Aufgabenverteilung im Haushalt: Fragebogen soll tschechische Paare zu mehr Gerechtigkeit anregen
Wer bringt den Müll raus? Wer räumt die Spülmaschine aus und holt die Kinder von der Schule ab? In einer Partnerschaft sorgen genau diese Fragen oft für Diskussionen. Trotz fortschreitender Emanzipation in Tschechien bleibt ein großer Teil der Haushaltsaufgaben immer noch an den Frauen hängen. Ein neuer Fragebogen soll nun für mehr Gerechtigkeit in tschechischen Haushalten sorgen.
Die faire Aufteilung der Haushaltsaufgaben ist wohl in vielen Familien ein häufiger Streitpunkt. Oft verrichtet ein Mitglied den Großteil der Arbeit — und auch hierzulande sind das meist Frauen. Martina Dvořáková hatte genug von diesen Ungleichheiten in den tschechischen Haushalten. Daher hat sie einen Fragebogen entwickelt, der Paaren helfen soll, ihre Aufgaben gerechter zu verteilen.
Martina Dvořáková ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie würde von sich selbst behaupten, in einem „fairen Haushalt“ zu leben. Das beinhalte für sie aber mehr als nur eine gerechte Aufgabenverteilung, sagt sie im Interview für Radio Prag International:
„Es bedeutet für jeden Menschen etwas anderes. Für mich heißt das, mich frei fühlen zu können, meine Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken und in der Lage zu sein, mit meinem Ehemann darüber zu sprechen. Wir versuchen unsere Karrieren, Leben und Freizeit so anzupassen, dass wir beide glücklich sind. Es geht vor allem darum, wie man sich fühlt.“
Bevor sie die Initiative für einen fairen Haushalt gründete, studierte sie Sozialwissenschaften in Amsterdam. Danach arbeitete sie unter anderem auch in Tschechien im sozialen Bereich und in der Palliativpflege. 2019, während der Corona-Pandemie, kam ihr dann die Idee, die Haushaltsprüfung ins Leben zu rufen. Gerade zu dieser Zeit, so sagt sie, habe sich der Lebensmittelpunkt der Familien stark in den eigenen Haushalt verlagert.
„Man konnte sehen, dass Frauen überfordert und erschöpft waren. Jeder musste mithelfen, aber die Frauen erledigten die Mehrheit der Aufgaben wie Homeschooling, Putzen, Kochen und kümmerten sich um das Wohlbefinden aller. Ich war erstaunt darüber, dass dieses Muster in den Familien immer noch so stark verbreitet ist. Mir wurde klar, dass man etwas daran ändern muss. Ich dachte mir, das wäre ein guter Zeitpunkt, aber als die Schulen wieder öffneten und wir in unseren Alltag zurückkehrten, war alles wie zuvor. Und dann entschied ich mich, etwas dagegen zu tun“, so Dvořáková.
Gleichberechtigung beginnt zu Haus
Um einen Überblick über die Verteilung der Aufgaben zu schaffen, entwickelte sie eine Art Fragebogen. Diesen kann man sich downloaden und ausdrucken. So können dann beide Partner eintragen, welche Arbeiten sie erledigt haben und welche noch ausstehen. Dabei war es Dvořáková wichtig, nicht nur körperliche Aufgaben wie Putzen, Aufräumen oder Kochen in den Fragebogen aufzunehmen, sondern auch mentale und emotionale Komponenten. Denn das gehört ihrer Meinung nach ebenso zur Hausarbeit. So sagt sie:
„Man muss in einem Haushalt auch Dinge organisieren, Geburtstagsfeiern planen, Arzttermine vereinbaren und mit den Kindern vor dem Schlafengehen über ihren Tag sprechen. Es kann passieren, dass in der Familie einer der Partner viel Zeit für solche Aktivitäten aufwendet, während der andere sie vielleicht nicht als so wichtig erachtet – aber er oder sie kann davon genauso profitieren.“
Laut Martina Dvořáková lassen sich die Nutzer des Fragebogens in zwei Kategorien teilen. Die kleinere Gruppe besteht aus Paaren, die bereits zufrieden sind. Für sie stellt die Haushaltsprüfung eher eine unterhaltsame Freizeitbeschäftigung am Abend dar. Sie möchten meist nur Kleinigkeiten an ihrem Zusammenleben ändern. Die größere Gruppe besteht aus Frauen, die mit ihrer aktuellen Situation unzufrieden sind. Sie haben den Wunsch nach Veränderung und suchen nach einem Weg, ihren Partner ein wenig dazu zu motivieren, aktiv an einer Verbesserung zu arbeiten.
„Sie erzählen mir, dass sie es nützlich finden, weil sie jetzt etwas Konkretes in der Hand haben, über das sie sprechen können. Die Diskussion ist nicht abstrakt, sondern sie können es auf Papier sehen und besser nachvollziehen“, sagt die Sozialwissenschaftlerin.
Beim Ausfüllen des Fragebogens stellen viele Paare fest, dass die Aufgaben doch nicht so fair verteilt sind, wie sie ursprünglich dachten. Manchmal ist es aber so, dass gar nicht die Frau mehr Arbeit übernimmt. In einigen Hauhalten ist es der Mann. Laut Martina Dvořáková geht es aber nicht darum, daraus einen Wettbewerb zu machen, sondern aufzuzeigen, wie die Aufgabenverteilung verbessert werden könnte:
„Ich habe bewusst darauf verzichtet, dem Fragebogen Noten oder ein Punktesystem hinzuzufügen. Mein Ziel ist es nicht, einen Konkurrenzkampf zwischen den Partnern zu fördern – ich möchte einfach, dass die Paare eine Grundlage zum Diskutieren haben. Frauen beklagen sich heutzutage am meisten über die mentale Last. Die eigentlich größte Arbeit im Haushalt ist die, die man nicht sieht. Wir müssen mehr darüber sprechen und versuchen, sie gerecht zu verteilen.“
Feminismus in Tschechien
Obwohl sich in den letzten 25 bis 30 Jahren einiges im Geschlechterverhältnis verändert habe, stagniere in den Haushalten die Entwicklung, sagt Dvořáková:
„Ich denke, in Hinblick auf die Kinderbetreuung hat sich schon etwas geändert. In Bezug auf die gerechte Aufteilung im Haushalt allerdings nicht. Das betrifft aber nicht nur Tschechien, sondern auch andere westliche Länder. Es verändert sich einfach nichts, und ich verstehe nicht wieso.“
Die Leute verstehen die feministischen Werte nicht, was sie bedeuten und wie wichtig sie sind, weil es keine Bewegung ist, die aus der Bevölkerung kommt
Im Gender Equality Index lag Tschechien im vergangenen Jahr auf Platz 25. Zum Vergleich: Deutschland belegte Platz elf. Hierzulande sei es unüblich, sich selbst als Feministin zu bezeichnen, meint Martina Dvořáková. Das könnte vor allem an der Vergangenheit liegen, glaubt sie...
„Manche sagen, dass die Frauen in der damaligen Tschechoslowakei nicht für feministische Rechte gekämpft haben, wie es die Frauen in den westlichen Ländern taten. Diese wurden ihnen eher von der Kommunistischen Partei gegeben. Später änderte sich alles, und somit wurde vieles durcheinander gebracht. Die Leute verstehen die feministischen Werte nicht, was sie bedeuten und wie wichtig sie sind, weil es keine Bewegung ist, die aus der Bevölkerung kommt.“
Sie und ihr Mann bezeichnen sich offen als Feministen – doch die Reaktionen darauf sind oft negativ.
„Ich habe bereits viele hasserfüllte Kommentare zu diesem Thema bekommen. Ein Freund sagte einmal zu mir, dass ich durch meine kurzen Haare und meine Brille aussehe wie eine typische Feministin. Es sei kein Wunder, dass man mich hassen würde“, so Dvořáková.
Trotz solcher negativer Erfahrungen blickt sie positiv in die Zukunft:
„Ich bemerke, dass wir unsere Kinder anders erziehen, als unsere Eltern es getan haben. Wir reden mehr über Ungleichheiten und Probleme in der Gesellschaft und achten mehr auf Emotionen. Wir sagen zum Beispiel nicht mehr zu unseren Kindern, dass Jungs nicht weinen dürfen. Außerdem braucht die Gesellschaft mehr weibliche Vorbilder. Da Frauen aber häufiger zu Hause sind und die Arbeit verrichten, die man nicht sieht, werden sie in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen und arbeiten kaum in Führungspositionen. Doch gerade in diesen Positionen sind Frauen besonders wichtig.“
Laut Dvořáková ist es sehr subjektiv, wie die Partner ihren Beitrag im Haushalt einschätzen. Wer also glücklich mit der Aufgabenverteilung ist, der wird wohl weniger auf den Fragebogen zurückgreifen. Doch wer wirklich bereit ist, den Ungleichheiten im Haushalt entgegenzuwirken, für den bietet der Bogen zumindest einen Überblick und eine Grundlage, sich darüber auszutauschen. Ob der Fragebogen langfristig zu einer gerechteren Verteilung der Aufgaben in den Haushalten beiträgt, bleibt also abzuwarten.