Auf dem Weg zur Gedenkstätte: Abrissarbeiten der Schweinefarm in Lety beginnen
Am Freitag beginnen die Abrissarbeiten des Schweinezuchtbetriebes im südböhmischen Lety, der sich am Ort eines früheren Konzentrationslagers für Sinti und Roma befindet. An seiner Stelle wird anschließend eine Gedenkstätte entstehen. Damit endet ein lange Jahre dauernder Streit um die angemessene Nutzung des Ortes.
Seit den 1970er Jahren wurde in Lety industrielle Schweinzucht betrieben – und zwar auf dem Gelände, auf dem sich während des Zweiten Weltkriegs ein Konzentrationslager für Sinti und Roma befand. Seit der Wende wurde in Tschechien über die Stilllegung des Betriebs und die Errichtung einer Gedenkstätte diskutiert. 2018 wurde der Betrieb letztlich vom Staat aufgekauft, und am Freitag wird mit einer feierlichen Veranstaltung sein Abriss eingeleitet. Jana Horváthová ist die Leiterin des Museums für die Kultur der Roma. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks wies sie auf die historische Bedeutung des Vorgangs hin:
„30 Jahre lang haben Überlebende und Aktivisten dafür gekämpft, dass die Schande einer Schweinefarm an diesem Ort beseitigt wird. Wir haben es immer als wichtig empfunden, die Pläne über die mögliche Gestaltung der Gedenkstätte öffentlich zu kommunizieren. Das ganze Jahr 2018 über wurde die Öffentlichkeit darin eingebunden, und danach haben wir einen internationalen Wettbewerb zur Landschaftsarchitektur ausgeschrieben. Unter den 41 Bewerbungen hat sich eine tschechische Firma durchgesetzt.“
In den vergangenen vier Jahren fanden vor Ort außerdem archäologische Forschungen statt. Wichtige Funde etwa der ehemaligen Unterkunft des Lagerpersonals sowie dessen Luftschutzbunkers hätten die Abrissarbeiten bis jetzt verzögert, erläutert Horváthová.
Die Entscheidung zum Bau der Gedenkstätte habe aber auch so viele Jahre gedauert, weil es in Tschechien lange keinen politischen Willen dazu gegeben habe, kritisiert Klára Kalíbová. Die Anwältin, deren Organisation Iustitia Hassäußerungen und gewalttätige Übergriffe auf Minderheiten hierzulande dokumentiert, spricht sogar von einem institutionellen Rassismus gegenüber den Roma. Dieser habe die Debatten um den Aufkauf der Schweinefarm immer begleitet. Und weiter sagt Kalíbová:
„Die Beschäftigung mit dem Völkermord an den Sinti und Roma kam verspätet. Entsprechende Forschungen begannen in der Tschechoslowakei nur auf Anregung von verschiedenen Journalisten und Aktivisten. Das Interesse der hiesigen Historiker wurde erst durch Markus Pape geweckt, also durch den Anstoß aus dem Ausland.“
Der erwähnte Markus Pape ist ein deutscher Publizist, der in Prag lebt und 1997 ein Buch über das Konzentrationslager in Lety herausgegeben hat. Dass sich das Bewusstsein zum Völkermord an den Sinti und Roma in Tschechien nur langsam entwickelt, bestätigt auch Pavel Baloun. Der Historiker von der Karlsuniversität in Prag weist aber auch darauf hin, dass der Fall Lety das Thema im öffentlichen Raum verankert hat. Immer mehr Wissenschaftler würden sich inzwischen damit beschäftigen, und auch im Schulunterricht werde darüber gesprochen. Den Abriss der Schweinefarm kommentierte Baloun am Freitag wie folgt:
„Was heute beginnt, hat eine äußerst wichtige Symbolik für die Anerkennung des Völkermords an jenen Menschen, die damals als ‚Zigeuner‘ bezeichnet wurden. Ihre Verfolgung wird damit von der tschechischen Gesellschaft gebührend anerkannt. Dazu gehört auch, dass es einen Ort geben wird, an dem an diese Vergangenheit systematisch und in komplexer Weise erinnert wird.“
Die Gedenkstätte in Lety werde in mehreren Etappen entstehen, kündigt Jana Horváthová an:
„Die erste Etappe, die wir gern im kommenden Jahr abschließen wollen und mit der das Areal für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, umfasst die Errichtung eines Besucherzentrums mit einer Dauerausstellung. Zudem werden Besucherwege vom Gebäude zur Stelle der Massengräber angelegt. Dieser Ort muss außerdem rekultiviert werden, denn leider sind die Opfer dort immer noch in unwürdiger Weise begraben.“
In der zweiten Etappe werde dann ein kreisförmiges Denkmal entstehen, ergänzt die Museumsleiterin. Daran werden strahlenförmig die Namen der etwa 1300 Inhaftierten des ehemaligen Konzentrationslagers angebracht. 327 Personen haben die Haft in Lety nicht überlebt, mehr als 500 weitere wurden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.