Abschied: Nach fast 75 Jahren sendet Radio Prag nicht mehr auf Kurzwelle

Radio Prag strahlte am 31. Januar 2011 sein halbstündiges Programm letztmalig über die Kurzwelle aus. Für uns ein Anlass, Sie auch ein letztes Mal auf einer Meterband-Frequenz in die fast 75-jährige Kurzwellen-Geschichte von Radio Prag mitzunehmen.

Liebe Hörerinnen und Hörer, es fällt auch mir nicht leicht, Ihnen ein letztes Mal den Eindruck von echter Radio-Atmosphäre zu vermitteln, wenn Sie uns jetzt gerade auf einer unserer Kurzwellen-Frequenzen im 41- oder 49-Meter-Band empfangen. Das konnte mein ehemaliger Kollege Josef Danes weitaus besser, wenn er Ihnen in seiner alle zwei Wochen ausgestrahlten Sendereihe, dem damaligen Medienmagazin, das wahre Feeling einer DXer-Sendung vermittelt hat. Das war bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts der Fall, als unsere Sendungen noch auf Band produziert wurden. Und genau aus diesem Grund gibt es leider keinen Tonträger mehr davon, weil das mit Bändern überhäufte Rundfunkarchiv seinerzeit nur noch „historisch wertvolle“ Aufnahmen konservierte. Die digitale Technik und das Internet haben die Archivierung im letzten Jahrzehnt allerdings regelrecht revolutioniert. Und so bin ich beim Suchen in den Annalen auch auf das erste Hörerforum im Jahr 2006 gestoßen, in dem mein ehemaliger Kollege Thomas Kirschner auch diesen Hörerbrief zitieren ließ:

Walter Aurazda aus Wittenberg bittet uns um Informationsmaterial zu Radio Prag und schreibt dazu: "Ich bin gerade dabei, eine kleine Ausstellung über europäische Kurzwellensender in unserem Schaufenster vorzubereiten. Da darf natürlich Radio Prag nicht fehlen!"

Unter den europäischen Kurzwellensendern darf Radio Prag nicht fehlen – eine Aussage, die fast sieben Jahrzehnte lang nahezu unantastbar war. Denn bis auf sechs Jahre erzwungenen Schweigens in der dunklen Zeit des Protektorats Böhmen und Mähren hat Radio Prag sein Programm knapp 75 Jahre auf der Kurzwelle ausgestrahlt. Der langjährige Mitarbeiter von Radio Prag, der weltweit anerkannte Kurzwellen-Experte Oldřich Číp, weiß auch über die Anfänge unseres Senders gut Bescheid:

„Radio Prag ist also verhältnismäßig spät in die Annalen des Senders Podebrady eingetreten, erst mehr als zehn Jahre nach Aufnahme des Telegraphie-Betriebs, und zwar im 1936. Ein Rundfunk-Sender ist hier im Jahre 1935 installiert worden, und der regelmäßige Betrieb wurde genau um 10 Uhr vormittags Ortszeit am 31. August 1936 aufgenommen.“

In der ehemaligen Tschechoslowakei durchlebte unser Sender alle politischen Schwankungen und Erdbeben, besonders in der Ära des Kommunismus von 1948 bis 1989. Zur Zeit des Prager Frühlings war durch die Lockerungen vieles einfacher. Aber auch im Jahr 1968 gab es Einschränkungen, wie uns der ehemalige Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Prag, Bedřich Utitz, schilderte:

„Es gab nach wie vor die HSZD. Das war eine Zensurbehörde, von der jeder Artikel, jede Nachricht, kurzum alles kontrolliert werden musste. Wir hatten da aber auch ein bisschen Glück, denn die Leute, die dort arbeiteten, konnte man immer wieder mit irgendwelchen Argumenten davon überzeugen, dass dies und jenes nicht so ist, wie sie es sich denken, sondern eben ganz anders. Letztendlich gaben sie oft mit den Worten nach: Na ja, wahrscheinlich ist es so. Man hat also die Einschränkungen zu spüren bekommen, sie waren allerdings nicht so markant.“

Bedřich Utitz
Die Zensur und andere inhaltliche Einschränkungen gehören seit über 20 Jahren zum Glück der Vergangenheit an. Dafür muss Radio Prag nun sowohl den wirtschaftlichen Zwängen als auch der rasanten Entwicklung im medialen Bereich Rechnung tragen. Die Kurzwelle muss bei uns nun Satellit und vor allem dem Internet vollends weichen. Wir zählen aber weiter auf Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, und hoffen, dass Sie uns auch über die modernen Kommunikationssysteme verbunden bleiben. Wie unser Hörer Hermann Heyne-Pietschmann aus Erfurt, der uns vor fünf Jahren diese Verse schrieb:

2005 tanzt den letzten Tanz,

der Radiohörer zieht Bilanz:

sehr oft war er auf Weltempfang,

was ihm wohl meistens gut gelang.

Auch 2006 möchte er nichts missen

und legt sich nicht auf´s Ruhekissen,

sondern hört Radio Prag stets aufs Neue -

das nennt man eben Radiotreue!

Bleiben Sie uns, bleiben Sie Radio Prag auch 2011 treu!