Tag der Schoah: In Prag wurde vor Antisemitismus gewarnt
In Prag wurde am Sonntag bei einer Gedenkveranstaltung der Opfer des Holocaust gedacht und vor der Gefahr des Antisemitismus gewarnt. Anlass für die Aktion war der Tag der Schoah.
Hunderte von Menschen nahmen am sogenannten „Marsch des guten Willens“ teil. Vom Prager Altstädter Ring führte er durch Josefov / Josefstadt über eine Moldau-Brücke in den Waldstein-Garten. Dort erreichte die Veranstaltung ihren Höhepunkt. Die Aktion findet seit Jahren um den Tag der Schoah herum statt. Dieser fällt nach dem hebräischen Kalender auf den 27. Tag des Monats Nissan, der im Jahr 1943 dem 19. April entsprach. Damals brach der Aufstand im Warschauer Ghetto aus. Im Hebräischen heißt der Gedenktag Yom ha-Shoah we-ha-Gwura, das heißt der Tag der Schoah und des Heldentums.
An der Versammlung im Waldstein-Garten nahmen Politiker, die israelische Botschafterin Anna Azari sowie Vertreter von jüdischen und christlichen Organisationen teil. Gastgeber war der Senat des tschechischen Parlaments. Der Vizepräsident der Parlamentskammer, Jiří Drahoš (parteilos), begrüßte zu Beginn die Teilnehmer. Er erinnerte an die Holocaust-Opfer und sagte:
„Damals siegten Gewalt und Ideologie, aufgrund derer im Rahmen einer systematischen Verfolgung über sechs Millionen Menschen ermordet worden sind. Genau darum ist es notwendig, die Menschen angesichts aller Formen des Übels, des Fremdenhasses und nationalistischer Demagogie wachzurütteln. Ich bin überzeugt, dass wir uns – insbesondere in Anbetracht der brutalen russischen Aggression gegen die Ukraine – dieser Gefahren bewusst sind und wir uns ihnen entgegen stellen. Als zivilisiertes Europa werden wir nicht zulassen, dass sich die Geschichte wiederholt.“
Auch der Direktor des Prager jüdischen Museums, Leo Pavlát, brachte die Überzeugung zum Ausdruck, dass es in der heutigen Welt viele Menschen gibt, die sich gegen den Judenhass stellen.
„Es ist ganz egal, welcher Religion diese Menschen sind oder ob sie dazu durch reine Humanität bewegt werden. Wir treffen hier in einer jüdisch-christlichen Gemeinschaft zusammen. Von uns zeugen unsere Taten. Also lassen Sie uns bei der Arbeit wieder zusammentreffen! Ich danke allen, die gekommen sind, und bin froh, dass ich hier sein konnte.“
Während der Veranstaltung wurde ein Videogespräch mit einer Holocaust-Überlebenden, der Künstlerin Helga Hošková Weissová, gezeigt. Sie erzählte zu Beginn:
„Ich erinnere mich genau an den Tag, als ich in der vierten Klasse das Zeugnis abholte. Damals wusste ich schon, dass ich nach den Ferien nicht mehr in die Schule zurückkehren darf. Meine Mutter wartete auf mich. Ich weinte und sie versuchte mich zu trösten und sagte: ,Weine nicht, sonst denken die Leute, dass du schlechte Noten hast.‘“
Helga Hošková Weissová war zwölf Jahre alt, als sie 1941 mit ihren Eltern ins KZ Theresienstadt geschickt wurde. Dort schrieb sie ein Tagebuch, das sie um Illustrationen ergänzte. Nach der Rückkehr aus dem KZ Ausschwitz fügte sie Zeichnungen von dort hinzu. Helga Hošková Weissová wurde später zu einer renommierten Künstlerin, deren Werke in der ganzen Welt gezeigt wurden. An der Versammlung am Sonntag nahm sie auch mit ihren jüngsten Nachkommen teil.
Die Veranstaltung „Mit Kultur gegen Antisemitismus“ wurde von der tschechischen Zweigstelle der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem organisiert. Mojmír Kallus leitet die Zweigstelle. Das folgende Gespräch entstand zum Abschluss der Versammlung:
Herr Kallus, Sie erinnerten in Ihrer Ansprache daran, dass sich der Antisemitismus in der Welt während der vergangenen Jahre verändert hat. Das Projekt gegen Judenhass wurde schon vor 20 Jahren ins Leben gerufen….
„Schon damals waren wir davon überzeugt, dass man sich gegen den Antisemitismus stellen muss und dass er noch nicht verschwunden ist. Leider verzeichnen wir einen Zuwachs von antisemitischen Ausschreitungen insbesondere in Europa. Es kommt zu verbalen sowie physischen Angriffen gegen Juden. Was uns aber auch Sorgen macht, ist der institutionelle Antisemitismus, der gegen den jüdischen Staat gerichtet ist. Zu nennen sind beispielsweise Aufrufe zum Boykott israelischer Waren. Darum sind wir der Meinung, dass wir uns weiterhin gegen alle Formen des Antisemitismus stellen müssen. Das war auch der Sinn des Projektes.“
Was stand diesmal im Fokus der Veranstaltung?
„Genauso wie in den vergangenen Jahren haben wir die Geschichte einer Holocaust-Überlebenden vorgestellt. Diesmal war es die Künstlerin Helga Weissová Hošková, die mit zwölf Jahren nach Theresienstadt verschleppt wurde. Dort zeichnete sie das, was sie sah. Wir haben uns ihre Erinnerungen angehört. Darüber hinaus beteiligten sich weitere Mitglieder ihrer Familie an der Veranstaltung.“
Hatten Sie diesmal auch Teilnehmer aus dem Ausland zu der Veranstaltung eingeladen?
„Es waren rund 200 Jugendliche eingeladen, etwa 100 davon kamen aus Deutschland. Sie haben in den vergangenen Monaten an einem Bildungsprojekt teilgenommen, bei dem sie sich mit dem Thema ,Holocaust und die Kunst‘ auseinandergesetzt haben.“