Auf Václav Havels Spuren: Café Slavia und Theater „Am Geländer“

Ein neuer Bildband führt zu Orten in Prag, die mit Präsident Václav Havel verbunden sind. Das Buch des Architekten und Kunsthistorikers Zdeněk Lukeš heißt „Václav Havels Prag“. Einige der beschriebenen Gebäude haben wir bereits vor zwei Wochen vorgestellt.

Vom Haus am rechten Moldauufer, in dem Václav Havel den Großteil seines Lebens verbracht hat, ging beim letzten Mal der Spaziergang mit Architekt Zdeněk Lukeš über den Rašín-Kai zur Galerie Mánes. Nun setzen wir den Weg am Nationaltheater vorbei fort zum Café Slavia. Das vermutlich bekannteste Prager Kaffeehaus befindet sich im Palais Lažanský. Architekt Zdeněk Lukeš:

„Das Palais wurde in den 1860er Jahren im Neorenaissancestil nach einem Entwurf von Architekt Ignác Ullmann erbaut. Das Palais entstand damit sogar früher als das Nationaltheater. Bereits um das Jahr 1900 befand sich ein Café in dem Gebäude. Damals sah es aber anders aus als heute. In den 1930er Jahren wurde das Café dann im Stil des späten Art déco umgestaltet. Heute ist von der ursprünglichen Ausstattung nur noch das berühmte Gemälde ‚Der Absinthtrinker‘ von Viktor Oliva, beziehungsweise seine nicht besonders gelungene Kopie, erhalten geblieben. Das Originalbild ist verschwunden.“

Café Slavia  | Foto: Corradox,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0
Präsident Václav Havel ließ das beliebte Künstlercafé in Stand setzen. Die Räumlichkeiten wurden dabei wieder so gestaltet, wie sie in den 1930er Jahren ausgesehen haben. Auch der spezielle kreisförmige Leuchter, unter dem sich einst ein runder Tisch befand, wurde nachgebildet. An diesem Tisch saß oft der Dichter und bildende Künstler Jiří Kolář. Präsident Havel habe meist einen der Tische mit Aussicht auf den Hradschin bevorzugt, sagt Architekt Lukeš. Dabei hatte er gerne auch Gäste dabei:

„Einmal hat er das Café Slavia auch mit der möglicherweise künftigen US-Präsidentin, Hillary Clinton, besucht.“

Vom Kulissenschieber zum Dramatiker

Theater ‚Am Geländer‘  (Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Wenn man vom Café Slavia am Smetana-Kai Richtung Karlsbrücke geht, kurz vor der Brücke aber nach rechts abbiegt, kommt man auf den kleinen Annenské náměstí / Anna-Platz. Dort befindet sich das Theater „Am Geländer“ (Divadlo Na zábradlí). In diesem kleinen Theater arbeitete zuerst Václav Havel als Bühnentechniker, bald setzte er sich dort aber als Dramatiker durch. Zdeněk Lukeš über die Geschichte des Gebäudes:

„Im 19. Jahrhundert wurde hier anstelle anderer abgerissener Häuser ein Wohnhaus errichtet. Es bestand aber schon damals ein Theatersaal. Angeblich hat Anfang des 20. Jahrhunderts auch Franz Kafka die hiesigen Vorstellungen besucht. Der Saal wurde später geschlossen. 1958 haben die Regisseurin Helena Philipová, der Schriftsteller und Regisseur Ivan Vyskočil und der Dichter, Regisseur und Musiker Jiří Suchý in diesem Haus das Theater ‚Am Geländer‘ gegründet. Ihnen schloss sich später der Mime Ladislav Fialka an. Das Theater gehörte zu den Prager Avantgarde-Bühnen. Václav Havel kam als Kulissenschieber hierher, ist dann Dramaturg und schließlich Dramatiker geworden. Im Theater ‚Am Geländer‘ wurde Havels erstes Stück ‚Das Gartenfest‘ uraufgeführt, das auch im Ausland populär geworden ist. Havel blieb genauso wie der berühmte Regisseur Jan Grossmann jedoch nur bis 1969 an dem Theater.“

Plastik ‚Embryo‘ von David Černý  (Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Auch während der schwierigen Zeit der sogenannten „Normalisierung“ konnte das Theater sein hohes künstlerisches Niveau erhalten. Heute gehört es immer noch zu den besten Bühnen in Prag.

„Eine Gedenktafel am Gebäude erinnert an Václav Havel. Sie wurde von David Černý entworfen. Von Černý stammt zudem die an der Hausecke installierte Plastik ‚Embryo‘, die am Abend leuchtet.“

„Prager Kreuzung“ in der Anna-Kirche

Nur ein paar Schritte vom Theater „Am Geländer“ entfernt steht die Kirche der heiligen Anna. Der Sakralbau wurde von der Stiftung Vize 97 restauriert, diese Stiftung hat Václav Havel mit seiner Frau Dagmar gegründet. Die Kirche ist heute ein geistlich-kulturelles Zentrum und nennt sich „Prager Kreuzung“. Die Geschichte des Sakralbaus ist jedoch lang. Zdeněk Lukeš:

Anna-Kirche  (Foto: Martina Schneibergová)
„Einst stand hier eine romanische Kirche, die später abgerissen wurde. An ihrer Stelle wurde die frühgotische Anna-Kirche erbaut. Bis heute sind die Dachstühle der Kirche original gotisch. Warum die Kirche während der Hussitenkriege verschont wurde, darüber wird bis heute spekuliert. Neben verschiedenen Legenden kann auch die folgende Tatsache eine Rolle gespielt haben: In diesem Kloster waren Nonnen aus allen Prager Stiften vereint. Die Kirche wurde also wahrscheinlich aus praktischen Gründen nicht niedergebrannt. Die Nonnen wurden jedoch gezwungen, utraquistisch zur Kommunion zu gehen. In der Renaissance- und Barockzeit wurde die Kirche dann einige Mal umgebaut. Auf der Orgel hier spielte sogar der Komponist Christoph Willibald Gluck. Unter Josef II. wurde das Gebäude verkauft. Im 19. Jahrhundert entstand in der früheren Kirche eine Druckerei.“

Zentrum „Prager Kreuzung“  (Foto: Archiv der Litauischen Botschaft in Prag)
Während des kommunistischen Regimes diente der Kirchenraum als Lager, das ganze Gebäude verfiel. Präsident Václav Havel und seine Frau Dagmar initiierten die Rettung des wertvollen gotischen Sakralbaus. Die Neugestaltung erfolgte dann nach einem Entwurf der Architektin Eva Jiřičná. Dabei wurden auch die Fresken an den Wänden freigelegt. Und es wurde ein neues Altarbild geschaffen, es stammt von der 2014 verstorbenen Malerin und Bildhauerin Adriena Šimotová. Im Zentrum „Prager Kreuzung“ werden Treffen, Konzerte und Konferenzen veranstaltet, wie zuletzt die Demokratiekonferenz „Forum 2000“.


Es gibt in Prag noch mehrere weitere Gebäude, die mit Václav Havel verbunden sind. In einige davon werden wir Sie in einer der nächsten Sendungen führen.