Braucht der tschechische Staatspräsident einen Burg-Architekten?

Der letzte tschechische Präsident, der einen eigenen Architekten beschäftigt hat, war Václav Havel. Nun will das künftige Staatsoberhaupt Petr Pavel an diese Tradition anknüpfen. Doch braucht es diese Funktion überhaupt? Und was macht ein sogenannter Burg-Architekt eigentlich?

Petr Pavel | Foto: ČT24

Die Prager Burg – sie war früher Sitz der Könige, und heute residiert hier der tschechische Präsident. Das künftige Staatsoberhaupt Petr Pavel hat sich aber entschieden, den Hradschin nur als seinen Arbeitsplatz zu nutzen. Wohnen möchte er dort nicht. Stattdessen solle das Areal den Menschen dienen, wie er in Interviews nach seiner Wahl am letzten Januar-Wochenende bereits angekündigt hat.

Aber nicht nur das: Petr Pavel will auch die Funktion des Burg-Architekten wiederbeleben. Und ins Auge gefasst hat er dabei Josef Pleskot…

Josef Pleskot | Foto: Michaela Danelová,  iROZHLAS.cz
Fußgängertunnel nach einem Entwurf des Architekten Josef Pleskot | Foto: Štěpánka Budková,  Radio Prague International

„Ich habe mit ihm bereits darüber gesprochen und bin sehr froh, dass Architekt Pleskot gerne mit mir zusammenarbeiten möchte. Bisher haben wir uns aber nur allgemein über Projekte unterhalten. Eines betrifft auch die Prager Burg, doch es ist verfrüht, mehr dazu zu sagen“, so Petr Pavel in einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Pleskot ist einer der anerkanntesten zeitgenössischen Architekten aus Tschechien. Anfang der Nuller Jahre arbeitete er bereits mit dem damaligen Präsidenten Havel zusammen. Dabei war er zum Beispiel verantwortlich für die Restaurierung des Hirschgrabens. So entwarf er etwa einen Fußgängertunnel, der den oberen und den unteren Teil des Areals miteinander verbindet. Für das Projekt erhielt Pleskot Preise im In- und Ausland. Der Architekt selbst sagt, die Burg habe viel mehr zu bieten, als man derzeit sehen könne:

„Es ließen sich bisher nicht genutzte oder sogar vergessene Orte zugänglich machen. Man könnte neue räumliche Verbindungen schaffen, um der Begegnung der Menschen eine neue Qualität zu geben. Es gibt so viele Bereiche, über die sich nachdenken ließe.“

Josef Pleskot hat immer wieder auch kritisiert, dass Noch-Amtsinhaber Miloš Zeman und sein Vorgänger Václav Klaus große Teile der Prager Burg verschlossen hielten. Nur zu speziellen Anlässen ließen die beiden Präsidenten die Öffentlichkeit dort hin.

Von Peter Parler bis Bořek Šípek

Die Funktion des Burg-Architekten in Prag hat eine lange Tradition. Sie beginnt im Mittelalter. Der bekannteste Vertreter dieser Epoche ist Peter Parler. Zu Zeiten des böhmischen Königs und späteren Kaisers Karl IV. entwarf er nicht zuletzt den Veitsdom. Der Habsburger Ferdinand I. nahm in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts den italienischen Renaissance-Baumeister Paolo della Stella in Dienst.

Zdeněk Lukeš | Foto:  ČT24

Vor allem aber in der Neuzeit hatten die tschechoslowakischen und tschechischen Präsidenten ihre Burg-Architekten. Der renommierte Kunsthistoriker und Architekt Zdeněk Lukeš begrüßt, dass Petr Pavel diese Tradition wieder aufgreifen möchte. So sagte Lukeš im Interview für Radio Prag International:

„Ich denke, dass es gut ist, wenn es diese Funktion gibt. Natürlich muss jeder Präsident selbst entscheiden. Einige der tschechoslowakischen und tschechischen Staatsoberhäupter wie zum Beispiel Tomáš Garrigue Masaryk oder Edvard Beneš hatten einen Burg-Architekten. Und später, in den 1960er Jahren, galt das auch für Antonín Novotný. Zu anderen Zeiten wurde dieses Amt aber nicht vergeben. Zuletzt beschäftigte Václav Havel einen solchen Architekten, das war damals Bořek Šípek.“

Bekannt wurde besonders der Slowene Josef Plečnik, den der tschechoslowakische Staatsgründer Masaryk engagierte…

Büste Plečniks | Foto:  Radio Prague International

„Plečniks Umbauten auf der Prager Burg werden heute von Menschen aus der ganzen Welt bewundert. Seine Arbeit lässt sich also positiv bewerten. An ihn knüpfte zu Zeiten von Edvard Beneš der tschechische Architekt Pavel Janák an. Auch seine Umbauten, aber vor allem die Restaurierungsarbeiten sind hoch angesehen. Dasselbe trifft auf die Eingriffe des Architekten Jaroslav Fragner in den 1960er Jahren zu“, erläutert Zdeněk Lukeš.

Der letzte Burg-Architekt war der erwähnte Bořek Šípek, der 1968 zunächst nach Deutschland emigrierte und Anfang der 1980er Jahre nach Amsterdam übersiedelte. Nach der politischen Wende kehrte er in seine Heimatstadt Prag zurück, und im Oktober 1993 machte ihn Václav Havel zum Hauptarchitekten der Prager Burg. Kunsthistoriker Lukeš:

Bořek Šípek | Foto: ČT24

„Bořek Šípek entwarf den Plan zur Restaurierung der Bildergalerie auf der Burg. Später kümmerte er sich um die neuen Eingänge zur Präsidialkanzlei auf dem zweiten Burghof sowie um einige Innenräume wie etwa das Arbeitszimmer von Havel. Wie es aber immer ist, bewundert ein Teil der Öffentlichkeit die Arbeiten, andere lehnen sie hingegen ab. Das war schon im Fall von Josef Plečnik so, und daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern.“

Restaurierungsarbeiten und Neubauten

Eva Jiřičná | Foto: Barbora Linková,  Tschechischer Rundfunk
Orangerie von Eva Jiřičná im Königlichen Garten | Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International

Laut Lukeš sollte der Burg-Architekt umfassende Kenntnisse in seinem Metier haben. Denn auf dem Hradschin sind von der Romanik bis zur zeitgenössischen Moderne alle Baustile vertreten. So gibt es beispielsweise eine High-Tech-Orangerie von Eva Jiřičná von Ende der 1990er Jahre. Und natürlich steht die Burg auch unter Denkmalschutz und gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Kurzum, es braucht jemanden sehr Erfahrenen für den Job. Und in dieses Profil passe Josef Pleskot gut, so der Kunsthistoriker…

„Ich denke, er ist ein geeigneter Kandidat für den Posten. Als Persönlichkeit wird er geachtet, und Pleskot ist hoch gebildet. Ich kenne ihn seit unserer gemeinsamen Studienzeit und weiß daher, dass er auch großes Interesse an bildender Kunst hat. Gemeinsam haben wir Ateliers besucht, mit denen er später als Architekt zusammengearbeitet hat. Meiner Ansicht nach bringt er das nötige Fingerspitzengefühl mit, um auf der Prager Burg gute Arbeit zu leisten.“

Dabei bedeute das Amt nicht vorrangig, selbst Entwürfe für Bauten und Umbauten auf dem Hradschin anzufertigen, fährt Zdeněk Lukeš fort:

„Bauprojekte müssen ausgeschrieben werden, da greift das Gesetz über öffentliche Aufträge. Das ist nicht so wie in der Ära Plečnik, als dieser die Projekte auch selbst umsetzte. Der Burg-Architekt heute würde also eher das Grundkonzept für Bauten auf dem Hradschin erstellen. Das heißt, er legt zum Beispiel fest, in welcher Reihenfolge und wie die einzelnen Gebäude restauriert werden und wie sie genutzt werden könnten. Und natürlich muss er mit weiteren Architekten kooperieren sowie mit der Denkmalschutzabteilung der Burgverwaltung und weiteren Experten. Es ist immer Teamarbeit.“

St. Georg Kloster | Foto: Rémi Diligent,  public domain

Laut Lukeš gehen die Restaurierungsarbeiten auf dem Hradschin praktisch nie zu Ende. Schließlich handelt es sich um einen der größten historischen Burgkomplexe weltweit, wenn nicht sogar den größten. Über sieben Hektar Fläche hat allein der zentrale Teil. Und da gibt es immer etwas zu tun:

„Fast alle Objekte auf der Burg sind schon restauriert worden. Die einzigen Ausnahmen sind das Kloster St. Georg – aber dieses gehört der katholischen Kirche und nicht dem tschechischen Staat – sowie die Höfe und Gärten. An einigen Gebäuden arbeiten die Restauratoren hingegen permanent wie am Veitsdom oder am alten Königspalast.“

Es ist also auch eine Mammutaufgabe, ohne Möglichkeiten, die Fantasie zu sehr spielen zu lassen. Doch die Vorstellungen des künftigen Präsidenten Petr Pavel gehen durchaus dahin, auch Neubauten zuzulassen. So sagt er:

„In meiner Amtszeit würde ich gerne etwas wagemutigere Projekte unterstützen. Denn tschechische Architekten haben in diesem Bereich etwas anzubieten. Wenn wir uns zu sehr zurückhalten, vergeben wir die Chance, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, das Touristen aus dem Ausland genauso anzieht wie Experten – und uns stolz macht.“

Prager Burg | Foto:  Ondřej Tomšů,  Radio Prague International
Autoren: Till Janzer , Olga Vasinkevič
schlüsselwort:
abspielen