Tschechische Merkel-Kritiker sehen sich bestätigt
Politiker hierzulande nennen die Wahl einen heilsamen Denkzettel für die Bundeskanzlerin. Premier Sobotka warnt hingegen vor der AfD.
Lubomír Zaorálek ist tschechischer Außenminister und Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die Wahlen hierzulande in einem Monat. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks kommentierte er die Überlegungen über eine sogenannte Jamaika-Koalition:
„Angela Merkel wird keine leichte Aufgabe haben bei der Regierungsbildung. Und sie wird mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Denn es zeichnet sich praktisch eine Viererkoalition ab aus CDU, CSU, FDP und den Grünen. Gerade zwischen den Liberalen und den Grünen bestehen jedoch große Differenzen.“
Dass die AfD mit 12,6 Prozent der Stimmen die drittstärkste Kraft geworden ist, schreiben viele Menschen in Tschechien der Bundeskanzlerin selbst zu. So auch Ondřej Benešík, stellvertretender Vorsitzender der tschechischen Christdemokraten:„Einem Teil der deutschen Wähler missfällt die nicht durchdachte Migrationspolitik, und dieser Meinung sind auch meine Partei und ich. Daraus sollte Angela Merkel ihre Lehren ziehen. Wir als Partner der deutschen Christdemokraten in der Europäischen Volkspartei haben sie dafür kritisiert.“
Auch weitere tschechische Politiker sehen sich durch das Wahlergebnis bestätigt in ihrer abweisenden Haltung Flüchtlingen gegenüber. Zu ihnen gehört besonders Ano-Parteichef Andrej Babiš. Dem Nachrichtenportal „Parlamentní listy“ sagte er, nun könne man „endlich die Südgrenzen der EU dicht machen“ und die „unsinnige Quotenregelung der EU fallen lassen“.
Linksorientierte Kräfte sind hingegen besorgt über die neuen politischen Gewichte in Deutschland.„Obwohl die Wahlbeteiligung gestiegen ist, haben sowohl CDU/CSU als auch SPD verloren. Dass sich daraus die Zugewinne der rechtspopulistischen AfD speisen, ist weder eine gute Nachricht für Deutschland noch für Europa“, so der Vorsitzende der oppositionellen Kommunisten, Vojtěch Filip.
Und Premier Bohuslav Sobotka von den Sozialdemokraten warnte sogar vor den Folgen des Rechtsrucks. In einem Kommentar über den Kurznachrichtendienst Twitter schrieb er bereits am Sonntagmittag, also noch vor den ersten Hochrechnungen zur Bundestagswahl:
„Falls sich jemand über Hinzugewinne der AfD freuen sollte, wäre das äußerst kurzsichtig. Heute hetzen sie gegen Flüchtlinge und die EU – und morgen gegen Tschechen und Polen.“
Dabei sind die tschechische und die deutsche Wirtschaft eng miteinander verquickt. Darauf spielte Rudolf Jindrák an, er war von 2006 bis 2014 tschechischer Botschafter in Berlin und berät heute Staatspräsident Zeman in außenpolitischen Fragen:„Die politische Ebene ist sicher ein Aspekt. Der andere ist die funktionierende deutsche Wirtschaft, die nicht von der Regierungskoalition abhängig ist. Ich denke, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt, ist ein gewisser Garant für Tschechien und die wirtschaftliche Entwicklung. Der Trend wird weitergehen.“