Antidiskriminierungsgesetz vor der letzten Abstimmung
Eine der Bedingungen, unter der Tschechien im Mai 2004 der Europäischen Union beitrat, war die Harmonisierung seiner Legislative mit EU-Recht. In einem Punkt ist diese Auflage bis heute nicht erfüllt: Ein Antidiskriminierungsgesetz gibt es in Tschechien bisher nicht. Das wird sich jedoch möglicherweise schon bald ändern. Silja Schultheis berichtet.
Mehr als fünf Jahre ist es her, dass die Europäische Union ihre Mitgliedstaaten aufgefordert hat, bis Juli 2003 eine gesetzliche Grundlage gegen Diskriminierung aufgrund der Rasse, ethnischen Herkunft, Religion etc. zu schaffen. In Deutschland zieht sich die Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes hin, in diesem Frühjahr verurteilte der Europäische Gerichtshof die Bundesrepublik wegen der Verzögerung. Auch Tschechien könnte bald eine ähnliche Klage drohen, wenn nicht innerhalb kurzer Zeit die europäische Antidiskriminierungslinie umgesetzt wird, warnte kürzlich der tschechische Justizminister Pavel Nemec.
Eine entsprechende Gesetzesvorlage liegt dem Abgeordnetenhaus jetzt zur Abstimmung vor. Die sozialdemokratische Abgeordnete Anna Curdova, Vorsitzende des Gleichstellungsrates der Tschechischen Regierung, hat den Weg dafür mitgeebnet und zählt zu den entschiedenen Befürwortern des Gesetzesentwurfs:
"Im Wesentlichen sollen in diesem Gesetz alle Bestimmungen gegen Diskriminierung und alle Gleichheitsgrundsätze, die gegenwärtig auf die unterschiedlichsten Gesetze verteilt sind, zusammengefasst werden. Damit soll Diskriminierung in Tschechien künftig durch ein einheitliches Gesetz geregelt werden."
Im Einzelnen soll das Antidiskriminierungsgesetz etwa gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung, Gesundheitsversorgung und sozialen Rechten gewährleisten - ohne Unterschied des Alters, Geschlechts, der ethnischen Herkunft, sexuellen Orientierung, Religion, Sprache etc.
Das Gesetz liegt dem Abgeordnetenhaus jetzt bereits zum zweiten Mal vor, in der ersten Lesung hatte der Rechtsausschuss Einwände geltend gemacht. Anna Curdova:
"Die Einwände bezogen sich auf die sog. Diskriminierungsgründe. Im Einzelnen hat der Rechtsausschuss gefordert, Schwangerschaft und Mutterschaft nicht als Gründe mit in das Gesetz aufzunehmen, obwohl genau das die Motive sind, aus denen Frauen heute bei uns am häufigsten diskriminiert werden."
Auch die EU empfehle eine gesonderte Erwähnung von Schwangeren und Müttern in der Antidiskriminierungslegislative, so Curdova. Eine letzte Abstimmung über das Gesetz, das sich nicht zuletzt viele Vertreter der Roma-Minderheit in Tschechien sehnlich herbei wünschen, wird in diesen Tagen im Abgeordnetenhaus erwartet.