Analyse zum tschechischen WM-Aus: Mehrere Spieler waren nicht topfit
Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland rücken die Entscheidungen über die Endspielteilnehmer und den neuen Titelträger immer näher. Am Sonntagabend standen bereits vier Viertelfinalisten fest, am Montag und Dienstag werden die restlichen vier gesucht und gefunden. Unter den Gesuchten allerdings ist die Tschechische Republik nicht mehr vertreten, da sie nach einem Sieg und zwei Niederlagen schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten musste. Lothar Martin hat für Radio Prag alle drei WM-Begegnungen der Tschechen mitverfolgt. Er ist nach dem frühen Aus der Nedved & Co. auch wieder zurück in Prag und nun bei mir hier im Studio.
"Ja, da wäre zunächst die Verletzungsmisere zu nennen, die sich wie ein roter Faden durch die aus tschechischer Sicht verkorkste WM zog. Vladimir Smicer und Milan Baros hatten sich schon vor der WM verletzt, Jan Koller kam nach dem Auftaktspiel gegen die USA noch hinzu. Und diese drei Stammspieler konnten in ihrer Qualität nie vollwertig ersetzt werden. Auswahltrainer Karel Brückner führte als weiteren Grund die zu vielen Undisziplinierten im Team an, die u. a. zu den zwei roten Karten geführt haben. Aber meiner Meinung nach kamen diese Undiszipliniertheiten nicht von ungefähr, da gleich mehrere Spieler physisch wie psychisch nicht topfit und damit nicht WM-reif waren. Auch dadurch wurden die unnötigen Fouls meiner Ansicht nach erst heraufbeschworen. Und mir gefiel auch Trainer Brückners Taktik nicht, die für mich die Taktik eines Zauderers war. Nur mit einem Stürmer zu spielen, geht nur gut, wenn es wie in der ersten Halbzeit des Auftaktspiels gegen die USA Jan Koller ist. Schon in der zweiten Halbzeit, als für den verletzten Koller Vratislav Lokvenc stürmte, war zu sehen, dass dadurch die Abstände zwischen Angriffsspitze und Mittelfeld zu groß waren, da man nicht schnell genug nachrückte bzw. Lokvenc auch kaum Bälle sichern konnte. Tschechien spielte bei der WM mit einem System, das vorher kaum trainiert wurde."
Apropos Verletzungen, mittlerweile kommen Meinungen auf, dass Koller und Baros bei einer besseren, weil auf neuesten Erkenntnissen beruhenden Behandlung hätten schon im letzten Gruppenspiel wieder dabei bzw. belastbarer sein können. Wie siehst Du das?
"Ja, darüber wird jetzt viel gesprochen und spekuliert. Ich kann das nicht beurteilen, ich bin kein Arzt, aber ganz offensichtlich war die medizinische Abteilung der tschechischen Mannschaft mit den Ärzten Dr. Petr Krejci und Dr. Jiri Fousek nicht auf dem allerneuesten Stand und damit auch nicht WM-reif. Man hat zwar die Hilfe deutscher Ärzte aus Dortmund und Köln zu Rate gezogen, dabei aber zumindest im Fall Koller mit dem Verabreichen einer Cortisonspritze keine glückliche Entscheidung getroffen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass dem tschechischen Team sogar von noch von weiter auswärts, nämlich in Person von Dr. Pascal Breitenreiter aus Luxemburg, Hilfe bei der beschleunigten Heilung von Baros und Koller angeboten wurde. Er hatte sich an unsere Redaktion gewandt mit dem Wunsch, einen Kontakt zu den tschechischen Teamärzten herstellen zu können, den wir ihm auch verschaffen konnten. Doch leider, so habe ich inzwischen erfahren, hat man von tschechischer Seite dankend auf die Hilfe des Osteopathen aus Luxemburg verzichtet. Und das ist schade."Die WM-Endrunde geht also nun seit dem Achtelfinale ohne die Tschechen weiter. Wer hat denn nun für dich die größten Chancen auf die Finalteilnahme bzw. auf den Weltmeistertitel?
"Man sagt ja immer: Am Ende gewinnen stets die Teams, die nicht zu früh all ihre Karten aufdecken bzw. ihr Pulver verschießen. Demnach müsste die Endspielpaarung wohl Brasilien - Italien heißen. Aber ich glaube, dass Italien sich nicht durchmogeln kann. Dafür wird die deutsche Mannschaft, die nicht nur gut spielt, sondern von einer Welle der Begeisterung getragen wird, bis ins Endspiel vordringen. Wenn es dann zu einer Neuauflage des WM-Finals von 2002 kommen wird, dann ist diesmal alles möglich."