Gründung der Tschechoslowakei dauerte es nicht lange, bis die erste staatliche Lotterie ihren Betrieb aufnahm. Vor genau 100 Jahren war es soweit.
„Das war ein Betrag, den Bürger mit einem Durchschnittseinkommen in fünf bis zehn Jahren verdienten. Und das auch nur, wenn sie ihren ganzen Lohn aufsparten. Dafür konnte man sich zum Beispiel ein gut ausgestattetes Einfamilienhaus mit vier Zimmern leisten.“
Das Los kostete 200 Kronen – für manche Berufsgruppen ein ganzer Monatslohn. Um auch Geringverdienern die Teilnahme zu ermöglichen, wurde die Ziehung in fünf Klassen aufgeteilt, auch Viertel- und Achtellose waren im Angebot. Der junge Staat hatte ein klares Ziel im Auge. Im Gesetzestext von damals heißt es, es sei das Ziel, „den Staat davor zu schützen, dass im Ausland gespielt wird, und ihm außerdem eine gewisse Einnahmequelle zu gewähren“.
Das gelang. Schon im ersten Jahr machte der Staat einen Gewinn von fast zwei Millionen Kronen, sieben Jahre später war es schon zwanzig Mal soviel. Ein staatliches Lotteriemonopol gab es nicht, sagt Martin Jemelka:„Es überrascht vielleicht, aber auch die Tschechoslowakische Hussitische Kirche veranstaltete häufig Lotterien. Von den Gewinnen finanzierten sie den Bau ihrer Gotteshäuser, der Hus-Gemeinden.“
Neben den offiziellen Lotterien wurde allerdings weiterhin auch illegal gezockt.
„Blütezeit war zunächst einmal nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dann während der Wirtschaftskrise. Das Glücksspiel war ein Zuverdienst oder sogar das eigentliche Einkommen und diente außerdem dazu, die Zeit totzuschlagen. Die Gendarmerie jagte Arbeitslose in den Vorstädten der Industriemetropolen auseinander, die zum Beispiel den ganzen Tag nur Karten spielten.“
Die Tschechoslowakische Klassenlotterie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen, doch ein langes Leben war ihr nicht beschieden. Nach der Machtübernahme der Kommunisten übernahm zunächst der Staat die bestehenden Lottoagenturen. Simona Fischerová ist Pressesprecherin beim Wettbüro Sazka:
„Zum definitiven Ende der Lotterie kam es 1953, und zwar als die Zuteilung per Lebensmittelkarten abgeschafft wurde. Das Finanzministerium beschloss, zeitgleich mit der Währungsreform am ersten Juni 1953 auch die Lotterie abzuschaffen. Die letzte Ziehung fand am 15. Juni 1953 statt.“Vier Jahre später, im Jahr 1957 nahm schließlich das neue staatliche Wettbüro Sazka seine Arbeit auf. Die Gewinne flossen in die staatliche Sportförderung. Nach der Samtenen Revolution wurde Sazka 1993 als Privatunternehmen neugegründet. Am beliebtesten ist bis heute die „Sportka“-Wette nach dem System 6 aus 49. Pro Woche geben Tschechen dafür fast 100 Millionen Kronen (knapp 4 Millionen Euro) aus.