Tschechen machen niedrigere Arbeitsproduktivität durch längere Arbeitszeiten wett
In Tschechien wird im Schnitt länger gearbeitet als beispielsweise in anderen EU-Ländern oder auch Australien oder den USA. Trotzdem liegt die Arbeitsproduktivität mit hierzulande 62 Prozent in etwa auf demselben Niveau oder sogar unter jenem der anderen Länder, wie eine vom Produktivitätsberatungsunternehmen Czipin & Proudfoot Consulting durchgeführte Studie ergab. Sandra Dudek berichtet im heutigen Wirtschaftsmagazin über die wichtigsten Ergebnisse:
"Zum Ergebnis: Global gesehen, das heißt im Schnitt dieser 10 Länder, werden 85 Arbeitstage pro Jahr nicht produktiv verwendet. 85 Tage entsprechen 38 Prozent Arbeitszeit, die nicht produktiv, nicht wertschöpfend eingesetzt wird, das sind zwei Tage weniger als noch vor einem Jahr. Und nur zur Erinnerung: 1994, als wir die Studie das erste Mal gemacht haben, war der Anteil der unproduktiven Zeiten 51 Prozent."
Obwohl die Arbeitsproduktivität in den letzten Jahren also bereits erheblich gestiegen ist, liegt sie mit durchschnittlich 62 Prozent immer noch weit unter jenen 85 Prozent, die von Experten als optimal angesehen werden. Keines der untersuchten Länder erreicht übrigens diesen Wert auch nur annähernd: Am höchsten ist die Arbeitsproduktivität mit 64 Prozent in den USA und Deutschland, am niedrigsten in Ungarn, wo sie bei 59 Prozent liegt. Die Tschechische Republik entspricht mit 62 Prozent Arbeitsproduktivität genau dem Durchschnitt. Anders sieht dies bei der Länge der Arbeitszeiten aus: Hier liegt Tschechien mit 1.906 Arbeitsstunden pro Beschäftigten und Jahr international an der Spitze. Das bedeutet also, dass die Tschechen jährlich in etwa 1.900 Stunden arbeiten und damit eine Arbeitsproduktivität von 62 Prozent erreichen. Im Vergleich dazu weisen die Deutschen mit jährlich rund 1.440 Stunden die geringste Arbeitszeit auf - mit 64 Prozent aber auch gleichzeitig die höchste Arbeitsproduktivität.
Aus der Gegenüberstellung von Arbeitsproduktivität und Arbeitszeitlänge werden die bezahlten, aber nicht wertschöpfend eingesetzten Arbeitstage errechnet - eine für Unternehmen interessante Zahl, da unter anderem dadurch vorhandene Potenziale für bessere Unternehmensergebnisse aufgezeigt werden. Wie das Ergebnis dieser Gegenüberstellung in Tschechien aussieht, erläutert Klaus D. Harrer von Czipin & Proudfoot Consulting:"Wenn man sozusagen dann über die Stunden rechnet, die verloren sind und wenn man die über einen 7stündigen Arbeitstag umrechnet, dann kommt man trotzdem noch immer auf 103 verlorene Arbeitstage pro Mitarbeiter und Jahr im Schnitt, was noch immer eine gewaltige Anzahl an sich ist."
Dieses Potenzial der noch nicht ausgeschöpften Arbeitstage kombiniert mit den langen Arbeitszeiten ergeben eine gute Basis für die weitere Entwicklung der Produktivität in Tschechien. Außerdem ist das Land durch das geringere Lohnniveau für Auslandsinvestitionen besonders attraktiv.
Welche Gründe nun für die allgemein niedrige Arbeitsproduktivität verantwortlich sind, hat das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Gallup in einer ergänzenden Umfrage unter 925 Spitzenmanagern in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten erhoben. Dabei wurden im Wesentlichen sechs Faktoren festgestellt. Dazu zählen: Unzureichende Managementplanung und -kontrolle, ungenügende Aufsicht, ineffiziente Kommunikation, eine schlechte Arbeitsmoral, unzureichende Qualifikation und Probleme mit der Internet-Technologie. Zu deren Gewichtung meint Klaus D. Harrer:
"Wir sehen bei den unteren beiden Kategorien, nämlich fehlende oder nicht angemessene Aufsicht als auch fehlende Managementplanung und -kontrolle werden also über 70 Prozent der Hindernisse für Produktivität gesehen."Dem gegenüber steht die Selbsteinschätzung der Manager, die behaupten, in etwa 70 Prozent ihrer Zeit der strategischen Führung, Planung und Kontrolle zu widmen. Klaus D. Harrer dazu:
"Wenn die 70 Prozent Schwächen bei Aufsicht und Führung genannt werden, dann bedeutet das nicht, der Herr Direktor, sondern das bedeutet, der Betriebsleiter und der Schichtleiter und der Abteilungsleiter sind schwach."
Die weiteren vier Kategorien werden laut Gallup-Umfrage nicht als so große Hemmschwellen der Arbeitsproduktivität gesehen, wie Klaus D. Harrer weiter ausführt:
"Das heißt also, Arbeitsmoral, Kommunikation, IT-Probleme oder Qualifikationsniveau werden kaum als Probleme, die die Produktivität nachteilig beeinflussen, angesehen."
Dies gilt zwar international, nicht jedoch auch in Tschechien: Während die tschechischen Manager die Meinung teilen, dass zu zwei Drittel unzureichende Managementplanung und -kontrolle sowie ungenügende Aufsicht für die geringe Arbeitsproduktivität verantwortlich sind, ist der Grundtenor bei den anderen Faktoren nicht ganz so einhellig. So sehen die Tschechen kaum ein Problem in ineffizienter Kommunikation. In Deutschland dagegen führen knapp die Hälfte der Manager die geringe Arbeitsproduktivität auf Kommunikationsprobleme zurück. Auch wird die unzureichende Qualifikation in Tschechien nicht für die ungenutzte Arbeitszeit verantwortlich gemacht. In Österreich zum Beispiel glaubt dies aber ein Drittel der Manager.
Die produktivsten Manager sind laut Studie die Amerikaner. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Arbeitsproduktivität hilft ihnen, diese ständig zu verbessern. Im Gegensatz dazu verlassen sich die tschechischen Manager gerne auf die Fähigkeiten ihrer Untergebenen. Durch die längeren Arbeitszeiten liegt Tschechien dennoch im Mittelfeld der Arbeitsproduktivität. Und genau darin liegt ein großes Potenzial: Effizienter genutzte Arbeitsstunden könnten die Arbeitsproduktivität der Tschechischen Republik maßgeblich erhöhen. Und damit einen zusätzlichen Anreiz für Auslandsinvestoren bieten.