„Alles wird anders“ – Live-Dokumentation im Archa Theater
1968 – Mythen und Klischees haften an dieser Jahreszahl. Im Westen beginnt der legendäre „Summer of Love“. Jugendliche begehren gegen ihre Eltern auf. In der damaligen Tschechoslowakei dagegen rollen sowjetischen Panzer ein. Der Frühling ist zu Ende. Die tschechische Bevölkerung wird unterdrückt. Diese sehr unterschiedlichen Sichtweisen auf dieselbe Zeit hat der deutsche Regisseur Thorsten Trimpop auf die Bühne gebracht. Eva Schermutzki war bei der tschechischen Premiere im Prager „Theater Archa“ dabei.
„Auf dem Weg nach Hause haben wir zum ersten Mal die Stimme von Dylan gehört. „How does it feel to be on your own, with no direction home.“ Das hieß: Kein Weg mehr zurück in diese alte bürgerliche Welt.”, erzählen Jutta Winkelmann und Gisela Getty. Zwillingsschwestern, 68er-Ikonen.
1972 geht das Zwillingspaar nach Rom. Künstler und exotische Freunde scharen sich um die Schwestern. Sie experimentieren mit Drogen und wollen die Liebe in die Welt bringen. Vaclav Trojan, - 1945 in Prag geboren - ist im Prager Frühling politisch aktiv. Auch er macht eine Reise. Die Grenzöffnung ermöglicht ihm einen Besuch in Berlin. Er will Rudi Dutschke treffen.
„Bevor ich nach Berlin kam, hatte ich “Das rote Buch” von Mao Tse-tung gelesen. Für mich und meine Freunde war es nur ein weiteres Beispiel für wirklich dumme Propaganda im Stil marxistisch-leninistischer Doktrin. Umso mehr überraschte es mich, dass Rudi Dutschke die propagandistischen Teile dieses Buches einfach ignorierte.“
Der deutsche Regisseur Thorsten Trimpop beleuchtet in seinem Stück „Alles wird anders“ die Erinnerungen von vier Protagonisten: Die Zwillinge Jutta und Gisela aus Deutschland, Vaclav Trojan und sein Freund Ivan Hartl aus Tschechien. Ein Blick auf beide Seiten des eisernen Vorhangs. Ein normales Theaterstück ist „Alles wird anders“ aber nicht, wie Regisseur Trimpop erklärt:
„Das, was ich beabsichtigt habe, ist die Live-Montage eines Dokumentarfilms. Ich habe wie im Film mit verschiedenen Materialien gearbeitet. Mit Texten die die Darsteller sprechen, mit Tonmaterial, mit Filmmaterial. Das Stück besteht aus Fragmenten, weniger aus einer durchlaufenden Geschichte. Aus Fragmenten entsteht ein Gesamtbild von vier Leben.“
Die Idee für ein 68er-Stück kam vom Theater Kampnagel in Hamburg. Als Thorsten Trimpop dann bei einigen Bieren in Prag zufällig auf Vaclav Trojan traf, war der Faden aufgenommen. Seine Geschichte und die Erlebnisse der wilden Zwillinge gaben das Material.
„Die Zwillinge fand ich interessant, weil sie so gnadenlos narzisstisch sind. Sie hatten keinen politischen Ansatz, sondern sind einem ganz persönlichen Befreiungsgedanken nachgegangen. Der Kontrast zwischen diesen beiden Geschichten hat mich am meisten interessiert.“
„Alles wird anders“ ist am Dienstag noch einmal im Theater Archa in Prag zu sehen. Weitere Vorstellungen in Brünn folgen.