Aus für „Činoherní studio“ in Ústí – Theaterensemble und Stadt trennen sich wegen Finanzierung

Foto: Google Street View

In der nordböhmischen Industriestadt Ústí nad Labem / Aussig wurde in der vergangenen Woche das „Činoherní studio“ geschlossen. Dieses Theater hat einen ausgezeichneten Ruf, seit 1972 stehen dort immer gute Ensembles auf der Bühne. Nun aber ist Schluss: Die Stadt Ústí wollte die Finanzierung des Theaters ändern, das Ensemble dies jedoch nicht akzeptieren.

Foto: ČTK
Etwa 700 Menschen hatten sich am vergangenen Mittwoch auf dem Platz vor dem Rathaus der Stadt Ústí versammelt. Sie protestierten gegen die Schließung des „Činoherní studio“, des bekanntesten Theaters der Stadt. Einer der Teilnehmer wetterte:

„Das ist doch eine Schande für ganz Ústí! Es gefällt mir gar nicht, dass der Magistrat und die Beamten der Stadt über das Schicksal der Kultur in Ústí entscheiden.“

Während der zweistündigen Veranstaltung wechselten sich zahlreiche Redner ab, einer von ihnen war der Direktor des Theaters, Vladimír Čepek:

Vladimír Čepek  (Foto: ČTK)
„Es war ein Kampf um die Erhaltung der Kultur in dieser Stadt, ein Kampf um die Erhaltung des ‚Činoherní studio‘ und seine Unabhängigkeit, und ein Kampf um die Tradition des Theaters und seine weitere Entwicklung.“

Seit Januar befand sich das Ensemble bereits im Streik, aus der ganzen Republik erhielten die Schauspieler Unterstützung und Solidaritätsbekundungen. Der Grund für den Streit um das Theater liegt in einer geplanten Änderung der Finanzierung durch die Stadt. Bisher hatte das Theater seine Unterstützung direkt aus dem städtischen Haushalt bekommen. Im Januar entschieden die Stadtoberen aber, die Gelder mittels einer Ausschreibung in Form eines so genannten Grants zu vergeben. Dieser Grant sollte acht Millionen Kronen (296.000 Euro) umfassen. Direktor Čepek erklärte dazu:

Pavel Dlouhý  (Foto: ČTK)
„Die Grant-Vergabe wurde mitten in der Theatersaison beschlossen und mitten im laufenden Haushaltsjahr. Daher war es für uns nicht möglich, sich für diesen Grant zu bewerben. Darüber hinaus wurde der Grant in Höhe von acht Millionen Kronen ausgeschrieben. Der vorherige Zuschuss lag indes bei 9,5 Millionen Kronen.“

Grund für die Finanzierungsänderung sollen Unregelmäßigkeiten in der Haushaltsführung des Ensembles sein. Dies wies der Theaterdirektor jedoch von sich. Er vermutet vielmehr, es handle sich um eine versteckte Kürzung der Stadt, um Gelder einzusparen. Nach wochenlangem Hin und Her entschied dann Čepek am Dienstag vergangener Woche, den Betrieb des „Činoherní studio“ einzustellen. Die Stadt Ústí reagierte umgehend. Der sozialdemokratische Stadtrat Pavel Dlouhý schob die Schuld für das Ende des Theaters dem Direktor zu: Er habe sich nicht um den Grant bemüht, dies sei verantwortungslos und dumm gewesen, so Dlouhý. Weiter sagte er:

Foto: Google Street View
„Weder die Stadt Ústí noch die Bewohner werden nun aber auf das Theater verzichten müssen, denn wir haben eine neue, städtische Zuschussorganisation unter dem alten Namen „Činoherní studio“ gegründet. Das gewährt einem neuen Ensemble ausreichende künstlerische Freiheit und Unabhängigkeit, während es der Stadt genügend Möglichkeiten bietet, das Wirtschaften des Theaters zu kontrollieren.“

Sicher ist aber derzeit, dass die teils bekannten und renommierten Schauspieler des bisherigen Ensembles nicht an dem geplanten neuen städtischen Theater auftreten wollen. Ihrer Meinung nach sei diese neue Organisation eine inhaltsleere Hülle, die nur einen bekannten Namen trage. Handfeste Auswirkungen hatte der Streit bereits: Als Stadtrat Jan Eichler einem der Schauspieler nicht auf dessen Fragen antworten wollte, gab ihm dieser vor laufender Kamera eine Ohrfeige.

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