Aus dem Alltag eines Journalisten

0:00
/
0:00

Kulturereignisse gelten nur dann als renommiert, wenn auch genug Wirbel um sie gemacht wird. Und Wirbel machen in der Regel die Medien. Mit passendem Vorlauf laden daher die Veranstalter die Journalisten ein, um ihnen den bevorstehenden Event schmackhaft zu machen. Dass solcherlei Treffen manches Mal ausgeklügelter psychischer Terror sind, ist von außen kaum vorstellbar. Nehmen wir beispielsweise das stilvolle Treffen unlängst, vor einem der größten Musikfestivals Tschechiens.

Während draußen die ersten Sonnenstrahlen den Frühling ankündigen harren drinnen die Journalisten. Endlich geht es los, Stühle werden gerückt, Brillen aufgesetzt, der Schreibblock auf die Knie und den Bleistift gespitzt, das Aufnahmegerät ist eingeschaltet... "Guten Tag", sagt der Veranstalter, "darf ich ihnen zunächst unseren Hauptsponsor vorstellen und Herrn Soundso zu Wort bitten". Wir kennen das, wir verziehen keine Miene und schauen freundlich den jungen Pressesprecher an, die Bleistifte ruhen zwischen unseren Fingern. "Darf ich Ihnen auch unseren Nebensponsor vorstellen." Kein Problem, wir sind höflich. Bei dem fünften Geldgeber werden erneut die Stühle gerückt und die Stifte in Position gebracht - die Frontreihe ist abgegrast, jetzt wird wohl endlich der künstlerische Leiter zu Wort kommen. Da sagt der Veranstalter: "Ich glaube in der Menge auch den Sponsor Herrn X gesehen zu haben. Warum geben Sie denn eigentlich Geld für so einen Event aus?" Er fühle sich sehr geehrt, sagt Herr X aus der 3. Reihe. Ähnliches sagt auch Herr Y aus der sechsten Reihe und dann Herr Z.

Und dann fragt der Veranstalter Herrn A. Da gefriert auch dem höflichsten Journalisten das Lächeln im Gesicht. Die berühmte Sängerin Frau Mustermann schaut nur noch sturen Blicks vor sich und als sie nach einer Stunde und 15 Minuten endlich gefragt wird, wie sie denn eigentlich das Festival findet, sagt sie nur noch knapp und medienuntauglich: Schön. Dann endlich dürfen die Zuhörer aufstehen. Sie haben sich wacker geschlagen, niemand ist aufgesprungen und hat sich lauthals beschwert, es gab keine Massenflucht. Wir haben durchgehalten. Unsere Texte gehen wir jetzt in den Redaktionen aus dem Pressematerial zusammenschreiben, das auf unseren Schreibtischen auf uns wartet. Die Sonne des Prager Frühlings lacht alldieweil auch weiterhin für andere.