Aufnahmen aus dem KZ Theresienstadt – Ausstellung in Prag zeigt Porträtfotos verfolgter Juden
Über die grausamen Zustände im KZ Theresienstadt haben schon viele Zeitzeugen berichtet. Doch authentische Bilder aus dem „Wartesaal des Todes“ waren bisher nicht bekannt, sieht man von den Propaganda-Aufnahmen der Nazis ab. Vor zwei Jahren wurden aber im Nachlass eines Redakteurs des Tschechischen Rundfunks insgesamt 41 Schwarz-Weiß-Fotos aus dem KZ gefunden. Nun sind die Bilder in einer Ausstellung im Bahnhof Bubny in Prag zu sehen.
Es sind Porträt-Aufnahmen von Häftlingen des Konzentrationslagers Theresienstadt. Seit Dienstag werden die 41 Bilder in der „Gedenkstätte der Stille“ im Prager Bahnhof Bubny gezeigt. Wer damals die Kamera bedient hat, ist nicht bekannt. In jedem Fall tat er oder sie dies unter großer Gefahr. Denn zu fotografieren war in dem Lager streng verboten.
Die Fotos wurden im Nachlass des Rundfunkredakteurs Milan Weiner gefunden, der selbst den Holocaust überlebt hat, aber schon 1969 starb. In der Folge begannen Mitarbeiter der „Gedenkstätte der Stille“, nach der Identität der porträtierten KZ-Insassen zu forschen. Pavel Štingl leitet die Gedenkstätte:
„Das war ein großes Abenteuer und hat uns zwei Jahre lang beschäftigt. Zunächst haben wir die letzten Holocaust-Überlebenden angesprochen und sie gefragt, ob sie nicht irgendjemanden von den Porträtierten erkennen. Das war aber erfolglos. Denn die letzten Überlebenden waren während des Zweiten Weltkriegs vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt. Die Bilder zeigen jedoch meist Menschen im Alter von 30 oder 40 Jahren.“
Deswegen veröffentlichte man die Porträts in hiesigen Zeitungen. Erst da meldeten sich einige Menschen, die die Gesichter erkannten. Dadurch konnten fünf der jüdischen KZ-Häftlinge identifiziert werden. Mit Hilfe von Historikern der Gedenkstätte Theresienstadt und des Jüdischen Museums in Prag wurden weitere Informationen zu den Porträtierten zusammengetragen. Durch diese Zusammenarbeit ist mittlerweile auch klar, dass die Fotos 1943 angefertigt worden sein müssen.
Eine der Porträtierten hieß Lucie Weisberger. Als die Pragerin 1941 nach Theresienstadt deportiert wurde, war sie 18 Jahre alt. Zusammen mit ihrer Schwester überlebte sie den Holocaust und emigrierte 1968 in die Schweiz. Pavel Štingl erläutert im Ausstellungssaal, was zu Lucie Weisberger außer den Bildern zu sehen ist:
„Wir haben hier einen Text von ihr veröffentlicht, den wir nach all den schwierigen Nachforschungen gefunden haben. Er stammt aus den umfangreichen Erinnerungen, die Lucie Weisberger erst in den 1990er Jahren niedergeschrieben hat. Den Ausschnitt haben wir auf den Boden eines der Ausstellungssäle projiziert.“
Lucie Weisberger gehörte übrigens zum Freundeskreis des deutsch-schwedischen Künstlers Peter Weiss – genauso wie der Dichter und Dramatiker Peter Kien, der ebenfalls auf den Bildern festgehalten ist. Vor dem Zweiten Weltkrieg war er mit Lucie Weisbergers Schwester Hana liiert. Kien, der aus Varnsdorf / Warnsdorf stammte, überlebte im Gegensatz zu den beiden jedoch nicht. Er wurde am 16. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und starb kurz nach der Ankunft an einer Infektion.
Ebenfalls auf den Fotos identifiziert werden konnten der Unternehmer Alois Maissel, der Arzt Jan Levit sowie der holländische Künstler Joseph Spier.
Um die Ausstellungsbesucher näher an die Persönlichkeit der KZ-Insassen heranzuführen, wurden die Aufnahmen um ein Vielfaches vergrößert…
„Die Besucher sehen alle Bilder sowie ein Faksimile des Fotoalbums, das wirklich sehr klein ist. Wir haben die Aufnahmen in Überlebensgröße reproduziert und aus ihnen eine Galerie gemacht. Zudem zeigen wir in einem Film, wie wir nach der Identität der Porträtierten geforscht haben“, erläutert Pavel Štingl.
Zudem sagt er, dass demnächst noch weitere Namen der Fotografierten preisgegeben werden könnten. Das würde dann bedeuten, die Ausstellung zu erweitern und sie an einem anderen Ort zu zeigen, so der Leiter der Gedenkstätte.
Die Ausstellung „Album G.T.“ mit Porträtfotos aus dem KZ Theresienstadt ist in den Räumen der „Gedenkstätte der Stille“ im Prager Bahnhof Bubny zu sehen – und zwar noch bis 23. Oktober. Die Erläuterungen sind zweisprachig – Tschechisch und Englisch. Der Eintritt ist kostenlos.