Alt-Außenminister Genscher trifft Prager Schüler

Hans-Dietrich Genscher mit Prager Schülern

Am vergangenen Freitag war der ehemalige deutsche Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher in der deutschen Botschaft in Prag zu Besuch. Vom Balkon der Botschaft aus hatte er am 30. September ´89 den DDR-Flüchtlingen verkündet, dass ihre Ausreise genehmigt sei. Eingeladen waren zu diesem Treffen auch 30 Abiturienten des Geburtsjahrgangs 1989, die verschiedene Prager Gymnasien mit besonderem Schwerpunkt Deutsch besuchen.

Hans-Dietrich Genscher mit Prager Schülern
Prag, September 1989: Tausende DDR-Bürger flüchten in die Botschaft der Bundesrepublik, der Botschaftsgarten gleicht einem Flüchtlingslager. Bis Außenminister Genscher vom Balkon aus verkündet, dass die Ausreise der mehr als 3000 Ostdeutschen in den Westen möglich geworden ist. Zur Erinnerung an jene dramatischen Tage wurde nun in der deutschen Botschaft im Prager Palais Lobkowicz der ARD-Dokumentarfilm „Fluchtpunkt Prag“ gezeigt, den sich Genscher gemeinsam mit geladenen Gästen und Schülern ansah.

Der Film weckte Erinnerungen. Auch in Genscher. In seiner anschließenden Rede sprach der Ex-Außenminister darüber, was ihm vom Abend des 30. September 1989 besonders im Gedächtnis geblieben ist:

„Als ich die Treppe in der Botschaft hochgekommen bin, musste ich über Menschen steigen, die auf den Treppen geschlafen haben. Sie waren sehr apathisch, ihre Hoffnung war an einem Nullpunkt angelangt. Viele haben mich gar nicht erkannt als ich hochging, weil sie damit gar nicht gerechnet hatten. Diese Menschen – ob es nun dreieinhalb oder viertausend Flüchtlinge waren, keiner wusste das so ganz genau - haben im Grunde genommen Geschichte geschrieben: sie haben nämlich der Mauer den ersten Schlag versetzt.“

Deutsche Botschaft in Prag
Die Geschehnisse im Spätsommer und Herbst 1989 nennt Genscher „eine europäische Freiheitsrevolution“, und er lässt keinen Zweifel daran, dass für ihn die Mauer vom Osten her zum Einsturz gebracht wurde. Rückblickend resümiert er:

„Ich glaube, dass sich in diesem 20. Jahrhundert, das hinter uns liegt, mit zwei Weltkriegen, mit schrecklichen Erfahrungen, die Menschen in Europa nie so nahe waren wie in diesem Herbst 1989. Und das müssen wir in unseren Herzen bewahren und auch an unsere Kinder weitergeben. Europa wird es gut gehen, wenn wir uns immer so nahe sind, wie wir es uns 1989 waren - dann können wir dieses Schicksal übergeben.“

Auch die diesjährigen Abiturienten vom Thomas Mann Gymnasium, im Jahr des Umbruchs 1989 geboren, zeigten sich beeindruckt von der Persönlichkeit Hans-Dietrich Genschers. Sie hoben besonders hervor, dass Herr Genscher ein sehr charismatischer Mensch sei, den vor allem sein Erzähltalent auszeichne.

Erzähltalent kann man Genscher gewiss nicht absprechen - genauso wenig wie seinen Anteil am Gelingen der deutschen Wiedervereinigung.