Ex-Botschafter Huber vor zehn Jahren über das Flüchtlingsdrama 1989
Anlässlich des Jahrestags haben wir für das Tonarchiv auf einer Kassette eine Aufnahme zum Flüchtlingsdrama an der Deutschen Botschaft gefunden. Es ist ein Gespräch mit Hermann Huber, der 1989 der bundesdeutsche Botschafter in Prag war. Das Gespräch hat Radio Prag anlässlich des zehnjährigen Jahrestags geführt.
Hermann Huber war Ende Dezember 1988 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der damaligen kommunistischen Tschechoslowakei geworden. Zum zweiten Mal übrigens, 1968 hatte er schon einmal die diplomatische Vertretung des Landes in Prag geleitet.
„Der große Flüchtlingsstrom fing eigentlich erst am 17. August an“, erinnert sich Huber 1999 in dem damaligen Gespräch für Radio Prag.
Hermann Huber wurde zwei Tage später aus dem Urlaub zurückgeholt. Wieder zwei Tage später„Am 21. August, ich weiß es noch ziemlich genau, waren 123 Menschen da. Da haben wir gemerkt, dass dieses Problem größere, andere Dimensionen bekommen hat und wir haben uns entsprechend dann auch eingerichtet. Das heißt, wir haben Zelte bestellt und Lebensmittel in großem Umfang. Und wir hörten von den Flüchtlingen, die kamen, dass wir uns auf eine größere Welle einzustellen hätten. Sie sagten, in der DDR werde befürchtet, dass der 40. Jahrestag der Staatsgründung – der 7. Oktober – Anlass sein könnte, auch die Grenzen zur Tschechoslowakei zu schließen.“
Die Tschechoslowakei war damals das einzige Land, in das DDR-Bürger noch frei reisen durften. Die Zahl der Flüchtlinge in der bundesdeutschen Botschaft wuchs, der Herbst begann und die Lage wurde immer angespannter. Als der damalige Außenminister Genscher nach Prag kam, war die Botschaft von den Büroräumen bis in den letzten Winkel des Gartens voll gestopft mit Menschen, insgesamt waren es rund 3500.
„Die Verhandlungen verliefen im Wesentlichen am Rande der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Da hat Genscher den Durchbruch erzielt. Das war zwischen dem 27. und 30. September“, so Huber.Am 30. September 1989 verkündete Genscher, dass die Botschaftsflüchtlinge ausreisen dürfen. Die Flüchtlingswelle ebbte aber erst ab, als die DDR am 5. Oktober tatsächlich die Visumpflicht für die Tschechoslowakei einführte. Doch es gab noch ein Nachspiel, das wenig bekannt ist: eine Art vorzeitiger Mauerfall. Hermann Huber schildert es so:
„Am 1. November hat die DDR den Visumszwang wieder abgeschafft, die Grenzen wurden wieder aufgemacht. Und von dem Tag an fuhren wieder Tausende von Leuten einfach nach Prag, und stiegen dort in den Zug. Sie bekamen von der Botschaft auch noch eine Fahrkarte und konnten ganz gewöhnlich in die Bundesrepublik reisen, ohne Papiere der DDR, einfach so.“