Arzt als Retter: ODS stellt ihren Spitzenkandidaten für Kommunalwahlen vor
Die tschechische Presse kommentiert in ihren Mittwochausgaben vor allem die Entscheidung der Prager Bürgerdemokraten, für den Posten des Prager Oberbürgermeisters den parteilosen Arzt Bohuslav Svoboda zu nominieren. Von den größeren Parteien hat die Demokratische Bürgerpartei ODS als letzte ihren Spitzenkandidaten für die Kommunalwahlen vorgestellt.
„Die Kommunalwahlen können wesentliche Änderungen in der politischen Szene bewirken. Sie können einigen bisherigen politischen Leadern ein Bein stellen und anderen wiederum in die höchsten Etagen der Politik verhelfen. Die Haupttrophäe in diesem Kampf ist die Kette des Prager Oberbürgermeisters. Der Kampf darum ist umso pikanter, weil dabei die Parteien der jetzigen Regierungskoalition ihre Kräfte messen. Ihre Zusammenarbeit, die durch die Skandale in der Armee ein wenig an Festigkeit verlor, kann einen weiteren Rückschlag erleiden.“
Mit der Ausnahme der Fußballnationalmannschaft gebe es, so der Kommentator weiter, in Tschechien in der letzten Zeit keinen so amateurhaften Verein, wie die Prager ODS. Fünf Minuten nach zwölf hätten die Prager Bürgerdemokraten nun begriffen, dass es ihnen an den Kragen geht: sie entschieden sich für keinen Profi-Politiker, der in die Opencard-Affäre verwickelt war, sondern für einen anerkannten Arzt mit gutem Ruf:„Doktor Svoboda soll die Prager ODS vor dem Schlimmsten retten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass er schon zu einem Leichnam geholt wurde, der keine Operation, sondern eine Obduktion braucht“,
so Kommentator Komárek in der Tageszeitung Mladá fronta Dnes.
Die Tageszeitung Hospodářské noviny bringt ein ausführliches Portrait des Spitzenkandidaten der Prager ODS. Kennzeichnend ist bereits die Überschrift des Artikels: „Der Gynäkologe, der die ODS retten soll“. Der Zeitung zufolge war Svoboda unter den sieben zuvor von der ODS erwähnten Kandidaten für den Oberbürgermeisterposten von Anfang an ein klarer Favorit. Er sei als Quereinsteiger nicht mit den umstrittenen Aufträgen des Prager Magistrats in Verbindung zu bringen und genieße als Arzt hohes Ansehen in der Bevölkerung.
Darauf macht auch der Chefredakteur der Internetzeitung Neviditelný pes, Ondřej Neff, in seinem Kommentar aufmerksam. Die Zeitung erinnert jedoch daran, dass auch der jetzige Oberbürgermeister von Prag, Pavel Bém, einst als respektierter Arzt ins Amt eingeführt wurde:
„Trotzdem ist mit Béms Namen eine beispiellose Ära des moralischen Verfalls in der Hauptstadt verbunden. Die Resultate der verschiedenen Handelstransaktionen weckten Entrüstung und Bestürzung. Gekrönt wurden sie mit dem Projekt der Opencard. Damit erreichte die Unverschämtheit einen Punkt, wo es schon zu viel war.“Wie wird das Schicksal von Dr. Svoboda, des zweifelsohne ehrwürdigen Mannes sein? fragt die Zeitung weiter. Auch wenn Svoboda wirklich zum Oberbürgermeister gewählt würde, was wäre dann? Denn, so der Kommentar, das Verfaulte verkörpere nicht nur Bém und ein paar weitere Kommunalpolitiker, sondern es gehe um einen großen Apparat, der sich am heutigen Marasmus im Magistrat beteiligt habe.