„Antisemitismus gilt in Tschechien als etwas Primitives“

zm3.jpg

Die tschechische Gesellschaft ist auch weiterhin verhältnismäßig sehr judenfreundlich eingestellt. Dass geht aus dem Bericht über den Stand des Antisemitismus in Tschechien hervor. Den Bericht, der alljährlich von Freiwilligen zusammengestellt wird, veröffentlichte die Prager jüdische Gemeinde am Mittwoch. Anlass war die bevorstehende Veranstaltung „Mit Kultur gegen Antisemitismus“.

Foto: Teplitzer jüdische Gemeinde
Die vorwiegend positive Beziehung der tschechischen Gesellschaft zu den Juden sei durch die Popularität des ehemaligen Premiers Jan Fischer bestätigt worden, heißt es in dem jüngsten Bericht über Antisemitismus in Tschechien. Den Politiker, der sich offen zum Judentum bekannte, hat sich dem Bericht zufolge die Mehrheit der tschechischen Bevölkerung als Staatsoberhaupt gewünscht. Die eher judenfreundliche Haltung der tschechischen Bevölkerung wurde auch bei den vom Institut Stem durchgeführten Umfragen belegt. Der Vorsitzende der Prager jüdischen Gemeinde František Bányai bezeichnet dies als eine gute Visitenkarte des tschechischen Staats:

František Bányai
„Der Antisemitismus wird in der Gesellschaft für etwas Unkultiviertes und Primitives gehalten und ist unakzeptabel. Es ist angenehmen, dies festzustellen.“

Die jüdische Gemeinde verzeichnete im vergangenen Jahr insgesamt 47 Fälle von antisemitischen Texten und Vandalismus. Es sei zu keinen physischen Übergriffen gekommen, so Bányai. Die Mehrheit der antijüdischen Proklamationen sei im Internet aufgetaucht. Zudem wurde in fünf Fällen jüdisches Eigentum beschädigt.

„Der größte Zwischenfall spielte sich vor knapp einem Jahr auf dem jüdischen Friedhof in Přistoupim in Mittelböhmen ab, wo wiederholt an die 80 Grabmäler beschädigt und einige davon mit Hakenkreuzen beschmiert wurden. In Tschechien wurden aber in letzter Zeit auf nichtjüdischen Friedhöfen Gräber beschädigt. Kann sein, dass es sich bei einigen Übergriffen um reinen Vandalismus handelt.“

Jüdischer Friedhof in Přistoupim  (Foto: Cesty a památky / Wege und Denkmäler)
Die Situation in Tschechien, was den Antisemitismus anbelangt, unterscheidet sind Bányai zufolge bedeutend von den Trends in einigen anderen Ländern Europas. Er würdigte die Tatsache, dass sich in Tschechien mehrere christliche Organisationen im Kampf gegen Antisemitismus engagieren. Zu ihnen gehört auch die tschechische Zweigstelle der „Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem“. Die unter der Abkürzung ICEJ bekannte Organisation wird von Christen verschiedener Glaubensbekenntnisse unterstützt. Am kommenden Sonntag veranstaltet sie unter dem Motto „Mit Kultur gegen Antisemitismus“ im Prager Waldstein-Garten eine Versammlung mit Konzerten und Vorträgen. Die ICEJ organisiert zudem - wie ihr Leiter Mojmír Kallus informierte - eine Spendensammlung zugunsten eines Seniorenheims für Holocaustüberlebende in Haifa:

„Internationale Christliche Botschaft Jerusalem“
„Das Geld ist für das größte Projekt, das unsere Mutterorganisation in Israel betreut, bestimmt. Das Projekt ist überwiegend von deutschen Christen getragen. Es handelt sich um ein Seniorenheim für Holocaustüberlebende. Ein Gebäude steht schon, und es leben dort 80 Menschen. Es wird jetzt ein zweites Haus erbaut. Wir haben uns entschlossen, auch den tschechischen Bürgern die Möglichkeit zu bieten, an diesem Projekt teilzunehmen. Die Spendensammlung ist über das ganze Jahr geöffnet. Im Waldstein-Garten wird man am Sonntag auch zu dieser Sammlung beitragen.“