Zum 150. Geburtstag von Jože Plečnik: Spuren des Architekten in Prag
Der herausragende slowenische Architekt Josef – oder der Muttersprache nach: Jože – Plečnik (1872-1957) hat das neuzeitliche Erscheinungsbild der Prager Burg in den 1920er und 1930er Jahren maßgeblich geprägt. Parallel dazu führte er damals den Bau eines neuen Wahrzeichens der tschechoslowakischen Hauptstadt aus: der Herz-Jesu-Kirche im Stadtteil Vinohrady. Der Architekt wurde vor 150 Jahren, am 23. Januar 1872, geboren.
Jože Plečnik war in den Jahren 1920 bis 1934 in Prag als Bauherr tätig. 1920 ernannte der tschechoslowakische Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk den Otto-Wagner-Schüler und Professor der Prager Kunstgewerbeschule zum Architekten der hiesigen Burg. Plečnik wurde für deren Umgestaltung verantwortlich. Unter anderem entwarf er die Wohnung des Präsidenten im zweiten Stockwerk des Neuen Königspalastes:
„Dieser Raum diente als Masaryks Arbeitszimmer. Hier fallen vor allem die Bücherregale an allen Wänden, sogar auch zwischen den Fenstern, auf. Das war Masaryks Wunsch: Er wollte keine Dekoration. Nur in der Ecke gibt es, wie man sehen kann, einen schönen Marmorbrunnen.“
Umgestaltung der Prager Burg
Soweit der Architekturhistoriker Zdeněk Lukeš. Die Einrichtung der Wohnung war keineswegs die einzige Arbeit Plečniks auf der Prager Burg. Sein Auftrag war es, den Sitz des tschechoslowakischen Staatsoberhauptes komplett umzugestalten. Die Burg sollte nicht mehr die Monarchie, sondern die neue Republik repräsentieren:
„Er wollte das mannigfaltige Mosaik von verschiedenen Stilen um einen modernen Klassizismus ergänzen. Dieser sollte alle Geschichtsetappen verbinden. Meiner Meinung nach ist dies gelungen.“
Der slowenische Bauherr gestaltete den ersten und den dritten Burghof neu. Nicht weit vom Veitsdom entfernt steht zudem ein weiteres Werk von Plečnik – eine hohe, schlanke Säule aus grauem Granit. Vor allem aus konservativen Kreisen hieß es damals, der moderne Monolith sei nicht für die Burg geeignet.
„Man sagte, der Obelisk sei ein Fabrikschornstein. Die Leute mochten Plečnik nicht und behaupteten sogar, weil er kein Tscheche sei, habe er kein Recht, auf der Prager Burg zu arbeiten. Das ist natürlich absurd. Denn wenn man sich hier umschaut, sieht man die Arbeiten von Italienern, Deutschen, Franzosen... Die Prager Burg ist ein kollektives Werk der Meister aus ganz Europa.“
Wir kommen in die Gärten auf der südlichen Seite des Burggeländes. Auch diese wurden von Plečnik umgestaltet. Er entwarf mehrere Treppenanlagen sowie kleinere Denkmäler und Pavillons. Im Wallgarten schuf er unter anderem eine Aussichtsterrasse, eine Pergola mit einem Tisch aus Granit und eine Pyramide. Wenn man von der Aussichtsterrasse nicht in Richtung Stadt, sondern rückwärts schaut, sieht man den Turm des Veitsdoms. Zdeněk Lukeš zeigt auf die kleine steinerne Pyramide im Garten:
„Plečnik hat bedeutende Prager Wahrzeichen mittels verschiedener Elemente, wie etwa dieser Pyramide, mit dem Schloss verbunden. Die Spitze ist einerseits auf den Turm gerichtet. Und andererseits zeigt sie auf die St. Nikolaus-Kirche, eines der Wahrzeichen der Kleinseite.“
Herz-Jesu-Kirche im Prager Stadtteil Vinohrady
Und somit verlassen wir nun den Hradschin. Denn Plečnik hat auch ein neues Wahrzeichen der Stadt Prag geschaffen. Der Architekt David Vávra beschreibt die Herz-Jesu-Kirche im Prager Stadtteil Vinohrady:
„Wenn wir die Kirche aus der Nähe betrachten, im strahlenden Sonnenschein, der jeden Schatten verdeutlicht, fällt uns ihre lapidare Form auf. Es ist eigentlich ein einfacher Empire-Stil. Der untere Gebäudeteil ist sehr massiv und mit Keramikfliesen verkleidet, aus denen die einzelnen Segmente herausragen.“
Plečnik war ein Liebhaber der antiken und mediterranen Architektur, und in diesem Sinne schuf er eine Kirche, die sich von allen anderen Gebäuden in Tschechien unterscheidet. Die Herz-Jesu-Kirche auf dem Prager Georg-von-Podiebrad-Platz hat ein flaches Dach mit einem einzigen Turm, der so breit ist wie das gesamte Gebäude. Diesen schmückt eine transparente, acht Meter große Glasuhr. Plečnik habe das Objekt auf der Grundlage alter christlicher Werte entworfen, aber für den modernen Menschen, erläutert Vávra:
„Es ist ein Bau, für den er sich von der Vergangenheit belehren ließ. Und doch ist er durch und durch modern und bescheiden, denn Plečnik war ein tief religiöser Mensch. Und beides, der Respekt vor der Tradition und gleichzeitig die Vision der Einfachheit, ist erstaunlich und mutig. Sowohl in der Vergangenheit, als auch heute.“
Gleichzeitig hielt sich Plečnik an einige konservative Regeln. Das zeigt unter anderem das Zitat aus einem der Briefe, mit denen der Architekt die Bauarbeiten aus der Ferne leitete. David Vávra liest ihn vor:
„Ich protestiere auf das Schärfste gegen die Installierung einer Zentralheizung in der Kirche. Diese moderne Welt gehört nicht in ein katholisches Gotteshaus. Eine katholische Kirche ist weder ein Kino, noch eine Bar, noch ein Theater. Es ist ein Kalvarienberg. Ich protestiere, ich protestiere.“
Mit dem Pfarrer Jan Houkal betreten wir ein großes Kirchenschiff mit einer flachen Kassettendecke, das voller christlicher Symbolik ist. Im Unterschied zu anderen Gotteshäusern gibt es darin wesentlich mehr Licht. Pater Houkal:
„Plečnik baute die Kirche so, damit das Tageslicht in alle Räume eindringen konnte, also auch in den hinteren Teil. Es gibt hier alle möglichen Durchblicke, Zwischenräume und Lücken, durch die man in einen verborgenen Raum hineinschauen kann. Dies ist etwas Faszinierendes, das während des Gottesdienstes zu erleben ist. Zudem ist es ein schönes Symbol des Geheimnisses.“
Pater Houkal meint, dass Plečniks Plan, eine Kirche für den modernen Menschen zu bauen, hundertprozentig gelungen ist:
„Man schaut zum Beispiel auf den Kronleuchter und sieht die Form des Kreuzes. Man nimmt das Lichtspiel wahr, die Dunkelheit, die Finsternis, die dekorative Verzierung der Wände, aber gleichzeitig auch moderne, manchmal fast minimalistische Formen. Man spürt, dies ist eine Kirche dieser Zeit. Die Heiligkeit wird hier auf eine moderne Weise erfahren.“
Parallel zu seinen Aufträgen in Prag arbeitete der Slowene auch an der Umgestaltung des Präsidenten-Sommersitzes im Schloss Lány / Lana. Im dortigen Park schuf Plečnik unter anderem ein neues Wassersystem mit einem Springbrunnen und einem Teich. Im Jahr 1934 verließ Jože Plečnik die Tschechoslowakei und kehrte in seine Heimatstadt Ljubljana / Laibach zurück. Dort war er bis ins hohe Alter als Lehrer und Architekt tätig.