Ausstellung über Türme im Aussichtsturm auf Petřín
Prag wird oft auch als Stadt der Hundert Türme bezeichnet. Der wahrscheinlich bekannteste Turm steht gegenüber der Prager Burg auf dem Hügel Petřín / Laurenziberg: Er sieht aus wie der Pariser Eiffelturm, ist 63,5 Meter hoch und wurde 1891 erbaut. Bis heute gehört dieser Aussichtsturm zu den beliebten Prager Touristenzielen. Am Dienstag wurde im Souterrain des Turms eine Ausstellung eröffnet. Sie befasst sich mit dem Bau des Aussichtsturms und zeigt die Modelle auch weiterer Türme vor allem aus Tschechien. Die Modelle wurden aus dem hierzulande bekannten Baukasten „Merkur“ montiert.
„Damals suchten die Tschechen nach Inspirationen im Ausland: 1889 reisten 363 Mitglieder des Tschechischen Wandervereins zur Weltausstellung nach Paris. Dort hat sie der Eiffelturm sehr beeindruckt. Sie beschlossen, auch in Prag einen derartigen Turm zu errichten. Die Idee wurde anlässlich der Großen Landesjubiläumsausstellung 1891 in die Tat umgesetzt.“
Die Initiatoren des Baus überlegten zuerst, wo der geplante Aussichtsturm überhaupt stehen soll. Der Laurenziberg zeigte sich schließlich als idealer Ort, weil von dort aus bei guter Sicht weit nach Böhmen hineinzusehen ist.
„Schon 1890 beschrieb Vilém Kurz, einer der Gründer des Wandervereins, in einem Feuilleton den geplanten Aussichtsturm. Die meisten Leser hielten Kurz´ Plan für bloße Phantasterei. Kurios war zudem, dass einer der Ingenieure, die die Metallkonstruktion des Turms entwarfen, Prášil hieß, was dem deutschen Namen Münchhausen entspricht. Den Ingenieuren und dem Architekten gelang es dann, den Turm innerhalb weniger Wochen zusammenzumontieren. Schon im August 1891 wurde der Bau beendet. Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die neue Dominante auf dem Laurenziberg waren positiv. Der Turm dient bis heute der Öffentlichkeit und wird viel besucht.“Zuvor gab es auf dem Petřín-Hügel bereits ein populäres Ausflugsrestaurant namens Nebozízek. Zudem wurde der angrenzende Kinský-Garten Ende des 19. Jahrhunderts neu gestaltet. Mit dem Aussichtsturm und der zu ihm hinaufführenden Standseilbahn gewann der Laurenziberg weiter an Attraktivität.
„Es gibt Ansichtskarten und Werbeplakate vom Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem neu eröffneten Aussichtsturm auf dem Petřín. In den Sammlungen unseres Museums sind Plakate, auf denen genau beschrieben ist, was alles vom neuen Turm aus zu sehen ist. Das Museum besitzt zudem die technischen Zeichnungen für den Bau. Es handelt sich um so genannte Blaupausen - weiß gezeichnete Entwürfe auf blauem Papier. Diese Zeichnungen hat uns eine Dame verkauft, die sie von einem ihrer Vorfahren geerbt hat. Dieser Vorfahre war Mitglied der Genossenschaft gewesen, die zum Bau des Aussichtsturms gegründet wurde und dem Prager Magistrat das Grundstück auf dem Laurenziberg abkaufte. Bei der Gestaltung der Ausstellung haben wir uns von diesen technischen Zeichnungen inspirieren lassen. Den Graphikern ist es gelungen, die Zeichnungen auf die Wände des Ausstellungssaals zu übertragen. Ich halte dies für eine passende und einzigartige Ausschmückung des Raums.“ Der Aussichtsturm ist nicht die einzige Sehenswürdigkeit auf dem Petřín- Hügel. Neben dem Turm befindet sich dort auch ein Spiegellabyrinth.„Der Turm wurde anlässlich der Großen Landesjubiläumsausstellung errichtet. Die Ausstellung wurde 100 Jahre nach der Industrieausstellung veranstaltet, die 1791 in Böhmen stattfand. Die Landesausstellung hatte das Ziel, den Aufschwung der tschechischen Gesellschaft zu dokumentieren. Nach dem Ende der Ausstellung wurde der Pavillon des Tschechischen Wandervereins mit einem Spiegellabyrinth auf dem Laurenziberg installiert. Zudem gibt es in dem Pavillon den so genannten ´Diorama-Raum´ mit einem großen Gemälde mit plastischen Vordergrund. Das Gemälde stellt den Kampf der Prager gegen die Schweden auf der Karlsbrücke im Jahre 1648 dar.“
Das Modell des Aussichtsturms vom Petřín hat Jiří Mládek zusammengesetzt. Er gilt als der größte Experte im Bereich Merkur-Baukasten. Er besitzt eine beachtenswerte Sammlung von Merkur-Bauteilen und kennt sich zudem in der Geschichte dieses Spielzeugs gut aus. Erfunden wurde „Merkur“ von Jaroslav Vancl. Dazu der Experte:„Vancl war ein sehr begabter und tüchtiger Techniker. Er hatte eine kleine Fabrik, in der er Türschlösser, aber auch beispielsweise Öfen herstellen ließ. Nach dem Ersten Weltkrieg bestand Bedarf an einem polytechnischen Baukasten. Ich weiß, dass Vancl schon als 14-jähriger Lehrling einen Baukasten entwarf, der dem späteren ´Merkur´ ähnlich war. Er entwickelte seine Idee aus der Jugend weiter und fing an, den Baukasten mit unterschiedlich großen lackierten Metallstücken, Schrauben und Muttern zu produzieren. Vancls Erfindung war so vollkommen, dass ´Merkur´ seit 90 Jahren hergestellt und verkauft wird. Ich halte den Baukasten einfach für genial.“
Jaroslav Vancls Fabrik wurde verstaatlicht, nachdem die Kommunisten 1948 in der Tschechoslowakei die Macht ergriffen hatten. Nach der Wende kaufte die tschechische Firma Cross das Unternehmen. „Merkur“ wird bis heute im ostböhmischen Police nad Metují produziert. Die Baukästen werden auch in viele Länder der Welt exportiert, einschließlich den USA und Kanada.
Die Ausstellung mit den Türmen aus Merkur-Bauteilen ist im Aussichtsturm auf dem Laurenziberg bis zum 30. März dieses Jahres zu sehen. Der Turm ist im März täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet.