Kochen, lachen, glücklich machen - tschechische Frauen zwischen Beruf und Familie

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Trotz zunehmendem Bekenntnis zum Individualismus und einer toleranten Haltung zu Scheidungen: Die Familie steht in Tschechien auf der Werteskala weiterhin ganz weit oben. Dabei gilt allerdings ganz klar: Familie, das ist Frauensache. Über Rollenteilung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Stellung der Familie in der tschechischen Gesellschaft erfahren Sie mehr in der nun folgenden Ausgabe von Forum Gesellschaft mit Thomas Kirschner.

Kochen, lachen, glücklich machen - was Karel Gott noch als das Idyll seiner Babitschka, seiner Großmutter, besingt, ist bei genauer Betrachtung nur eine freundliche Sichtweise auf die Vielfachbelastung der Frauen durch Familie, Haushalt und Beruf. Nichts spezifisch Tschechisches, sicher. Aber doch ein Phänomen mit einer besonderen Ausprägung in einem Land, in dem "Emanzipation" nicht selten noch als Schimpfwort verstanden und gebraucht wird, und das wohlgemerkt von beiden Geschlechtern. Mit der Stellung von Frau und Familie in Tschechien hat sich Vera Kucharova vom Forschungsinstitut für Arbeit und Soziales (VUPSV) beschäftigt. Im europäischen Vergleich findet sie in Tschechien verhältnismäßig konservative Einstellungen vor.

"Die Haltung der tschechischen Gesellschaft ist insofern traditioneller, als dass Familie auf der Werteskala eine stärkere Stellung hat. Außerdem wird in Tschechien häufiger eine traditionelle Rollenteilung zwischen Mann und Frau erwartet, wenn es um Haushalt und Beruf oder die Erziehung der Kinder geht."

Im Klartext: dem Mann gehört die große Welt mit Beruf, Karriere und Geldverdienen, die Frau behütet die kleine Welt, das Heim und die Kinder. Ein Modell, das sich auch in den westlichen Ländern erst seit den 70er Jahren allmählich wandelt. Mindestens in einem Punkt beschreibt dieses Vorstellungsbild allerdings auch schon lange nicht mehr die tschechische Realität. Wie in andern sozialistischen Ländern war es auch in der Tschechoslowakei ganz üblich, dass auch Frauen einem Beruf nachgingen. Auch nach der Revolution hat sich das erhalten - die niedrigen Löhne, durch die viele Familien auf einen Doppelverdienst angewiesen sind, tun dazu ein Übriges. Die Rollenverteilung blieb davon jedoch unbeeinflusst, meint Vera Kucharova:

"Gerade in Tschechien stehen schon seit langer Zeit sehr viele Frauen im Beruf, und trotzdem bleibt immer noch ein großer Teil der Arbeit im Haushalt und bei der Kindererziehung den Frauen überlassen. Hier gibt es einen großen Unterschied zu dem, was in anderen europäischen Ländern bereits erreicht ist - in Nordeuropa etwa sieht dieses Bild ganz anders aus."

Schuld daran tragen nicht etwa nur drückebergerische Männer, die ihre Frauen mit der Arbeit und Verantwortung allein lassen. Das Bewusstsein, dass Haushalt und Familie der ureigenste Bereich der Frauen sind, wirkt in der gesamten Gesellschaft weiter fort - nicht selten stöhnen die tschechischen Frauen unter der Doppelbelastung, beziehen aber zugleich ihren Stolz daraus, dass sie diesen Anforderungen gerecht werden. Gleichermaßen gilt dies auch für die Erziehung der Kinder, erläutert nochmals Vera Kucharova vom Forschungsinstitut für Arbeit und Soziales.

"In Tschechien wird die Rolle der Frau bei der Erziehung der Kinder immer noch als sehr wichtig angesehen - nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch von den einzelnen Frauen selbst. Die überlassen ihrem Partner, dem Mann, nur ungern einen Anteil daran - auch wenn sie wissen, dass sie hier teilen müssen und dass es anders nicht funktioniert."

Es sei denn, es gibt sie noch, die böhmische Babitschka... Aber auch die beste Großmutter kann nicht abstellen, dass sich Familie und Beruf auch weiterhin nur schwer vereinbaren lassen. Vera Kucharova benennt das Problem, das offen auf der Hand liegt.

"Die äußeren Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt und die Anforderungen an den Einzelnen stehen im Konflikt zu den Anforderungen der Familie. Und wenn jemand seine Familie wirtschaftlich absichern will, dann muss er sich den Bedingungen des Arbeitsmarktes unterwerfen, und damit belastet er wiederum die Beziehungen in der Familie."

Gerade dieses Dilemma versucht der Tschechische Frauenbund mit seinem Projekt EQUAL anzugehen, das für eine bessere Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt sorgen soll - wir haben bei Radio Prag schon darüber berichtet. Das Rezept lautet: zunehmende Flexibilisierung bei allseitiger Beratung und Unterstützung. Nicht alle Regelungen, die vor der Hand positiv erscheinen, finden dabei die Zustimmung der Verbandsvorsitzenden Zdenka Hajna.

"In Tschechien gibt es einen sehr langen Mutterschaftsurlaub. Mit Blick auf die Kinder ist das natürlich sehr positiv. Aber für den Beruf und die Karriere bringt das große Probleme mit sich, denn die Frauen haben keine Möglichkeit, sich ihren Beruf zu erhalten."

Im vergangenen Jahr wurden die Regelungen novellisiert. Frauen im Mutterschutz dürfen seitdem nebenbei arbeiten, ohne damit den Anspruch auf ihre Bezüge zu verlieren. Für Zdenka Hajna ein Schritt in die richtige Richtung, wenngleich ein unvollständiger.

"Auf der anderen Seite wurden keine Betreuungsmöglichkeiten geschaffen, so dass die Mutter die Kinder etwa in den Kindergarten geben könnte oder auf andere Weise die Betreuung sicherstellen könnte, während sie zum Beispiel einen Fortbildungskurs macht."

Indem die Verantwortung für die Familie in Tschechien hauptsächlich bei den Frauen liegt, haben sie zugleich eine sehr schwierige Stellung auf dem Arbeitsmarkt. Gerade junge Frauen haben oft Probleme, eine Anstellung zu finden. Die Arbeitgeber setzen voraus, dass sie sich vor allem um Familie und Kinder kümmern werden. Der Tschechische Frauenbund möchte zunächst bei den Frauen selbst ansetzen und sie ermutigen, sich gegenüber den Arbeitgebern offensiv und positiv zu präsentieren.

"Es ist natürlich richtig zu sagen: Ja, ich habe Familie - aber genau deshalb bin ich die perfekte Organisatorin, denn ich schaffe es, den Familienalltag zu bewältigen, und daneben bleibt mir immer noch Zeit um arbeiten zu gehen."

Mit einer Kampagne für die Flexibilisierung der Arbeit soll zugleich Überzeugungsarbeit bei den Unternehmen geleistet werden, um so die Rahmenbedingungen für eine bessere Stellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Als dritter Partner gehören dazu natürlich auch die Ehemänner und Väter, die in der Familie eine aktivere Rolle spielen und mehr Verantwortung übernehmen sollen. Die Bereitschaft dazu stößt schnell an ökonomische Grenzen. Einer Umfrage zufolge wären 60 Prozent der jungen Väter in Tschechien bereit, den Erziehungsurlaub selbst in Anspruch zu nehmen - unter der Voraussetzung allerdings, dass in der Partnerschaft die Frau das höhere Einkommen hat. Nicht nur in Tschechien aber liegen die Durchschnittslöhne der Frauen weiter deutlich unter denen der Männer. Schon das zeigt, dass Familienpolitik sehr breit ansetzen muss, wenn sie erfolgreich sein will. Immer noch eine Herausforderung in Tschechien, nach 40 Jahren Sozialismus, in denen die Familie der einzige Rückzugsort vor der totalen Vergesellschaftung war, erklärt abschließend nochmals Vera Kucharova vom Forschungsinstitut für Arbeit und Soziales.

"In Tschechien wird die Familie immer noch als die Privatsphäre verstanden. Wenn es aber gelingen soll, bessere familienpolitische Bedingungen zu gestalten, dann geht das nur unter der Maßgabe, dass die Familie gegenüber der Gesellschaft offener wird."