Auf Václav Havels Spuren: Prager Burg im Wandel

Südliche Gärten der Burg (Foto: Barbora Němcová)

Am 18. Dezember 2011 ist der frühere tschechische Präsident und Dramatiker Václav Havel gestorben. In diesen Tagen wird bei verschiedenen Gelegenheiten an den Bürgerrechtler erinnert: mit Ausstellungen, Filmvorstellungen, Diskussionen. In Prag stehen viele Orte eng im Zusammenhang mit dem Ex-Präsidenten. Einige davon haben wir Ihnen in der Sendereihe „Spaziergang durch Prag“ bereits vorgestellt. Wir waren aber noch nicht auf der Prager Burg. Václav Havel hat sie als erster Präsident auch für die Öffentlichkeit geöffnet und dem zuvor abgeschlossenen Areal neues Leben eingehaucht. Der Architekt Zdeněk Lukeš arbeitete damals in der Präsidentenkanzlei und hat sich an der Verwandlung der Burg beteiligt.

Orangerie von Eva Jiřičná im Königlichen Garten | Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International
Die Führung mit Architekt Zdeněk Lukeš durch die Prager Burg auf den Spuren von Václav Havel beginnt bei der Neuen Orangerie. Sie steht im Königlichen Garten nahe dem Ballhaus. Die Orangerie wurde nach dem Entwurf der tschechisch-britischen Architektin Eva Jiřičná erbaut. Es handelt sich um einen 90 Meter lang halbzylindrischen verglasten Bau. Die ursprüngliche Orangerie wurde in den 1560er Jahren von Bonifác Wohlmuth erbaut. Während des Dreißigjährigen Kriegs wurde der Königliche Garten von sächsischen und schwedischen Soldaten geplündert. Auch die Orangerie blieb nicht verschont. In den 1950er Jahren wurde dann im Garten ein Treibhaus errichtet. Anfang der 1990er Jahre war es jedoch schon fast verfallen. Auf Initiative von Václav Havels Frau Olga wurde daher die Neue Orangerie erbaut. Zdeněk Lukeš:

Eva Jiříčná  (Foto: Barbora Němcová)
„Olga erfuhr von den Gärtnern, dass der bestehende Pavillon bereits sehr heruntergekommen ist. Sie wollte zunächst eine Renovierung des Treibhauses initiieren, schließlich wurde aber eine völlig neue Orangerie erbaut. Den Bau hat die kanadische Mäzenin Jennifer Allen Simmons finanziell unterstützt. Es ist ein imposantes Werk der im Ausland bekanntesten tschechischen Architektin Eva Jiřičná.“

In der Orangerie werden Temperatur, Feuchtigkeit und Beleuchtung durch moderne Geräte reguliert. Das Bewässerungssystem schaltet sich in regelmäßigen Abständen ein.

„Alles ist computergesteuert. Aber die Gärtner haben sich gewünscht, dass für den Fall eines technischen Fehlers die Möglichkeit beibehalten wird, das System manuell zu bedienen. In der Orangerie befindet sich ein Springbrunnen, den der berühmte Architekt Otto Rothmayer geschaffen hat. Er war Assistent von Architekt Jože Plečnik, der sich an der Neugestaltung der Prager Burg unter Präsident Masaryk beteiligt hat. Zu sehen ist hier zudem ein Lavabo, das ein Werk von Plečnik ist. Es befand sich früher im Vogelhaus in den südlichen Gärten der Prager Burg. Unter den Kommunisten wurde das Vogelhaus abgerissen. Das Lavabo wurde dann in die Orangerie gebracht.“

Orangerie und geöffneter Garten

Zdeněk Lukeš  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Lukeš hält die Neue Orangerie für den bedeutendsten und auffallendsten Bau, der zu Václav Havels Zeiten auf der Burg entstanden ist. Es habe aber noch viele weitere Projekte gegeben, so der Architekt:

„Schon 1990 wurde auf Anlass von Präsident Havel der Königliche Garten geöffnet. Er hatte das Gefühl, dass die Burg zugänglich gemacht werden müsste. Zuvor hatte die Prager Burg eher einer Festung geglichen, in der nur ein paar Orte öffentlich besucht werden durften. Zudem hat Havel die Öffnung des unteren und oberen Hirschgrabens veranlasst. Das dauerte etwas länger, denn zuvor gab es dort keine Wege. Diese mussten erst angelegt werden. Das Areal war zuvor ständig von Soldaten und Polizisten überwacht worden. Der Garten war deswegen geschlossen, weil sich dort das Häuschen des Staatspräsidenten befand. Václav Havel entschied sich jedoch, dort nicht zu wohnen und vorerst in seiner Wohnung am Rašín-Kai zu bleiben. Später kaufte er ein Haus im Villenviertel Ořechovka. Havel hat nie auf der Prager Burg gewohnt. Der Garten konnte also wieder geöffnet werden.“

Fußgängerpassage unter dem Hradschin

Fußgängerpassage im Hirschgraben  (Foto: che,  CC BY-SA 2.5)
Zu den ersten Schritten bei der Belebung der Prager Burg gehörte auch eine Instandsetzung des Veitsdoms und des zweiten und dritten Burghofs. Im Hirschgraben wurde zudem eine Fußgängerpassage errichtet, die durch den Wall der Pulverbrücke führt. Die Besucher müssen seitdem nicht mehr um den Wall herumgehen. Der Obere Hirschgraben wurde dank der Passage mit dem Unteren verbunden.

„Die Fußgängerpassage ist ein Werk des renommierten Architekten Josef Pleskot. Er hat auch die Stege Richtung Klárov entworfen und das Restaurant Lví dvůr (Löwenhof) umgestaltet, das im Königlichen Garten steht. Pleskots Fußgängerpassage wurde 2004 mit dem Brick Award für den schönsten Bau aus Ziegeln ausgezeichnet. Viele Preise erhielt auch Eva Jiřičná für die Orangerie. Ich bin davon überzeugt, dass damit zwei wertvolle Bauwerke entstanden sind, die das Stilmosaik der Prager Burg auf eine moderne Weise ergänzen.“

Hofarchitekt Šípek

Bořek Šípek | Foto: ČT24
Zu Havels Hofarchitekten gehörte auch Bořek Šípek. Er hat nicht nur viele Artefakte für das Interieur entworfen, sondern auch zwei Eingänge im zweiten Burghof gestaltet. Architekt Lukeš:

„Bořek Šípek und Havel lernten sich 1991 kennen. Šípek entwarf damals sehr bequeme Sessel für den Spanischen Saal. Vorher standen dort nur recht schwerfällige Möbel. So kam es zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen dem Architekten und der Präsidentenkanzlei. Šípek gestaltete das Interieur in mehreren Räumen, darunter auch Havels Arbeitszimmer oder die Bildergalerie der Burg.“

Südliche Gärten der Burg  (Foto: Barbora Němcová)
Vom dritten Burghof führt Architekt Lukeš nun in Richtung südliche Gärten der Burg. Die sogenannte „Stiertreppe“ (Býčí schodiště) von Architekt Plečnik verbindet den Burghof mit dem Wallgarten. Die südlichen Gärten der Burg wurden dank Václav Havel neu angelegt.

„Die Erneuerung der Gärten wurde auch unter Havels Nachfolger im Präsidentenamt, Václav Klaus, fortgesetzt. Restauriert wurde zudem das ehemalige Adeligenstift in der Georggasse. Dies dauerte elf Jahre lang und wurde ebenfalls erst unter Präsident Klaus beendet. Die Gärten wurden etappenweise in Stand gesetzt. Die Burgverwaltung erhielt 2001 den Carlo-Scarpa-Preis, mit dem jedes Jahr historische Gärten ausgezeichnet werden. Die Gärten mussten fast neu angelegt werden.“