Arbeitsplatz Bundestag: Junge Tschechinnen und Tschechen in der deutschen Volksvertretung
Im deutschsprachigen Programm von Radio Prag geht es nun weiter mit einer neuen Ausgabe des Magazins "Schauplatz". Dazu begeben wir uns diesmal ausnahmsweise in die deutsche Hauptstadt Berlin. Denn im deutschen Bundestag arbeiten zurzeit, meist abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit, fast hundert ausländische Praktikanten - darunter auch vier aus Tschechien. Zwei von ihnen hat Gerald Schubert im Bundestag besucht:
Transparent will der Bundestag aber nicht durch die Architektur seines Gebäudes sein. Der Dialog mit der Öffentlichkeit findet auf vielfältige Arten statt. Etwa durch die Parlamentspraktika, die jungen Menschen aus dem Ausland die Möglichkeit geben, das parlamentarische System Deutschlands aus nächster Nähe kennen zu lernen. Einer, der das Praktikum gerade absolviert, ist der Tscheche Matej Husek:
"Dieses Programm heißt Internationales Parlamentspraktikum. Es nehmen insgesamt 93 Leute aus 18 Ländern teil. Dabei geht es darum, einfach die Vorgänge im Deutschen Bundestag kennen zu lernen. Die meisten Leute, die hier sind, haben schon einen Universitätsabschluss, einige auch schon Berufserfahrung. Und das hier ist - sagen wir - "Demokratieexport" vonseiten Deutschlands."Matej ist 28. In Prag hat er bereits als Journalist bei einer Tageszeitung gearbeitet, zuvor studierte er Medienwissenschaft. Drei Semester lang war er auch an der Universität Heidelberg, als Student der Politologie und Soziologie. Seit März läuft nun das Parlamentspraktikum, an dem er teilnimmt. Begonnen hat dieses jedoch eigentlich nicht direkt in Berlin, sondern mit einer Reise durch Deutschland:
"Die ersten sechs Wochen sind so gestaltet, dass man verschiedene Seminare von parteinahen Stiftungen besucht. Diese sollen einen ersten Einblick in die parlamentarische Demokratie in Deutschland vermitteln. Und das ist eigentlich ziemlich schwierig. Denn es gibt hier wie gesagt 93 Leute aus verschiedenen Ländern. Sie haben verschiedene Bildung, verschiedene Uni-Abschlüsse. Also man muss eine gemeinsame Grundlage für alle schaffen, damit sich alle ein bisschen orientieren können in dem politischen System."
Eva Leicmanová aus Prag ist 26 Jahre alt. Sie hat in Wien ein Studium der Geschichte und Politikwissenschaft absolviert, nachdem sie in Prag bereits evangelische Theologie studiert hatte. Als Historikerin fand sie in den Eingangsseminaren vor allem die geschichtlichen Bezüge interessant:
"Die politischen Stiftungen haben sich darum bemüht, uns einen Einblick in das politische System Deutschlands zu vermitteln. Die Themen waren unterschiedlich, aber immer ging es um Politik, um politische Systeme, um Traditionen wie zum Beispiel den Liberalismus oder sozialdemokratische Traditionen in Deutschland. Es ging darum, wie sich diese Bewegungen entwickelt und dann in Parteien verwandelt haben."
Die Seminarteilnehmer waren also in den ersten Wochen in ganz Deutschland unterwegs und besuchten die erwähnten Stiftungen und verschiedene Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung. Wie ging es danach weiter? Eva Leicmanová:"Mitte April sind wir wieder zurück nach Berlin gekommen. Jetzt sind wir noch bis Ende Juli im Bundestag. Jeder von uns arbeitet in einem Abgeordnetenbüro. Viel hängt dabei von einem selber ab. Das heißt, wir haben die Möglichkeit, hier alle Ausschüsse, alle Plenarsitzungen und alle Sitzungen von Arbeitsgruppen zu besuchen. Natürlich können wir auch an den Fraktionssitzungen teilnehmen. Also eigentlich haben wir überall 'freien Eintritt'."
Welche konkreten Aufgaben haben die Mitglieder des Internationalen Parlamentspraktikums im Deutschen Bundestag? Dazu Matej Husek:
"Das ist ziemlich unterschiedlich. Einige Freunde von uns kochen Kaffee. Ich habe es besser, meine Arbeit ist ziemlich interessant. Ich habe sogar eine Rede für meine Abgeordnete geschrieben, beantworte einige Briefe, die an das Büro geschickt werden, mache Recherchen, fasse Gesetzesentwürfe zusammen usw."
Manche der Praktikanten haben also doch einen recht anspruchsvollen Aufgabenbereich. Um etwa die erwähnte Rede zu schreiben, hat Matej Husek eine Menge Material gesichtet. Welche Debatten wurden zu dem Thema bisher im Plenum geführt? Was schreibt die Fachpresse? Was gibt es sonst im Archiv des Bundestages? Die Vorbereitungen sind zeitaufwändig, die einzelnen Abgeordneten könnten sie unmöglich alleine bewältigen.
Für wen arbeitet Matej Husek? Und wie kommt ein Text eines jungen tschechischen Praktikanten dann schließlich vor das Plenum des Deutschen Bundestags?
"Ich arbeite bei der SPD-Abgeordneten Marga Elser. Und die Rede, die wurde selbstverständlich noch korrigiert. Also es ist nicht so, dass alles, was wir schreiben, gleich in die Welt hinausgeht."
Eva Leicmanová ist bei einer Abgeordneten tätig, die ganz besonders in den tschechisch-deutschen Beziehungen engagiert ist:
"Ich arbeite im Büro von Vizepräsidentin Antje Vollmer. Das Büro hat sich vorher schon Gedanken darüber gemacht, wo ich mithelfen könnte. In den ersten Wochen habe ich mich dann mit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds beschäftigt. Jetzt beschäftige ich mich mit einem Kulturverteiler, und anschließend werde ich noch eine Arbeit schreiben über Medien in der Tschechischen Republik."
Antje Vollmer ist selbst ehrenamtlich im Verwaltungsrat des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds tätig. Damit kam Eva bei genau jener Abgeordneten unter, die ihren eigenen Interessen wohl am ehesten entspricht. Im Bundestag ist Frau Vollmer Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien. Auch das hat Eva Leicmanová interessiert. Ebenso wie die Mitarbeit bei den Grünen. Wie funktioniert die Zuteilung der Praktikanten? Matej Husek:
"Wir bekamen ein Formular. Dort wurde zum Beispiel gefragt, bei welcher Fraktion wir arbeiten möchten, oder welche Schwerpunkte wir vorziehen. Also etwa ob man sich mit Europafragen befassen will, mit Sicherheitsfragen, mit Kultur oder mit irgendetwas anderem. Soweit ich weiß, war es dann bei fast allen Praktikanten so, dass die Fraktion stimmte. Aber ich glaube, 90 Prozent der Leute haben sich für Europafragen interessiert, und deswegen wurden in diesem Bereich die Wünsche nicht immer erfüllt. Auch ich habe Europafragen angegeben, und jetzt bin ich bei einer Abgeordneten gelandet, die im Innenausschuss tätig ist. Aber ich bereue es gar nicht. Denn gerade in dieser Zeit ist in Deutschland ziemlich viel passiert, was im Innenausschuss verarbeitet wurde. Und diese Dinge waren wirklich sehr aktuell und interessant."
Eva und Matej sind zufrieden. Beide sind in Büros untergekommen, deren Tätigkeitsbereiche sie interessieren. Für Alle gilt das aber nicht, räumen sie ein. Manche fühlen sich etwas unterfordert, ihre Tätigkeit im Bundestag entspricht oft nicht ihrer Ausbildung. Die gesammelte Erfahrung, die dürfte aber in jedem Fall nützlich sein. Und auch für die sonstige Betreuung, für Unterkunft und Verpflegung ist bestens gesorgt.
"Das Programm wird vom Deutschen Bundestag finanziert und auch von der Humboldt Universität Berlin unterstützt. Das heißt, wir sind gleichzeitig auch an der Uni eingeschrieben und können verschiedene Vorlesungen und Seminare besuchen" sagt Eva Leicmanová. Wer also im Bundestag nicht ausgelastet ist, der kann sogar noch an die Uni gehen.
Das Internationale Parlamentspraktikum im Deutschen Bundestag dauert noch bis Ende Juli. Eva weiß bereits, was sie danach machen wird. So viel sei jetzt schon verraten: Sie wird weiterhin im Bereich der tschechisch-deutschen Beziehungen aktiv sein. Mehr erzählt Sie selbst am Montag, in unserer Sendereihe "Heute am Mikrophon".