Verzockt? Immer mehr Spielhallen in Tschechien schließen, während der Online-Markt boomt

Immer mehr Kasinos und Spielhallen in Tschechien schließen. Einer der Gründe: Gegen die Online-Glücksspielangebote können sich die Spielhöllen nicht mehr durchsetzen. Nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen sich aber die Einrichtungen in Grenznähe zu Deutschland und Österreich.

In Tschechien gibt es immer weniger Spielautomaten und Kasinos. 800 sind es laut Angaben des Zolls aktuell – zehn Prozent weniger als vor zehn Jahren. Ein Grund für den Wandel ist unter anderem ein Gesetz aus dem Jahr 2017. Seitdem können Städte und Gemeinden das Glücksspiel verbieten. 700 Orte sind diesen Schritt gegangen. Zudem wurden nach der Umsetzung der Novelle Spielautomaten aus Bars und Restaurants verbannt.

Viktor Mravčík | Foto: Matěj Skalický,  Tschechischer Rundfunk

Dem Adiktologen Viktor Mravčík zufolge hat das Gesetz einen Beitrag dazu geleistet, dass es aktuell in Tschechien weniger Spielsüchtige gibt:

„Die Zahlen sind in der letzten Zeit stabil. Wir gehen von knapp einer halben Million Menschen aus, die ein problematisches Spielverhalten haben. Bei 100.000 Spielern sprechen wir von einem extrem hohen Suchtrisiko.“

Einen Anteil daran, dass immer mehr Spielhallen ihre Türen schließen, haben auch die Angebote im Internet. Die sind nämlich in der Vergangenheit nur so aus dem Boden geschossen. Laut Suchtforscher Mravčík gibt es in Tschechien immer mehr Menschen, die ihr Spielverhalten online nicht unter Kontrolle haben. Einige Politiker fordern deswegen, die tschechische Rechtsprechung anzupassen. Das entsprechende Gesetz müsse konkret um die Online-Dienste erweitert werden, heißt es. Schließlich sei das Glücksspiel zuhause am Rechner womöglich noch riskanter als das in der Spielhalle, warnt Gabriela Krušinová, Sprecherin des Finanzministeriums. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte sie:

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„Der neue Entwurf für die Novelle wurde auf Grundlage der Empfehlungen von Suchtforschern erstellt. Darin wird nach der jeweiligen Schädlichkeit der Spiele unterschieden. Und von den Glücksspielen im Internet geht ein höheres Risiko aus als von den Spielhallen und Kasinos.“

Laut dem Finanzministerium werden Vertreter der Regierungsparteien in den nächsten Tagen zusammenkommen, um über den Entwurf zu sprechen und eine Gesetzesänderung in die Wege zu leiten.

Obwohl es in Tschechien immer weniger Spielhallen und Kasinos gibt, sind die Steuereinnahmen aus das Glücksspiel im vergangenen Jahr gestiegen. 17 Milliarden Kronen (727 Millionen Euro) flossen in die Staatskasse – ein Drittel mehr als noch 2021. Ein Teil des Erlöses kommt auch den jeweiligen Gemeinden zugute. Radka Vladyková leitet den tschechischen Städte- und Gemeindebund und erläutert, wie die Verteilung funktioniert:

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„Die Mittel aus der Glücksspielsteuer werden durch einen Umverteilungsmechanismus vergeben. Wenn eine Stadt oder Gemeinde Kasinos oder Spielhallen nicht durch eine Verfügung verboten hat und es vor Ort eine solche Einrichtung gibt, dann fließt eine gewisse Summe in den Haushalt.“

Konkret erhalten Orte mit Spielautomaten 65 Prozent der jeweiligen Steuereinnahmen. Bei allen anderen Arten von Glücksspiel liegt der Anteil bei 30 Prozent.

Jaroslava Kypetová aber etwa hält den derzeitigen Umverteilungsschlüssel für ungerecht. Sie leitet das Finanzreferat am Magistrat der Stadt Dobřany / Dobrzan in Westböhmen:

„Von den 17 Milliarden Kronen, die im vergangenen Jahr insgesamt eingenommen wurden, stammten 10 Milliarden aus dem Automatenspiel. Davon gingen also 6,5 Milliarden an die jeweiligen Gemeinden. Dies waren aber nur 270 Orte. Das zeigt, dass sehr wenige Gemeinden sehr viel Geld bekommen.“

Einige Ortschaften, die teils nicht einmal mehr 1000 Einwohner haben, konnten daher richtig absahnen – so wie Chvalovice / Kallendorf in Südmähren. Aus den Glücksspieleinnahmen kassierte die Gemeinde im vergangenen Jahr 240 Millionen Kronen (10 Millionen Euro). Ähnliche Zahlen wurden auch aus Česká Kubice / Böhmisch Kubitzen gemeldet. Ein Plus von 160 Millionen Kronen (6,8 Millionen Euro) konnte man dort wegen der Steuereinnahmen zusätzlich im Haushalt verzeichnen.

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Dass gerade diese beiden Orte so sehr vom Glücksspiel profitieren, hängt mit ihrer Lage zusammen. Sie grenzen nämlich unmittelbar an Österreich beziehungsweise Deutschland und werden so zum Ziel von Glücksjägern aus den beiden Nachbarländern.

Der Bürgermeister des erwähnten Chvalovice, Robert Vaněk (parteilos), macht aber darauf aufmerksam, dass der Betrieb der Spielhallen im Ortsteil Hatě nicht nur Vorteile bringe:

„Unsere Gemeinde kümmert sich um den gesamten Betrieb von Hatě, das heißt etwa die Instandhaltung der Straßen oder die Beleuchtung. Die Spielhallen bringen auch Kriminalität mit sich, es kommt dort oft zu Ordnungswidrigkeiten. Wir mussten deshalb eine private Sicherheitsfirma beauftragen. Man kann nur froh sein, dass dieser Teil der Gemeinde nicht mitten im Ort liegt.“

Dem Geographen David Fiedor von der Palacký-Universität in Olomouc / Olmütz zufolge sind es dann auch diese grenznahen Dörfer, in denen in Zukunft trotz des wachsenden Online-Angebots vorerst wohl keine Spielhölle schließen wird:

„Diese recht kleinen Gemeinden profitieren von ihrer Nähe zu Deutschland und Österreich. Sie zielen auf die Kunden aus dem Ausland ab. Aber auch in Großstädten, in denen sich die Spieler anonym fühlen, gibt es weiterhin viele Spielhallen. Hinzu kommen touristische Zentren, in denen die Anbieter die Reisenden ins Visier nehmen.“

Autoren: Ferdinand Hauser , Pávová Lucie , Anna Horáčková
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