Arbeitsanalyse: Tschechen arbeiten viel - aber wenig effektiv

In der tschechischen Tagespresse tauchten am Mittwoch gleich mehrere Artikel auf, die sich eingehend mit dem Arbeitsverhalten der Tschechen und der Entlohnung der tschechischen Arbeitnehmer befassten. Mit einem dieser interessanten Gesichtspunkte setzt sich Lothar Martin in seinem folgenden Beitrag auseinander.

Der Tscheche arbeitet viel, er schätzt die Arbeit und er versteht es, Urlaub zu machen. So wird uns in Kurzform die Charakteristik über das Arbeitsverhalten der hiesigen Beschäftigten in einem Artikel der Tageszeitung "Lidové noviny" beschrieben, der am 14. Mai veröffentlicht wurde. Der Soziologe und Pädagoge der Fakultät für Sozialwissenschaften, Pavel Kuchar, teilt uns darin u.a. mit, dass die Tschechen einerseits ein arbeitsames Volk seien, andererseits aber die berechtigte Frage erlaubt sei, in welchem Maß es sich dabei um eine effektive Arbeit handelt. Einer Studie aus dem Jahr 1999 zufolge arbeitet der in einem festem Arbeitsverhältnis stehende Tscheche durchschnittlich 45 Stunden die Woche. Damit liegt er um mehr als zehn Prozent über der gesetzlich festgelegten Arbeitszeit von 40 Wochenstunden. Aber, so Kuchar, in dieser Bilanz schlagen vor allem die Unternehmer stark zu Buche, denen diese Arbeitszeit nur ein müdes Lächeln kostet. Sie bleiben klar darüber, während Lehrer, Arbeiter in technischen Berufen und solche, die Routinearbeiten durchführen sich an jener Untergrenze bewegen. Dafür hätten fünf Prozent der Bürger gar ein zweites Arbeitsverhältnis, dem sie sich durchschnittlich 15 Stunden die Woche widmen, hieß es.

Aus dieser Statistik sei aber nur bedingt herauszufiltern, wie viele Stunden Zeit sich die Tschechen ihrer eigentlichen Arbeit tatsächlich, sprich: effektiv widmen. Denn, so führt die Autorin an, nicht wenige Arbeitnehmer nutzen ihren Aufenthalt am Arbeitsplatz auch zu anderen Dingen - Telefonaten mit Familienangehörigen, der E-Mail-Korrespondenz mit Freunden und Bekannten oder aber zu Computerspielen. Diese Dinge seien nicht von der Hand zu weisen, auch wenn es die Beamten, Lehrer und technischen Angestellten sind, die die vorgeschriebene Arbeitszeit von 40 Stunden strikt einhalten. Andere wiederum überziehen gern die Mittagspause oder werden freitags nach dem Mittag so gut wie nicht mehr gesehen.

Dann fängt für viele bereits das Wochenende und damit auch die Freizeit an. Zwischen 73 und 75 Prozent der hiesigen Beschäftigten reichen jährlich auch ihren gesetzlich gesicherten Urlaub von mindestens 20 Tagen ein. Dabei wächst die Vorliebe für den so genannten zweigeteilten Urlaub: eine Woche im Winter sowie 10 und mehr Arbeitstage im Sommer. Aufgrund der auf mittlerweile zehn Prozent angestiegenen Arbeitslosenquote genießt die Arbeit hierzulande inzwischen einen sehr hohen Stellenwert. Insgesamt sei daher auch die Zufriedenheit der Beschäftigten mit ihrer Arbeit seit der politischen Wende von 1989 gestiegen, schreibt das Blatt.