Als erste auf dem Gipfel: Tschechische Bergsteiger erklimmen Chumbu im Himalaya
Er liegt nur wenige Kilometer vom Mount Everest entfernt, und doch wurde der Berg bis Ende vergangenen Jahres noch nie bestiegen: der fast 7000 Meter hohe Gipfel des Chumbu im Himalaja. Vier tschechische Bergsteiger haben nun die Erstbesteigung gewagt – mit Erfolg. Radio Prag International hat mit drei der Expeditionsteilnehmer gesprochen und dabei auch danach gefragt, ob und wie man sich im Riesengebirge, der Heimat der Sportler, auf die höchsten Gipfel der Welt vorbereiten kann.
Einer der vier tschechischen Bergsteiger, die Ende Oktober vergangenen Jahres den Chumbu bestiegen haben, ist Radoslav „Radar“ Groh:
„Der Chumbu war noch unbestiegen – das ist natürlich immer verlockend für einen Bergsteiger. Jaroslav Bánský und Zdeněk ‚Háček‘ Hák sind bei ihrer Erstbesteigung des Kangchung Shar auf den Gipfel aufmerksam geworden. Petr und mich haben die beiden dann ins Boot geholt, um unser Glück an diesem 6896 Meter hohen Berg zu versuchen.“
Zur Höhe des Chumbu liegen dabei unterschiedliche Informationen vor, zumeist wird sie mit 6859 Metern angegeben. Das tschechische Team hat den Gipfel zwar als erstes erreicht, schon früher hätte es aber Versuche von französischen und japanischen Bergsteigern gegeben, schildert Petr „Kejklas“ Kejklíček im Interview für Radio Prag International:
„Sie haben damals versucht, über den Kamm, den wir zum Abstieg genutzt haben, den Gipfel zu erreichen. Aber schon allein dort herunterzukommen, war sehr anspruchsvoll. Das wird wohl auch der Grund gewesen sein, warum sie beim Aufstieg aufgeben mussten. Es ist verrückt, dass dieser Berg so nah am Everest und den anderen bekannten Gipfeln liegt, aber bisher komplett unbeachtet geblieben ist und nie wieder jemand einen Aufstieg versucht hat. Ich denke, wir haben nun ganz gute Arbeit geleistet.“
Auch Jaroslav „Banán“ Bánský hat den Gipfel des Berges erreicht. Auf die Frage, ob die Expedition denn gefährlich gewesen sei, winkt er ab:
„Wir hatten riesiges Glück mit dem Wetter. Schon die Vorhersage zeigte uns, dass die nächsten Tage echt gut werden und ideale Bedingungen für unseren Aufstieg herrschen. Dahingehend drohte also keine Gefahr. In Sachen Schnee war das schon anders. Er war nicht sonderlich fest, sodass wir uns darin nicht sichern konnten. Einen Teil der Wand musste deshalb jeder von uns solo klettern.“
Schwierige Kooperation mit den Sherpas
Bevor die vier Bergsteiger aus dem Riesengebirge den Chumbu bezwingen konnten, galt es nicht nur, sich körperlich vorzubereiten. Nötig war auch die Absprache mit den Behörden vor Ort in Nepal, berichtet Radoslav Groh:
„Wenn man eine Erstbesteigung eines Berges plant, muss man zunächst mit dem Tourismusministerium in Kontakt treten. Gegen eine Gebühr wird dann ein Permit ausgestellt. Uns wurde zudem ein Liaison officer zugeteilt, der uns bei unserem Vorhaben am Berg kontrolliert hat.“
Nicht immer leicht war laut Kejklíček die Zusammenarbeit mit den Sherpas:
„Wir wissen bereits von früheren Expeditionen, dass man viel verhandeln und um Kompromisse ringen muss. Wenn die Sherpas nicht mehr weitergehen wollen, muss man etwas draufzahlen. Am Chumbu ist uns passiert, dass die Sherpas behaupteten, es hätte noch nie ein Basislager in 5000 Metern gegeben. Jaroslav, Radar und ich haben sie überreden können, wir mussten dafür aber auch eine Menge der Last selber tragen. Die Kooperation mit den Sherpas war also nicht immer einfach.“
Auch wenn der Aufstieg an sich dann weitestgehend problemlos verlief – einen Wehrmutstropfen gab es. Denn eigentlich sollte das Team nicht zu viert auf dem Gipfel stehen, sondern zu fünft. Dazwischengekommen sei am Ende aber eine Infektion mit dem Denguefieber, erzählt Groh:
„Juraj Koreň ist einer der führenden Bergsteiger und Gleitschirm-Bergsteiger der Slowakei. Wir waren eigentlich davon ausgegangen, dass er an der Wand die Lösung auf einige zentrale Probleme kennen könnte. Leider wurde er aber schwer krank. Wir waren dann sehr froh, dass Juraj mit dem Hubschrauber gerettet werden konnte. Es war schade, aber umso mehr waren wir entschlossen, den Chumbu zu bezwingen.“
Und das taten die verbliebenen vier dann auch. Das Gefühl, schließlich auf dem Gipfel zu stehen, sei das Highlight der Expedition gewesen, schwärmt Jaroslav Bánský. Dabei hätten die vier Bergsteiger auf der Spitze des Chumbu eine ganz spezielle Tradition fortgesetzt…
„Radar hat ein besonderes Ritual. Er betritt nie den höchsten Punkt des Berges, sondern bleibt immer etwas darunter – und wenn es nur ein Meter ist. Dadurch will er dem Berg die Ehre erweisen. Er weiß ja, er könnte hinaufgehen. Wir haben das auf dem Chumbu alle so gehandhabt und den höchsten Punkt nicht betreten.“
Ein Objekt, das den Aufstieg der vier Tschechen belegt, hätte man dabei nicht auf dem Gipfel zurückgelassen:
„Das würde ich eher als Verunreinigung des Berges sehen. Das Gipfelfoto und die Spuren im Schnee sind alles, was unseren Aufstieg beweist“, sagt Bánský.
Auf ein „pivo“ in Kathmandu
Nach der Freude über das Bezwingen des Gipfels stand der Abstieg beziehungsweise das Abseilen bevor. Auch dies gelang dann weitestgehend problemlos – von einigen Erfrierungen einmal abgesehen.
Vor dem Rückflug konnten sich die vier Bergsteiger noch mit einem tschechischen Bier belohnen. Denn in Kathmandu wurde mittlerweile eine Kneipe eröffnet, in der es nicht nur echtes „pivo“ sondern auch den klassischen tschechischen panierten Käse, den „smažák“, gibt. Hinter dem Projekt steckt Jan Trávníček, den Radoslav Groh vorstellt:
„Jan Trávníček ist ein wichtiger tschechischer Himalaja-Kenner. Er hat mehrere Besteigungen von Achttausendern hinter sich und kennt sich in Nepal sehr gut aus. In den Bergen des Himalaja bietet er geführte Wanderungen und Besteigungen an.“
Der Kneipe sollte jeder einen Besuch abstatten, meint Groh:
„Das ist ein Treffpunkt aller Bergsteiger und Reisenden aus Tschechien. Es kommen dort aber nicht nur Tschechen zusammen, sondern Himalaja-Besucher aus ganz Europa, die sich dort kennenlernen.“
Das Riesengebirge als Trainigsort
Was die Gipfelstürmer des Chumbu eint, ist nicht nur ihre Entschlossenheit, ihre körperliche Fitness und ihre Abenteuerlust – es ist auch ihre Herkunft, denn alle vier stammen sie aus dem Riesengebirge. Eigentlich würden sie nur auf den höchsten Bergen der Welt herumklettern, um dann nach Hause zu kommen und einmal mehr festzustellen, wie schön doch das Riesengebirge sei, merkt Groh an. Auch Kejklíček schwärmt über seine Heimat:
„Es gibt hier viele schöne Hügel, man kann Ski fahren oder Skitouren gehen und klettern. Wir lieben das Riesengebirge, es ist ein Teil unseres Herzens. Wir kommen nun einmal von hier.“
Dem Gebirge sind die vier Tschechen auch professionell eng verbunden, berichtet Kejklíček weiter:
„Jaroslav und Radar gehören zum Team der Bergwacht. Banán arbeitet im Winter auch noch auf der Skipiste.“
Darüber hinaus eigne sich die Gegend gut zur Vorbereitung auf Himalaja-Expeditionen, meint Bánský:
„Auf dem Sandstein können wir sehr gut unsere Moral trainieren, die wir bei den Expeditionen brauchen. Diese Art Felsen ist nämlich nicht übermäßig gesichert. Im Sommer können wir dort beim Klettern also gut an unserer inneren Einstellung arbeiten.“
Und auch Groh bestätigt, dass die Gegend ein guter Trainingsort sei:
„Das Riesengebirge kommt nicht so nah an die Stratosphäre heran wie der Himalaja. Aber was hier an Höhenmetern fehlt, macht das Gebirge durch unzählige Felsformationen in der unmittelbaren Umgebung wett.“
Aber ganz ohne die gewisse Portion Adrenalin auf dem Dach der Welt wollen die drei Bergsteiger auch künftig nicht auskommen. Bei dem Aufstieg auf den Chumbu hätte man so manch anderen schönen Gipfel im Himalaja erblickt, mögliche Routen erspäht und erste Pläne geschmiedet, schildern die drei, ohne dabei konkreter werden zu wollen.