ARD-Expertin Wilhelm: Sehen spannende WM-Rennen vor toller Kulisse

Kati Wilhelm (Foto: ARD)

Bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Nové Město na Moravě gibt sich dieser Tage auch eine Reihe erfolgreicher Skijäger vergangener Tage die Klinke in die Hand. Zu den besonders renommierten gehört die dreifache Olympiasiegerin und fünffache Weltmeisterin Kati Wilhelm (36), die seit 2011 als Biathlon-Expertin für die ARD arbeitet. Zwischen den WM-Rennen am zurückliegenden Sonntag hatte Radio Prag Gelegenheit, mit der einstigen Ausnahmeathletin zu sprechen.

Kati Wilhelm in Nové Město na Moravě  (Foto: ARD)
Ist die Arbeit als ARD-Expertin jetzt Ihre Haupttätigkeit nach dem Ende Ihrer aktiven Karriere oder machen Sie noch etwas Anderes?

„Eigentlich ist es schon meine Haupttätigkeit. Außerdem bin ich noch dabei, mein Studium im Fach Internationales Management zu beenden. Ich schreibe momentan meine Bachelor-Arbeit. Ansonsten bin ich Mama.“

Und wo machen Sie das alles, in Berlin? Wo leben Sie jetzt?

Nové Město na Moravě  (Foto: Maxx,  Wikimedia Creative Commons 3.0)
„Nein, ich lebe nach wie vor in Thüringen. Die ARD überträgt zwar den Biathlonsport beziehungsweise ist für ihn verantwortlich. Aber man reist viel umher, da muss ich nicht oft beim Sender sein.“

Als ARD-Expertin sind Sie also schon länger dabei. Aber Sie sind bestimmt zum ersten Mal in Nové Město na Moravě. Wie gefällt es Ihnen hier? Was sagen Sie zur Wettkampfanlage und zur Atmosphäre dieser Weltmeisterschaft?

„Nein, ich bin nicht zum ersten Mal hier. Ich war schon vor vielen Jahren als Langläuferin hier beim Weltcup. Damals war Nové Město schon ein Weltcuport, in dem es mir wirklich gut gefallen hat, weil ziemlich viele Fans da waren, was ich aus Langlaufzeiten nicht gewöhnt war. Außerdem hatte ich im Vorfeld schon gehört, dass zur WM wahrscheinlich sehr viel los sein wird, und ich selbst hatte auch einiges erwartet. Trotzdem bin ich positiv überrascht, denn das Stadion ist wunderschön geworden und die Stimmung hier ist einfach toll. Ich habe Freunde in Tschechien, die in der Nähe von Liberec leben. Ich habe sie erst im letzten Sommer besucht, und dabei haben sie mir auch so einiges angekündigt. Ich mag zudem das tschechische Essen. Mir gefällt es also hier sehr gut.“

Rennstrecken in Nové Město na Moravě  (Foto: ČTK)
Wenn Sie Freunde in der Nähe von Liberec haben, sprechen Sie dann auch ein wenig Tschechisch?

„Nein gar nicht, wir unterhalten uns auf Englisch.“

In Ihrer aktiven Zeit haben Sie viele tolle Rennstrecken kennengelernt – Ruhpolding, Antholz oder Hochfilzen. Diese Strecke hier in Nové Město aber konnten Sie als Biathletin nun nicht mehr laufen. Ist es denn für den Weltcup eine positive Erscheinung, wenn jetzt noch solch eine tolle Strecke hinzukommt?

Foto: ČTK
„Es ist schon gut, dass es immer wieder neue Orte gibt. Die Strecken hier sind wirklich schön und auch anspruchsvoll. Klar wird es irgendwann eng. Die IBU wird Probleme bekommen, wenn sie sich entscheiden muss, an wen sie die Weltcuprennen vergeben wird und wer vielleicht mal ein Jahr aussetzen muss. Aber ich glaube, für die Athleten ist es schön, immer mal wieder an einen anderen Ort zu fahren, mal etwas Neues kennenzulernen, und sei es ein neues Land. Ich habe das gern gemacht und ich glaube, das geht den Anderen genauso.“

Foto: ČTK
Biathlon hat sich zu einer populären Wintersportart entwickelt. Man kann ja schon sagen, es ist fast wie der „Fußball des Winters“, denn die Zuschauer kommen auch in Scharen an die Top-Strecken. Sind Sie eigentlich stolz darauf, dass Sie gerade diese Sportart betrieben haben?

„Es war auf jeden Fall sehr schön. Ich habe auch ein bisschen diese Entwicklung miterlebt. Als ich 2001 in den Weltcup kam, war schon ein gewisses Level erreicht, aber dann ging es doch noch mal einige Jahre steil Berg auf. Es ist irgendwie schön, wenn man gesehen hat, wie dieser Sport gewachsen ist und dass er so eine Popularität bekommen hat. Sicherlich waren auch die deutschen Erfolge dafür zuständig. Gerade in Deutschland ist Biathlon die Wintersportart Nummer eins. Aber auch international ist es vorangegangen. In Norwegen oder in Russland herrscht zum Beispiel auch eine riesige Begeisterung. Und schließlich wird man auch ein bisschen als Held gefeiert, wenn man auf der Strecke ist. Das ist schon toll und macht mich auch ein bisschen stolz, ein Teil dieser Sportart gewesen zu sein.“

Foto: ČTK
Was macht eigentlich den Reiz dieser Sportart aus? Ist es die prickelnde Ungewissheit, dass man nie weiß, was am Ende rauskommen wird, weil Biathlon von zwei verschiedenen Komponenten abhängt?

„Das stimmt, denn es sind in der Tat zwei ganz verschiedene Teile, die man miteinander kombinieren muss. Und auch die Anforderungen sind ganz unterschiedlich. Da sind zum einen die physische Belastung bei Skilauf und zum anderen das Schießen, bei dem eigentlich die Psyche eine noch größere Rolle spielt. Und auch als Athlet weiß man selbst nie so richtig, wie es heute wohl laufen wird. Man kann sich im Training noch so gut fühlen, aber im Wettkampf passiert einem doch ein Fehler. Auch für die Zuschauer ist es wahnsinnig spannend. Denn so ein Rennen ist nicht nach der ersten Runde entschieden, auch wenn da vielleicht schon große Abstände sind. Nach dem Schießen kann alles schon wieder ganz anders aussehen. Ich glaube, das ist auch der Grund, weshalb sich Biathlon so viele Menschen anschauen.“

Foto: ČTK
Durch die Erfolge der Deutschen ist Biathlon, wie Sie sagten, in Deutschland sehr populär geworden. Später sind die Norweger dazu gekommen und haben die Sportart noch attraktiver gemacht. Mittlerweile wird die Weltspitze von Skijägern mehrerer Länder gebildet. Haben die anderen Länder aufgeholt?

„Auf jeden Fall. Früher war Deutschland eine Macht. In Deutschland hat man früh erkannt, dass das eine tolle Sportart ist. Deshalb hat man sehr gute Fördersysteme und sicherlich auch im Materialsektor einen Vorsprung gehabt. In den letzten Jahren haben viele Nationen aufgeschlossen. Ich denke, es gibt jetzt keine Vorteile mehr, die die Deutschen ihr eigen nennen können. Es ist eher so, dass man jetzt auch mal zu anderen Ländern aufschauen muss und beobachten, was die eigentlich besser machen als wir. Da ist man gerade so ein bisschen in der Umdenkungsphase.“

Tschechische Mixed-Staffel  (Foto: ČTK)
In jüngster Vergangenheit haben auch die Tschechen etwas aufgeholt dank einiger Achtungserfolge, die sie im Weltcup errungen haben. Durch die WM im eigenen Land hat deren Entwicklung noch einen zusätzlichen Touch bekommen. Was halten Sie von den beiden tschechischen Top-Läuferinnen, Veronika Vítková und Gabriela Soukalová?

„Gerade die tschechischen Frauen haben im Verlauf der Saison überrascht. Deshalb hat man sich auch schon ein wenig darauf einrichten können, was einen vielleicht bei der Weltmeisterschaft so erwartet. Die Heim-WM gab ihnen schon einen Schub. Und wie die Tschechen dann in der Mixed-Staffel dem Druck Stand gehalten haben vor diesem Publikum, was sie ja nicht gewohnt sind, verdient Respekt. Sicher, in Oberhof oder Ruhpolding kennen sie diese Kulisse, aber da sind es nicht ihre Fans. Hier aber sind es ihre eigenen Fans. Beim Sprintrennen ist Veronika Vítková auch wieder mit zwei Mal Null durchgekommen. Das sind wirklich super Ergebnisse. Beide sind zudem noch jung. Also, da ist noch Potenzial da für die nächsten Jahre. Es ist schön, wenn in den Ländern, in denen vielleicht gerade die Frauen lange nicht so in Erscheinung getreten sind, in den letzten Jahren solche Entwicklungen stattfinden. Es macht Biathlon insgesamt noch attraktiver, wenn international ein paar Namen mehr eine Rolle spielen.“

Veronika Vítková  (Foto: ČTK)
Kennen Sie die beiden Läuferinnen persönlich? Haben Sie mit beiden schon mal gesprochen?

„Nicht wirklich. Veronika Vítková habe ich noch von der WM 2009 in Korea in Erinnerung. Dort hat sie überrascht. Da habe ich mal kurz um meine Goldmedaille im Einzel gebangt, bis zu ihrem letzten Schießen. Schließlich landete sie dann unter den ersten Acht. Gabriela Soukalová ist ja eigentlich erst diese Saison in Erscheinung getreten. Deswegen hatte ich noch nicht die Möglichkeit, sie näher kennenzulernen. Beide sind auch viel jünger als ich. Dadurch bin ich nicht mehr so viele Rennen gegen sie und mit ihnen gelaufen.“

Gabriela Soukalová  (Foto: ČTK)
Dann kennen Sie sie also noch sehr wenig. Zu Gabriela Soukalová gibt es noch dies zu sagen: Sie war im vergangenen Jahr ziemlich lange erkrankt, und auch ihrem Vater ging es nicht gut, er hatte Krebs. Ais ihr dann mit den drei Podestplätzen in Pokljuka der Durchbruch gelungen ist, sagte sie unter anderem: Sie sei selbst von sich überrascht, könne aber jetzt viel befreiter auflaufen, weil die persönlichen Probleme weg seien. Was ist Ihrer Meinung: Hat Soukalová vielleicht Chancen, schon bald eine beständige Top-Läuferin zu werden? Rein optisch bringt sie jedenfalls einiges mit…

Clip mit Gabriela Soukalová  (Foto: YouTube)
„Wir haben es schon bemerkt. Die Kollegen im Sender sind schließlich immer sehr daran interessiert, sich mit Informationen zu versorgen, wenn neue Namen auftauchen. Und dann gab es noch so einen netten Clip auf ´YouTub´, in dem sie gesungen hat. Den haben sich schon alle im Sender mit einem kleinen Strahlen im Gesicht angeschaut. Sie bringt natürlich einiges mit. Vor allem ein sehr gutes Schießen. Läuferisch ist es, denke ich, ganz okay. Aber wie gesagt, da ist auch noch Potenzial. Ihre Entwicklung in dieser Saison zeigt es auf. Wenn sie jetzt auch mal ein Jahr lang gut trainieren kann und nicht krank wird wie in diesem Jahr, dann ist da noch einiges von ihr zu erwarten.“

Foto: ČTK
Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus? Was nehmen Sie bisher mit von der WM?

„Nun, mit deutscher Brille betrachtet, sieht es halt nicht ganz so erfreulich aus. Ansonsten sehen wir hier eine tolle Veranstaltung, sie ist super organisiert, alles funktioniert, und man hat nicht den Eindruck, dass es überorganisiert ist. Es läuft alles sehr ruhig und angenehm ab. Ich habe mich hier sehr wohlgefühlt. Morgen fahre ich leider schon nach Hause und kann mir die Wettkämpfe nicht mehr direkt vor Ort anschauen. Andererseits freue ich mich auf das Wiedersehen mit meiner kleinen Tochter. Ich hoffe, dass die Rennen genau so spannend weiter gehen werden wie wir es bisher gesehen haben, aber mit einem besseren Ausgang für die Deutschen.“

Autor: Lothar Martin
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