Aus den Straßen, aus dem Sinn? Online-Spielsüchtige werden immer jünger

Foto: Barbora Němcová

Die einarmigen Banditen verstummen langsam in Tschechien, doch im Internet boomt das Glückspiel. Dadurch ändert sich aber auch das Profil der Süchtigen: Sie werden immer jünger.

Foto: Barbora Němcová
Ein Café an einer der Prager Hauptstraßen: Durch die großen Fenster fällt viel Licht auf die Tische, die Menschen trinken ihren Cappuccino, reden, lachen und sind gut gelaunt. Das war aber nicht immer so an dieser Stelle. Noch vor wenigen Monaten waren die Scheiben des Etablissements verdunkelt, und der Zutritt war Minderjährigen untersagt. Zu hören waren nicht die dampfenden Kaffeemaschinen, sondern das Klingeln von Spielautomaten.

Seit Anfang des Jahres geht die tschechische Hauptstadt gegen Spielotheken vor. Die Bezirke verlängern die Lizenzen nicht mehr, die Spielhöllen müssen nach und nach schließen. Wo diese früher noch das Stadtbild bestimmten, befinden sich jetzt Cafés, Restaurants, Boutiquen und vieles mehr. Nur Casinos sind ausgenommen, diese genehmigt nicht die Stadt, sondern direkt das Finanzministerium.

Renata Hladná  (Foto: Archiv von Renata Hladná)
Doch die Verbannung der Automatenspelunken aus der Stadt hat Nebenwirkungen: Das Glücksspiel zieht ins Internet um, wird dadurch unsichtbar und entzieht sich mehr und mehr der Kontrolle.

Der Wandel der Spielsucht ist am Montag auch Thema einer Konferenz in Prag, die vom Ausschuss für Drogenpolitik bei der tschechischen Regierung organisiert wird. Dort diskutieren Experten über nötige Gesetze zur Spielsuchtprävention und neue Behandlungsmethoden. Renata Hladná vom Ausschuss erklärt, warum das Problem so brennend ist:

„Akut von der Spielsucht bedroht sind zurzeit rund 400.000 Tschechen. Tatsächlich abhängig sind rund 100.000 Menschen. Was ins Auge fällt: Ambulant behandeln lassen sich pro Jahr in etwa 1400 bis 2000 von ihnen, was nur ein Bruchteil der Spielsüchtigen ist. Das liegt auch daran, dass wir in Tschechien nur 10 bis 20 Einrichtungen haben, die sich um Menschen mit problematischem Spielverhalten kümmern.“

Foto: Kristýna Maková  (Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Eine neue alarmierende Entwicklung zeigt die jüngste Europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD) des Instituts für Therapieforschung mit Sitz in München. Demnach werden die Glücksspieler immer jünger in ganz Europa, also auch in Tschechien. Europaweit haben rund zwölf Prozent der 16-jährigen jungen Männer schon einmal im Netz gezockt oder sich wenigstens ein Lotterielos gekauft.

Tschechien liegt dabei leicht unter dem europäischen Durchschnitt. Das bestätigt unter anderem der Koordinator der tschechischen Antidrogenpolitik, Jindřich Vobořil:

„Im Schnitt beginnen die jungen Menschen heute um einige Jahre früher mit dem Glücksspiel, als die vorhergehenden Generationen. Bei den heute Sechzehnjährigen sind es rund rund Prozent, die schon Erfahrungen mit dem Spielen gemacht haben. Bei den Siebzehnjährigen sogar um die 30 Prozent.“

Jindřich Vobořil  (Foto: ČT24)
Besorgt zeigt sich Vobořil auch über die Zahl der Unter-16-jährigen, die ihr Glück beim Internetglücksspiel versucht haben. Um die sieben Prozent seien es, so der Experte. Die Kinder erschlichen sich den Zugang zu den Web-Casinos meist über volljährige Freunde. Bei illegalen Online-Spielhöllen schere sich sowieso niemand um Kontrollen, fügt Vobořil noch hinzu.

Die Hoffnung der Fachleute liegt vorerst im neuen Glücksspielgesetz, das Anfang kommenden Jahres in Kraft tritt. Vor allem das Zocken im Internet soll dadurch besser kontrolliert werden können. Was es aber tatsächlich bringt, wird sich erst zeigen.